Wittcall-Vertreter über Toilettengänge und Transparenz

Neben der Universität ist das Call-Center Wittcall der größte Arbeitgeber für Greifswalder Studenten. moritz sprach mit Andreas Weiß, dem stellvertretenden Studioleiter.

moritz: Warum hat Wittcall gerade in Greifswald eine Niederlassung?
Andreas Weiß: Für den Standort sprachen mehrere Gründe. Einmal die gute Grundqualifikation der Caller, die in der Mehrzahl Studenten sind. Es war auch Rostock im Gespräch. Jedoch hat Wittcall sich wegen der hohen Zahl anderer Call-Center in Rostock für Greifswald entschieden.

moritz: Was für Tätigkeiten muss ein Mitarbeiter ausführen?
Weiß: Wittcall macht nur Markt- und Meinungsforschung, vertreibt also keine Produkte. Das macht schon mal einen großen Unterschied zu anderen Call-Centern aus. So führen unsere Caller natürlich auch nur Outbound-Calls, wobei die angerufenen Nummern von einem Rechner zufällig generiert werden. Ansonsten gibt es von unseren Auftraggebern sehr detaillierte und strikt vorgegebene Fragebögen, die unsere Mitarbeiter abfragen müssen. Eine Einarbeitung in den Fragebogen ist deshalb wichtig, aber wenn das geschafft ist, kann es auch schon losgehen.

moritz: Welche Fähigkeiten braucht ein solcher Caller?
Weiß: Natürlich Kommunikationsfähigkeit und ein wenig Eloquenz. Ein spontanes, freundliches und angenehmes Erscheinungsbild am Telefon, welches ja nur akustisch vermittelt wird. Man sollte aufgeschlossen sein und mit Menschen umgehen können.

moritz: Wittcall wird teilweise positiv beurteilt, weil die Terminvergabe ziemlich flexibel verläuft und auf die Bezahlung Verlass ist. Trotzdem gibt es immer wieder Kritik, dass die versprochene „gute“ Bezahlung von 5 Euro pro Stunde nicht der Realität entspricht. Denn es wird nur die Zeit abgerechnet, in welcher man im Call-System eingeloggt ist. Wer auf die Toilette geht, wird also nicht mehr bezahlt.
Weiß: Das ist richtig, aber das finden Sie bei anderen Call-Centern genauso. Wir können unsere Caller nur nach effektiver Arbeitszeit bezahlen, also immer dann, wenn sie wirklich im System eingeloggt sind und Calls ausführen können. Außerdem verkauft Wittcall keine Produkte, befindet sich also in einem Marktsegment als viele andere Call-Center. Wittcall hat sich zudem gegen das interviewbasierte Lohnmodell entschieden und zahlt einen Basislohn, der unabhängig von den geführten Interviews gezahlt wird. Zusätzlich gibt es Leistungszuschläge, so dass ein Caller auf 5,70 bis 6 Euro pro Stunde effektiver Arbeitszeit kommt. Verglichen mit der Anfangszeit ist dieser Betrag sogar noch gewachsen und wir beschäftigen heute mehr Caller als jemals zuvor. Und das ist auch für die Studenten gut.

moritz: Die Abrechnungen werden aber auch als intransparent bezeichnet, da dort stets nur ein Endbetrag steht.
Weiß: Das ist technisch nicht anders möglich, Auftragsdatenverarbeitung und Buchhaltungssoftware sind getrennte Systeme. Eine genaue Aufschlüsselung wäre möglich, aber nur manuell durchführbar. Auf diese Personalkosten möchten wir zugunsten unserer Caller verzichten. Über den durchschnittlichen Verdienst und die Zahl geführter Interviews können sich unsere Caller jederzeit bei ihrem Supervisor oder bei mir informieren. Auch bei anderen Fragen zur Abrechnung bin ich immer gerne da.

moritz: Stimmt es nicht, das die Caller bei Systemausfall warten müssen bis es läuft und derweil kein Geld verdienen?
Weiß: Das ist so nicht richtig. Wittcall bezahlt ein Ausfallgeld, welches sich aus dem durchschnittlichen Stundenverdienst des Callers berechnet. Im Übrigen sind diese Ausfälle sehr selten. Und tatsächlich geht jeder normale Caller nach 4 Stunden effektiver Arbeit auch mit rund 23 Euro nach Hause, das ist sicher.

Geschrieben von Arik Platzek