In der letzten Woche stand der Supreme Court im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Er hatte sich mit gleich zwei sogenannten „hot button topics“ zu befassen, also heißen Wahlkampfthemen, die das Wahlvolk spalten. Und in diesem Fall sind es auch noch die Themen, die im „alten Europa“ wohl für die meisten Irritationen sorgen: Das Recht auf Waffenbesitz und die Todesstrafe.

Die erste Entscheidung befasste sich mit der Todesstrafe. In einer umstrittenen 5-4-Entscheidung erklärte das Gericht die diesbezüglichen Gesetze von Louisiana und fünf anderen Staaten für verfassungswidrig, da sie die Todesstrafe auf für die Vergewaltigung eines Kindes vorsahen. In der Entscheidung legten die Richter fest, dass die Todesstrafe nur bei Verbrechen angewendet werden darf, bei denen das Opfer das Leben verliert. Das es für dieses Urteil von Seiten der Konservativen keinen Beifall geben würde, war klar. Als aber auch Barack Obama dieses Urteil kritisierte und im Falle der Vergewaltigung eines Kindes grundsätzlich für die Anwendung der Todesstrafe plädierte, machte sich vor allem bei den hiesigen Medien Enttäuschung und Unverständnis bemerkbar. Wirklich überraschen kann einen Obamas Äußerung nicht. Obama vertritt bereits seit Jahren die Position, dass die Todesstrafe zwar aufgrund von Vollstreckungsdefiziten ausgesetzt werden sollte, aber grundsätzlich eine angemessene Bestrafung für schwere Verbrechen ist. Und die Vergewaltigung eines Kindes ist für ihn ein solches Verbrechen. Ob diese Position seine tatsächliche Überzeugung ist oder lediglich Opportunismus, darüber ließe sich trefflich spekulieren. Am Ende sollte man dies nicht überbewerten: Wenn US-Präsidentschaftsbewerber über die Todesstrafe reden, lässt sich dies mit Ausführungen von Kanzlerkandidaten zur Bildungsgerechtigkeit vergleichen: Man kann einen guten Eindruck beim Wähler machen, wirklich was zu sagen hat man an dieser Stelle aber nicht. Einen zum Verständnis der Debatte (ohne dass man deshalb gleich zum Befürworter staatlich sanktionierten Tötens werden muss) sehr hilfreichen Artikel liefert der Deutschamerikaner Scott W. Stevenson auf seinem Blog.

Substanziell wesentlich spannender war die Entscheidung zum Waffenbesitz. Ebenfalls mit 5-4 Stimmen (diesmal freilich anders verteilt) hob das Gericht das Waffengesetz von Washington D.C. auf, dass es den Bürgern der Hauptstadt untersagte, Schusswaffen zu tragen. Erstmals in der Geschichte der USA bekräftigte der Supreme Court grundsätzlich das individuelle Recht eines Bürgers, Waffen zu tragen. Bislang war dieses Recht zwar in der Verfassung festgeschrieben, der zweite Verfassungszusatz verbot allerdings nur dem Bund die Einschränkung des Waffenbesitzes, nicht den Staaten. Ob sich dies nun ändern wird (immerhin ist D.C. kein Bundesstaat), ist umstritten. Während John McCain das Urteil natürlich enthusiastisch begrüßt, hat Barack Obama deutlich größere Schwierigkeiten mit seiner Position: (YouTube*)

Ganz im Gegensatz zu Jackie und Dunlap von redstateupdate.com: (YouTube*)

Vielleicht noch eine Anmerkung zum wohl berühmtesten aller Verfassungszusätze. Sinn des Second Amendment war es nicht, passionierten Jägern die neueste Militärtechnologie zur Verfügung zu stellen. Auch die Selbstverteidigung gegen kriminelle Mitbürger war nicht das, was die Schöpfer der Bill of Rights im Sinn hatten. Es ging vielmehr um die Selbstverteidigung des einzelnen Bürgers gegen seine eigene Regierung. Um zu verhindern, dass die Bundesregierung eine Tyrannei errichtet, sollten die Bürger bewaffnet und widerstandsfähig sein. Mal abgesehen von der Frage, ob die Errichtung einer Tyrannei durch die US-Regierung eine begründete (oder vielleicht bereits bestätigte?) Befürchtung ist: Den Geist dieses Verfassungszusatzes zu Ende denken würde bedeuten, dass die Bürger so aufgerüstet werden müssten, dass sie es mit der Militärmaschinerie der US-Streitkräfte aufnehmen könnten. Die darf zwar eigentlich nicht gegen die eigenen Bürger eingesetzt werden, aber daran würde sich eine tyrannische Regierung vermutlich nicht halten. Der Zweite Verfassungszusatz ist also ein Relikt aus einer Zeit, in der ein mit allen militärtechnologischen Mitteln geführter Bürgerkrieg noch eine Option war. Mit diesem Urteil jedenfalls wird die Präsidentschaftswahl noch einmal bedeutender. Irgendwann in den kommenden Jahren wird der Supreme Court entscheiden müssen, ob das Verbot einer weitgehenden Waffenkontrolle auch die Bundesstaaten bindet. Und dann wird es darauf ankommen, welche Richter dort sitzen und hier könnte ein Präsident Obama mit einer demokratischen Mehrheit im Kongress das politische System der USA auf Jahrzehnte beeinflussen.

Eigentlich war jetzt noch ein Beitrag über die Richterinnen und Richter am Supreme Court geplant, aber das machen wir ein andermal. Für heute soll es mit einem satirischen Stück aus der Daily Show zu einer weiteren wichtigen Entscheidung des Gerichts gewesen sein: Vor Wochen hatte der Supreme Court geurteilt, dass die Gefangenen auf Guantanamo Bay die Möglichkeit hätten, Rechtsmittel vor einem ordentlichen Gericht einzulegen.

UPDATE: Die Daily-Show-Episode ist bei YouTube nicht mehr online. Vermutlich ist das eine Reaktion auf den Spruch eines New Yorker Gerichtes, dass den YouTube-Besitzer Google zur Herausgabe seiner Benutzerdaten an den Medienkonzern Viacom (zu dem auch Comedy Central und damit die Daily Show gehört) verpflichtete. Mit diesen Daten will Viacom stärker gegen YouTube-Nutzer vorgehen, die Viacom-Inhalte online stellen.

CC Bildquelle: www.elcivics.com

* Das Einbetten von YouTube-Videos scheint momentan nicht zu funktionieren. Daher bis auf weiteres die Videos als Link