Nicht, dass die Wahlen zum neuen AStA ohnehin schon schwierig genug wären…

Nachdem drei Kandidaten bei der Wahl zum Co-Referenten für Queer und Gleichstellung an der erforderlichen Mehrheit im Studierendenparlament scheiterten, wurde das Referat vor knapp 2 Wochen nun doch noch besetzt. Dass ausgerechnet Korbinian Geiger (konservativ, männlich und als schlimmstes von allem auch noch heterosexuell!) eine Mehrheit finden sollte, zeigt, dass das StuPa doch noch für Überraschungen gut sein kann. Keine Frage, der angehende Jurist steht nicht wirklich in der Tradition seiner Vorgänger.

So rollte auch schnell eine Welle der Empörung vor allem durch die Queer-Szene. Auf ryck-blick.de kam es nicht nur zu sachlicher Kritik, sondern auch zu einigen rhetorischen Unsportlichkeiten via Kommentarfunktion. Um mir ein eigenes Bild zu verschaffen, traf ich mich in der vergangenen Woche zu einem Gespräch mit Korbinian und sprach mit ihm über Ziele, Motivation und seine Wahrnehmung der Geschehnisse der letzten Tage.

„Ich wollte erst für das Queer-Referat kandidieren, glaubte dann aber, dies sei bei drei Gegenkandidaten aussichtslos. Deswegen kandidierte ich alternativ für das Referat für Ausländerfragen, von dem ich auch davon ausging, dass es mir Freude bereiten könnte.“

„Natürlich habe ich den AStA in den letzten Jahren wahrgenommen, aber wirklich zu tun hatte ich damit nie.“ „Jetzt erst recht“, dachte sich der Jurastudent, und bewarb sich zunächst um das Auslandsreferat. Das StuPa entschied sich jedoch für den Gegenkandidaten Hussien Al-Haushaby. „Zwei Wochen später kitzelte es mich aber doch wieder, und ich kandidierte beim Studierendenparlament für das ursprünglich gewollte Referat. Es ist mit der Zuständigkeit für Gleichstellung, für Studenten außerhalb des heteronormativen Geschlechtermodells, für studentische Familien und für sexuelle Belästigung sehr breit gefächert und birgt einige Reibungspunkte. Ich sage mal: Ich wollte kein Kuschelreferat.“

Korbinian bewarb sich und stellte sich und sein Konzept dem Parlament vor. „Der Schwerpunkt lag bei dieser Bewerbung eher im Bereich ‚Gleichstellung der Frauen an der Universität Greifswald‘. Korbinian überzeugte und erhielt die erforderliche Mehrheit. Es darf spekuliert werden, ob dies auch gelang, weil z. B. der RCDS, der sich generell gegen das Referat und vermutlich auch gegen bisherige Kandiaten gestellt hatte, mit dem CDU-Mitglied nun doch leben konnte.

„Mir war klar, dass meine Wahl nicht nur Begeisterung auslösen würde. Ich gehöre ja keiner der drei Zielgruppen an und bin somit nicht mein eigener Kunde. Ich sehe das aber eher als Vorteil, weil ich ideologiefrei an die Themen herangehen kann.“ „Nicht nur Begeisterung“ ist deutlich untertrieben, was in den darauffolgenden Stunden geschah. Auf Ryck-Blick wurden weit über 50 Kommentare zu dem Thema gepostet, dabei nicht eingerechnet solche, die wegen grober Beleidigungen gelöscht wurden. Es entbrannte eine heiße Diskussion darüber, ob ein Heterosexueller sich überhaupt in die Lage der Homosexuellen versetzen könnte und ob sie in ihm einen geeigneten Gesprächspartner finden würden. Seltsamerweise beschwerte sich keine Frau über Korbinians Männlichkeit noch ein Vater über seine Kinderlosigkeit. „Was da passiert ist, hat mich nicht schockiert, da es ihm Rahmen dessen lag, womit ich gerechnet habe. Verwundert hat mich aber ein bisschen die Vorurteilsgeladenheit aus einem Bereich, der eigentlich ganz groß für Toleranz wirbt. Alles in allem nahm ich das zur Kenntnis, lasse mich davon aber nicht in meiner Arbeit beeinflussen.“

Und wie ging es weiter? „Ich habe dann am Tag nach der Wahl die GenderTrouble-AG besucht. Die Stimmung war eher frostig und man spürte, ‚the community was not amused‘. Ein paar Tage später war dann der erste Queer-Stammtisch und dort ging es schon viel besser. Ich kam mit den Leuten ins Gespräch und versuchte, Vorurteile abzubauen, ihnen klar zu machen, dass ich mich um alle Bereiche des Referats kümmern werde. Es gibt an der Uni zwar wenig offene Diskriminierung Homosexueller, aber unterschwellig sind da schon noch Vorurteile. Dagegen muss man etwas tun.“

„Als wichtige und zugleich schwierigste Aufgabe im Queer-Bereich sehe ich die Arbeit für diejenigen, die noch ihr „Coming-Out“ vor sich haben. Es kann davon ausgegangen werden, daß weniger als die Hälfte der homosexuellen Studenten offen leben, somit ist ein großer Teil meiner Zielgruppe „unbekannt“. Hierfür werden neue Veranstaltungsformen ausprobiert, demnächst ein kleines Internetforum eingerichtet und ich beantworte auch anonyme E-Mail-Anfragen. Für Beratungen, die ich nicht selbst leisten kann, liegt eine umfangreicher Katalog von Stellen, an die ich verweisen kann, bereit. Grundsätzlich wird der Wunsch, ungeoutet zu leben, respektiert. Diejenigen, die sich dazu entschieden haben, laden sich dadurch aber einen großen Leidensdruck auf, der oft in Depressionen mündet und auch dem gesamtgesellschaftlichen Gedeihen abträglich ist. Die Entscheidung für oder einstweilen gegen ein Outing ist schwierig und am besten in Begleitung zu meistern.“

Die Aufregung hat sich nach der ersten Woche deutlich gelegt. So kann es nun mit der eigentlichen Arbeit los gehen. „Wichtig ist mir zunächst, bei meinen Zielgruppen die Bedürfnisse informell zu evaluieren. Erst dann kann man auch zielgerichtet unterstützen.“ Korbinian hat jedoch auch schon klare Projekte vor Augen: „Die verlängerten Öffnungszeiten der KiTa und neue Härtefallregelungen in den Studienordnungen sind schon mal gute Anfänge. Für die studentischen Familien will ich so bald wie möglich in Kooperation mit dem Studentenwerk ein Elterncafé einrichten, so eine Art Nachmittagsstammtisch bei dem man sich kennenlernen kann und Erfahrungen austauscht, unterstützt insbesondere insbesondere Sozialberatungsleistungen.“ Klingt ein wenig nach Hilfe zur Selbsthilfe.

„Im Bereich Gleichstellung, und da gibt es auch Überschneidungen mit dem Bereich Queer, will ich, eventuell in Kooperation mit dem Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterstudien, Veranstaltungen und Vorträge organisieren, in denen wir Studentinnen speziell die akademischen Karrieren in universitärer Forschung und Lehre näherbringen wollen.“

Mit klaren Ideen und hochmotiviert geht der neue Co-Referent seine Aufgabe an, die ihm „bisher viel Freude bereitet“. Der Sturm im Greifswalder Wasserglas hat sich wieder beruhigt und wir dürfen gespannt sein, ob sich der „Newcomer“ in den kommenden Monaten die positiven Versprechen erfüllt, oder doch eher die negativen Erwartungen einiger Kommilitonen. Und wie geht es dann im nächsten Jahr weiter? „Die Arbeit im Studierendenausschuss ist ein einmaliger Ausflug für mich, daraus soll keine AStA-Karriere werden.“

Infos & Beratung gibt’s hier:

Co-Referat für Queer und Gleichstellung
Korbinian Geiger
Domstraße 12
17487 Greifswald
queer@asta-greifswald.de
www.asta-greifswald.de