Von Schwarzem Filz, Beleidigungen und schlechten Nerven – Bericht von einer turbulenten Sitzung

Erstmals in der Geschichte der Bürgerschaft der Hansestadt Greifswald verwies der Präsident ein gewähltes Mitglied des Saales.

Montag, 5. Mai 2008: Von Beginn an gab sich Peter Multhauf von der Links-Partei kämpferisch. Sein Antrieb war die vor Ort bisher kaum geführte Diskussion über die Spendenaffäre des Greifswalder Bundestagsabgeordneten Ulrich Adam (CDU) (wir berichteten). Wie „Der Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ aufdeckten, soll Adam von dem dubiosen Geschäftsmann Wilhelm Schelsky bis zu 110.000 Euro in Form von nicht angemeldeten Sachspenden erhalten haben. Als Quelle wurde der Ermittlungsbericht der Nürnberger Sonderkommission „Amigo“ genannt, die gegen den derzeit inhaftierten Schelsky ermittelt.

Schelskys galt als einflussreich. Neben Adam erhielten auch andere Greifswalder Politiker Spenden, unter anderem Bürgerschaftspräsident Egbert Liskow. Allerdings habe Liskow im Gegensatz zu Adam alle Spenden ordnungsgemäß verbucht, sagte der CDU-Kreisgeschäftsführer Dirk Bauer gegenüber der Ostseezeitung. Die Höhe der Spenden wollte er jedoch nicht nennen.

Greifswalder Filz

Auf dem Foto: 3 Kugelschreiber von Ulrich Adam Wahlkämpfen, der von Schelsky Spenden erhielt. AUB (ganz unten) war die Gewerkschaft, die Schelsy führte. Multhaufs Frage: Wer finanzierte die Wahlkämpfe von Bürgerschaftspräsident und Landtagsmitglied Liskow und Bürgermeister Arthur König (oben)? Sparkasse & Ostsee-Zeitung (mittig) gelten als CDU-Nahe bzw. CDU-Unterstützend.

„Herr Präsident, sollte es Ihnen nicht gelingen, zur Aufklärung der Spendenaffäre um Herrn Adam beizutragen, sollten Sie Ihre Geschäfte als Präsident vorläufig ruhen lassen“, provozierte Multhauf gleich zu Beginn. Ein Raunen und vereinzeltes Lachen gingen durch den Saal. Liskow wollte sich jedoch nicht erklären. Die Spendenaffäre sei eine parteiinterne Sache. Als Multhauf widersprechen will, entzieht Liskow ihm das Wort.

Doch dieser ließ sich nicht beeindrucken. Im Laufe der Debatte spielt er immer wieder auf den Skandal an. Als er in einem Zwischenruf darauf aufmerksam machte, dass auch die FDP Gelder von Schelsky erhalten hatte, bekommt er den ersten Ordnungsruf.

Schelsky verteilte seine Spendengelder sehr breit. Die FDP musste am 25. April einräumen, ebenfalls 12.000 Euro erhalten zu haben. Und CDU-Landesgeschäftsführer Klaus-Dieter Götz erklärte gegenüber dem NDR, dass Schelsky mehrere Kreisverbände unterstützt habe. Der CDU-Kreisverband Greifswald habe 2005 rund 15.000 Euro erhalten. 2006, im Jahr der Landtagswahl, seien 4.000 Euro an den Kreisverband Uecker-Randow, 8.000 Euro an den Kreisverband Demmin, sowie nochmals 12.000 Euro den Greifswaldern überwiesen worden.

Multhauf sieht noch andere Verbindungen. Gegenüber dem Stadtgespräch weist der Abgeordnete darauf hin, dass die Landesgeschäftsstelle der von Schlesky geführten „Arbeitsgemeinschaft Unabhängige

r Betriebsangehöriger“ (AUB) bis vor kurzem im selben Haus saß wie der CDU-Kreisverband – im Haus Markt 4. Mitbesitzer der Immobilie sind u.a. die Ehefrau von CDU-Kreischef Egbert Liskow und der Vorsitzende des Finanzausschusses der Bürgerschaft Thomas Mundt (CDU).

Diese Verstrickungen wollte Multhauf aufs Korn nehmen, als er gegen Ende der Sitzung versuchte, dem Oberbürgermeister eine „Ehrenurkunde“ zu überreichen. Anspielend auf den Preis der Super-Illu und der ostdeutschen Sparkassen für die „Kommune des Jahres 2007“ steht auf der Auszeichnung „Kommune des Jahre 2008, Kategorie: Schwarzer Filz“. Darunter das Foto einer Sammlung von Kugelschreibern mit dem Titel „Greifswalder Kulis auf schwarzem Filz“ (darunter Wahlkampfkulis von Adam, Liskow, König).

Eine Provokation, die der überraschte und angesäuerte Oberbürgermeister abwiegelte. Als Multhauf die Urkunde dann Liskow anbietet und ihm vorschlägt, sie im Markt 4 aufzuhängen, eskaliert die Situation: Liskow: „Herr Multhauf, Herr Multhauf, ich würde Sie jetzt einfach des Saales hier verweisen, der zweite Ordnungsruf, und bitte, verlassen Sie die Sitzung!“ Multhauf: „Ich wäre dankbar, wenn Sie eine Begründung liefern könnten“. Liskow: „Ja, Beleidigung lowest price propecia best des Oberbürgermeisters und des Präsidenten. Bitte!“ Multhauf verließ darauf den Saal.

„Er hat von Anfang an provoziert“, erklärt Liskow gegenüber Ryck-Blick seine Entscheidung: „Die Urkunde war eine persönliche Beleidigung und unterstellt zudem eine Straftat. Da hab ich von meinem Hausrecht Gebrauch gemacht.“
Ob die Verweisung zulässig war, ist jedoch zweifelhaft. In der „Schweriner Kommentierung der Kommunalverfasssung M-V“ heißt es, dass der Verweis aus dem Sitzungsraum nur wegen grober Ungebühr und nur möglich ist, „wenn das Verhalten den Gang der Verhandlungen in besonders hohem Maße stört“.
Zudem haben Gemeindevertreter laut der Kommentierung „im Zusammenhang mit dem Kontrollrecht gegenüber dem Bürgermeister auch das Recht zu deutlicher, überspitzter Kritik an dessen Amtsführung und dazu, Missstände mit harten Worten anzugreifen“ (S. 147).

Wer sich selbst bezaubern lassen will, kann die nächste planmäßige Sitzung der Greifswalder Bürgerschaft am 30. Juni im Rathaus besuchen.

(Dieser Artikel wurde auch im Magazin „Stadtgespräch“ veröffentlicht.)

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