Diskussion: Bürgerrechte kontra Sicherheit

Auf der Landstraße durchfährt man eines Tages eine Radarkontrolle. „Verdammt! War ich wieder zu schnell?“ Nein. Dies war nur eine allgemeine Erfassung von Fahrzeugdaten mit dem Ziel, gesuchte Straftäter ausfindig zu machen.

Eigentlich doch eine gute Sache. Ich habe doch nichts zu verbergen. Aber andererseits, wenn ich erst einmal irgendwo erfasst bin, was geschieht dann mit den Daten? Und was ist, wenn es noch weiter geht: Kontrolle des Onlineverkehrs oder gar eine gezielte Durchsuchung? Wenn erst einmal eine Sache gesetzlich zugelassen ist, folgt bald die nächste! Und am Ende geht es noch so weit, dass man zivile Luftfahrzeuge abschießen darf. Aber das muss man heutzutage wohl letztendlich hinnehmen, wenn man unsere „freiheitliche Grundordnung“ aufrechterhalten will.

Wie eine Wanze die Freiheit einschränkt

Dies ist nur ein Beispiel für die Ambivalenz der Begriffe „Freiheit“ und „Sicherheit“, über die am 19. April 2008 auf einem öffentlichen Studientag in der Aula diskutiert wurde. Eingeladen hatte die Evangelische Studentengemeinde (ESG), die ihr Absolvententreffen zum Anlass nahm, um über das Thema „Grenzen von Freiheit und Sicherheit in der offenen Gesellschaft“ nachzudenken. Das Motiv des Überwachungsstaates war einigen Teilnehmern noch sehr wohl präsent; hatten sie doch in den 1960er Jahren in den damaligen Räumen der ESG im Turm der St. Jacobi-Kirche eine Wanze des Ministeriums für Staatssicherheit ausfindig gemacht.

Während man damals noch über die Aussage schmunzeln konnte, „die DDR-Mikroelektronik ist einfach nicht klein zu kriegen“, machte Professor Hansjörg Geiger, ehemaliger Staatssekretär des Bundesjustizministeriums, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des BND, in seinem anekdotenreichen Vortrag deutlich, dass die heutige Überwachungstechnik so gut wie spurlos installiert werden kann. Er brachte eine grundsätzliche Skepsis gegenüber der voreiligen Legitimation derartiger Eingriffe in die Privatsphäre des Menschen zum Ausdruck. Wenn ein Gesetz erst einmal vorhanden ist, so sei seine Ausweitung nur noch eine Frage der Zeit.

Der Rostocker Theologe Professor Philipp Stoellger hatte zuvor mit versierter Eloquenz grundlegende Fragen zum Freiheits- und Sicherheitsempfinden erörtert. Sicherheit könne nie Selbstzweck sein, betonte er, sondern immer nur ein Mittel zur Gewährleistung von Freiheit. Hierzulande fuße das Bewusstsein für eine persönliche Handlungs- und Meinungsfreiheit auf der Basis des demokratischen Rechtsstaates. Die Befugnisse dieses Staates machten die Ausprägung einer bestimmten Freiheitswahrnehmung erst möglich.

Konkret brachte dies der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), zum Ausdruck – wenn auch in ermüdender Rhetorik. Der Handlungsspielraum von Bund und Ländern müsse den Gegebenheiten der Globalisierung angepasst werden. Die strikte Trennung von innerer und äußerer Sicherheit sei in Zeiten des internationalen Terrorismus nicht mehr gegeben.

Angst schränkt Bürgerrechte ein

In einer abschließenden Podiumsdiskussion, die vom Studentenpfarrer Dr. Konrad Glöckner geleitet wurde, gab der ehemalige Vizepräsident des Landesverfassungsgerichts M-V, Helmut Wolf, zu bedenken, dass der Fokus auf den Terrorismus bei der Ausweitung von Gesetzen ein „relativ kurzfristiger Prozess“ ist.
Der sogenannte „große Lauschangriff“ war in den 1990er Jahren primär zur Bekämpfung des „organisierten Verbrechens“ angedacht worden. Dies jedoch schwand nach dem 11. September 2001 aus dem öffentlichen Bewusstsein.
Resümierend verdeutlichte Professor Stoellger, dass die eigentliche „Macht des Terrors“ auf der medialen Ebene liege und er seine destruktiven Ziele durchaus verfolgt sehen kann, wenn sich Europa von einer „freiheitlichen Wertegemeinschaft“ zu einer „abgeschotteten Festung“ entwickelt. Die Besetzung unserer Gedanken und Handlungsweisen durch derartige Bilder konnte kaum besser als an jenem Sonnabend zum Ausdruck gebracht werden: Das milde Sonnenlicht schien in den barocken Festsaal, in dem einen Tag lang über die in unserer Gesellschaft erworbene Freiheit nachgedacht wurde – von den lautstarken „BFC Dynamo“-Fans und den gepanzerten Polizeikräften bekam man hier nichts mit. Lediglich ein Überwachungshubschrauber stand über allem. Ob sein Richtmikrofon wohl aufzeichnete, was hier geschah?

Geschrieben von Arvid Hansmann