Über den Konflikt zwischen dem Rektor Prof. Rainer Westermann und dem Senatsvorsitzenden und BWL-Prof. Jürgen Matschke haben wir bereits mehrfach berichtet. Jetzt spitzt sich dieser Konflikt weiter zu, da nun auch die Professoren des Fakultätsrates der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in einem offenen Brief ihren Protest über die Entscheidung des Rektors ausdrücken.
Zuvor hatten sich bereits über 600 Studenten an einer Unterschriftensammlung beteiligt. Die Unterschriftenliste kritisiert – wie der offene Brief – dass die beantragte freiwilligen Verlängerung der Dienstzeit des bald 65-Jährigen BWL-Professors Manfred Jürgen Matschke vom Rektor scheinbar aus persönlichen Gründen nicht unterstützt wird (wir berichteten).
Die Professoren kritisieren im offenen Brief besonders, dass das einstimmige Votum des Fakultätsrates, welcher eigentlich zuständig ist, für die Verlängerung der Dienstzeit von Professor Matschke ignoiert wurde. Und das die Ablehnung durch den Rektor, nicht auf den Einzelfall Matschke oder die Argumente des Fakutltäsrates eingeht.
Der Orginaltext der offenen Erklärung der Professoren:
Einleitung
Der bis zum 31. März 2008 gewählte Rat der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald hat einstimmig einen Antrag von Herrn Prof. Matschke auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand um ein Jahr befürwortet und damit gleichzeitig das dienstliche Interesse an der vorläufigen Weiterbeschäftigung Matschkes bekundet.
Dieser Antrag wurde vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern mit Verweis auf die ablehnende Stellungnahme des Rektors abgewiesen, ohne erkennbar auf die von der Fakultät vorgetragenen Argumente einzugehen. Auf Grund dieser dienstrechtlich zwar möglichen, die Organisationshoheit der Fakultät mit Blick auf Forschung, Lehre, Studium und Weiterbildung aber nach unserer Meinung nicht hinreichend berücksichtigenden Vorgehensweise hat der ehemalige Fakultätsrat in seiner letzten Sitzung am 26. März 2008 den damaligen Dekan, Herrn Prof. Rollberg, und Herrn Prof. Rohde damit beauftragt, ein Schreiben aufzusetzen, in dem offen gegen diese Entscheidung Stellung genommen wird. Resultat ist die untenstehende vom ehemaligen Fakultätsrat mehrheitlich getragene „Offene Erklärung“, die von etlichen weiteren Professoren der Fakultät unterstützt wird (vgl. Namensliste). Die „Offene Erklärung“ ging bereits am 28. April 2008 an den Rektor und am 29. April 2008 ans Ministerium.
Offene Erklärung
Die Entscheidung des Rektors der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald und die ausdrückliche Zustimmung zu dieser Entscheidung durch das Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern hinsichtlich der Nichtverlängerung des Dienstverhältnisses eines Universitätsprofessors der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät halten der zum Zeitpunkt dieser Entscheidung im Amt befindliche Fakultätsrat und die Unterzeichner der folgenden offenen Erklärung (Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät) nicht nur für sachlich falsch, sondern auch für rechtlich bedenklich und damit für vollkommen unverständlich.
Nach § 90 I Satz 1 des Landeshochschulgesetzes Mecklenburg-Vorpommern (LHG MV) erfüllen die Fachbereiche oder Fakultäten „die Aufgaben der Hochschule auf ihrem Gebiet“. Diese sind nach § 3 I Satz 1 LVG MV „Forschung, Lehre und Studium sowie Weiterbildung“. Der Fachbereichs- oder Fakultätsrat ist laut § 91 I Satz 1 LHG MV zudem zuständig für alle die Fakultät betreffenden grundsätzlichen Entscheidungen. Insofern obliegt es ausdrücklich dem Fakultätsrat, über solche Maßnahmen sachgerecht und eigenständig zu entscheiden, welche von grundlegender Bedeutung für ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Fakultät sind. Insbesondere hat der Fakultätsrat dabei die Aufgabe und die Pflicht, aber auch das Recht, festzustellen, ob für diesbezüglich notwendige Entscheidungen z.B. ein sogenanntes dienstliches Interesse besteht oder nicht.
Wenn der Fakultätsrat also eine vom Beamtenrecht ausdrücklich mögliche und zulässige Weiterbeschäftigung eines Hochschullehrers über seine offizielle Dienstzeit hinaus im dienstlichen Interesse einstimmig als notwendig ansieht und seine Entscheidung ausführlich begründet, dann ist es sehr seltsam, wenn der Rektor und im Anschluß daran auch das Ministerium diesbezüglich, und zwar ohne eine nähere Begründung, ausdrücklich kein dienstliches Interesse an einer solchen Dienstzeitverlängerung feststellen. Eine derart zur Auffassung des Fakultätsrates konträre Position wäre allenfalls dann zu rechtfertigen, wenn der Fakultätsrat mit seiner Entscheidung erkennbar fehlerhaft gehandelt hätte oder aber sich in einen erkennbaren Gegensatz zu den Interessen der Gesamtuniversität gestellt hätte, so daß der Rektor daraufhin im Wege der Rechtsaufsicht bzw. in seiner Dienstherrenfunktion sogar verpflichtet wäre, korrigierend einzugreifen. Von einer solchen erkennbar fehlerhaften Entscheidung des Fakultätsrates oder einer Gefahr für die Interessen der Gesamtuniversität ist aber weder in der Stellungnahme des Rektors noch in der sich dem Rektor anschließenden Stellungnahme des Ministeriums die Rede. Vielmehr wird betont, daß es die prioritäre Linie der Hochschulleitung sei, und dies wird auch vom Ministerium so unterstützt, dem wissenschaftlichen Nachwuchs Chancen einzuräumen. Gleichzeitig wird jedoch der Fakultät die Möglichkeit eröffnet, den Lehrstuhl während der beantragten Verlängerungszeit durch den betroffenen jetzigen Lehrstuhlinhaber vertreten zu lassen, was freilich eklatant der eigentlich prioritären Linie der Hochschulleitung widerspricht.
Deshalb drücken die unterzeichnenden Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald hiermit offen ihr Unverständnis, aber insbesondere im Hinblick auf zukünftige Entscheidungen auch ihre Sorge darüber aus, daß sich der Rektor und im Anschluß daran auch das Ministerium über eine dem Fakultätsrat und der Gesamtfakultät sehr wichtige und zentrale Angelegenheit mit „wenig logischen“, ja sogar widersprüchlichen Argumenten einfach hinweggesetzt haben, ohne auch nur ansatzweise auf die Argumente und Begründungen des Fakultätsrates einzugehen, diese zu widerlegen oder zumindest als offenkundig fehlerhaft oder auch gegen die Interessen der Gesamtuniversität gerichtet darzustellen. In dieser Vorgehensweise sehen die Unterzeichner die Gefahr, daß der Fakultät grundsätzliche Rechte und Gestaltungsmöglichkeiten abgesprochen werden, indem die vom LHG ausdrücklich zugestandene Organisationshoheit des Fakultätsrates in grundsätzlichen Angelegenheiten nicht anerkannt wird.
Greifswald im April 2008
Unterzeichner:
- Prof. Dr. Steffen Fleßa
- Prof. Dr. Ulrich Hampicke
- Prof. Dr. Bert Kaminski
- Prof. Dr. Hans-Georg Knothe
- Prof. Dr. Jürgen Kohler
- Prof. Dr. Joachim Lege
- Prof. Dr. Hans Pechtl
- Prof. Dr. Walter Ried
- Prof. Dr. Armin Rohde
- Prof. Dr. Roland Rollberg
- PD Dr. Susanne Soretz
- Prof. Dr. Martin Steinrücke
ein erster Schritt…