Prof. Hans-Robert MetelmannUnser Potential: Wissenschaft, Bildung und Kultur sind der alte und eigentliche Reichtum unseres Volkes, auf den wir bis heute unser nationales Selbstbewusstsein gründen und mit dem wir zuversichtlich in die Zukunft der weltweiten Wettbewerbsgesellschaft blicken.

Unser Problem: Im Augenblick sind wir wohl nicht im Stande, diesen Reichtum wertstabil zu halten, und in den öffentlichen Kassen liegt nicht das Geld, das wir alle so gern in die dringend erforderliche Weiterentwicklung von Lehre und Forschung investieren würden.

Dieser Zwiespalt zwingt zum Handeln. Die finanzielle Lage der Hochschulen in Deutschland lässt nach ungewohnten Problemlösungen suchen. In den alten und traditionsbewussten Hochschulen von Mecklenburg-Vorpommern bietet es sich an, den akademischen Familiensinn zu kultivieren. Freunde und Förderer ansprechen, die Solidarität zwischen den ehemaligen und den heutigen Studierenden stärken, auf das Engagement der Universitätsangehörigen vertrauen – das sind meine Stichworte.

Die Scientific Community lebt ohnehin vom Miteinander und vom Teilen und von der produktiven Partnerschaft. Forscher teilen sich Forschungsaufgaben, Kompetenzen, Projektmittel und den Erfolg ihrer Erkenntnisse. Lehrende und Studierende teilen den Zugewinn wechselseitigen Lernens im Dialog und das Erlebnis der Gemeinschaft in der Erkenntnis. Mäzene, Stiftungen, Förderer teilen ihre Erfahrungen und ihr Vermögen und machen Hochschulen zu Teilnehmern ihres Engagements für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

In Greifswald können wir dabei auf einige Erfolge verweisen: Leuchte Pommerns seit 1456, hat sie 2000 von ihrem großen Mäzen, der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung unter dem Vorsitz von Professor Berthold Beitz, ein ganzes großes Kolleggebäude geschenkt bekommen, das hochnoble „Alfried Krupp Wissenschaftskolleg“. Freunde und Förderer wie Michael Otto, Hannelore Kohl, Helmhold Schneider haben den deutsch-schwedischen Greifswald-Lund-Award für Krebsforschung ins Leben gerufen, Auslandsstipendien an polnische Studierende übergeben, mit vietnamesischen Alumni aus DDR-Zeiten eine Außenstelle an der Universität Hanoi eröffnet, Lehrstühle gestiftet, Kliniken gebaut, einen Biotech Business Club eröffnet. Und mit den Nachfahren des Pommerschen Herzoghauses, den Mäzenen der Gründerzeit, entstand der Croy-Stifterkreis.

Kurz gesagt: für die festlichen Höhepunkte und großen Projekte einer Hochschule ist ihre akademische Familie zu glänzenden Taten bereit.

Aber wer hilft den Hochschulen in den Niederungen des Alltags? Wer in der akademischen Familie ist in der Lage und willens, nicht nur einmal, sondern regelmäßig die Mehraufwendungen mitzutragen, die unsere Hochschulen über die staatlich finanzierte Basisausstattung in Lehre und Forschung hinausheben? Die Alumni, die erfolgreichen Kinder der Alma Mater sind gefragt.

In der Tat haben Absolventen ein sehr persönliches Interesse daran, ihre frühere Ausbildungsstätte zu stärken, weil sie damit ihre akademische Herkunft aufwerten. Hochschulen wiederum haben ein Interesse daran, aus ihren Studierenden Absolventen zu machen. Sie sind am beruflichen Erfolg der zukünftigen Absolventen besonders dann interessiert, wenn aus ihnen engagierte Alumni werden, ehemalige Studenten also, die großzügig ihre Alma Mater fördern. Alle Studierenden wollen, dass ihre Hochschulen mit zusätzlichen Mitteln zusätzliche Ausbildungsqualitäten aufbauen. Bei den späteren Arbeitgebern der heutigen Studierenden wird man jeden Beitrag begrüßen, der die Ausbildung der zukünftigen Mitarbeiter weiter verbessert. Am meisten freut sich vielleicht der Steuerzahler über erfolgreiche Absolventen, die nicht nur die positiven Einkommenseffekte ihrer Hochschulabschlüsse genießen, sondern auch – zumindest teilweise – zurückreichen, was ihnen auf Staatskosten zuvor an geldwerten Ausbildungsvorteilen geschenkt worden ist.

Viele Wege sind möglich, um an das gewünschte Ziel zu kommen.

Ein Konzept des freiwilligen Engagements könnte lauten: Gründung einer Vereinigung an der Hochschule und mit der Hochschule zum ausschließlichen Zwecke ihrer wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Die gewählte Rechtsform soll die große Flexibilität einer Private-Public-Partnership eröffnen, konzipiert und verankert in der Grundordnung der Hochschule.

Konkret soll das etwa so funktionieren: Studierende werden bei ihrer Immatrikulation als Mitglieder der Vereinigung gewonnen. Sie haben sofort teil an der Corporate Identity ihrer Hochschule, die ihnen Privilegien von Anfang an und ein Zusammengehörigkeitsgefühl auch nach dem Studium schenkt.

Während ihres Studiums sind die Mitglieder beitragsfrei, sie wechseln erst als Absolventen mit eigenem Einkommen in den Status von Beitragszahlern. Die Beiträge, die sie dann entrichten, sind an ihr Einkommen im akademischen Beruf gekoppelt, nach einer Tabelle gestaffelt und entsprechend individualisiert. Sie werden nach Selbsteinschätzung gezahlt. Wer kein späteres Einkommen aus erworbenem Wissen erzielen kann, zeigt dies an und zahlt dann auch keinen Beitrag an die Vereinigung. Wer gutes Einkommen bezieht aus einem Wissen und der Kompetenz, die er auch auf die Lehrleistungen seiner Hochschule zurückführen darf, dankt ihr dafür mit seinen Beiträgen – und zahlt dabei möglicherweise weniger, als er für die Mitgliedschaft in seinem Sportverein ausgibt.

Und wenn einer sich drückt? Wer auf Grund falscher Selbstveranlagung zu niedrige Beiträge zahlt und sich damit einen unbilligen Vorteil gegenüber seinen alten Kommilitonen und Mitabsolventen verschafft, der muss selbst sehen, wie er mit diesem persönlichen Verlust an Gemeinschaftserleben fertig wird. Ein Schaden für die Hochschule entsteht jedenfalls nicht.

Dieses zugegeben etwas blauäugige Konzept der Hochschulfinanzhilfe durch ihre Absolventen im Sinne einer Ehrenpflicht stößt auf zwei Kritikpunkte. Die Selbstverpflichtung ist erstens moralisch zu anspruchsvoll und damit finanziell zu unergiebig. Selbst wenn die Mittel fließen, kommen sie nicht planbar, sehr spät, vielleicht zu spät. Außerdem muss genau definiert werden, worin die Privilegien bestehen sollen, die die Studenten nach ihrem Beitritt zur Vereinigung genießen.

Ein anderes Konzept, allerdings mit dem Charakter eines Pflichtprogramms, könnte deshalb so aussehen:

Alle zukünftigen Absolventen geben schon vom ersten Studientag an eine finanzielle Zuwendung an ihre Hochschule, die von der Hochschule selbst und differenziert nach Studienfächern festgesetzt wird. Diese jährliche Zuwendung können sich alle Studierenden vorfinanzieren lassen – unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern – über einen zinsbegünstigten Kredit, für den das Land als Träger der Hochschulen oder der Verein der Freunde und Förderer bürgt. Dieser Kredit wird abgetragen, sobald die Absolventen eigene Einnahmen aus ihrer akademischen Berufsausbildung erzielen. Die Höhe der Raten könnte in Abhängigkeit von der Höhe der Einkommensteuer festgesetzt werden.

Denkbar wäre auch, dass die Studenten nach ihrer Immatrikulation ihren Solidarbeitrag nicht in Form von Geld, sondern in Form von Dienstleistungen erbringen. Geeignete Einsatzbereiche gibt es zu Hauf: Durchführung von Tutorien, Organisation von Exkursionen, Pflege von Sammlungen und Anlagen, Betreuung von behinderten Kommilitonen, Hilfe bei der Integration ausländischer Studierender, Assistenzleistungen im Hochschulsport, Servicedienste in der Bibliothek, der Mensa oder im Rechenzentrum. All dies sind Leistungen, die in besonderer Weise die Verbundenheit zur eigenen Hochschule fördern und die es der Hochschule ermöglichen, an anderer Stelle Geld einzusparen.

Die Vorteile dieser Alternative liegen auf der Hand. Die Zuwendungen der Absolventen für ihre Hochschulen wären geregelt und besser planbar. Die notwendigen Mittel zur Qualitätsverbesserung, insbesondere in der Lehre, fließen sofort. Die Absolventen hätten nach ihrem Abschluss eine Kreditbelastung, die sie in Abhängigkeit von ihrem beruflichen Erfolg und den damit verbundenen Einkommen schneller oder langsamer abtragen können – oder im Falle beruflichen Misserfolgs auch gar nicht abtragen müssen.

Sind die Absolventenbeiträge getarnte Studiengebühren? Vom Grundgedanken her nicht. Studiengebühren werden von Studierenden als Vorleistung und unabhängig vom Studienerfolg gefordert. Sie sind Benutzergebühren. Absolventenbeiträge dagegen zahlen die Hochschulabsolventen erst, wenn sie ihr Studium tatsächlich erfolgreich abgeschlossen haben, im Berufsleben stehen und Einkommenssteuern entrichten. Die Absolventen lassen sich diese Zuwendungen an ihre Hochschulen während des Studiums lediglich mit Hilfe des Landes oder der Freunde und Förderer vorschießen. Absolventenbeiträge sind damit Erfolgsbeiträge. Mit anderen Worten: Durch Studiengebühren beteiligen sich Studierende an den laufenden Kosten des Hochschulbetriebes. Mit ihren Absolventenbeiträgen hingegen bezahlen sie für das ihnen zuteil gewordene Produkt der Hochschulen: für die Bildung.

Sind diese Absolventenbeiträge schlichtes Abkassieren? Offensichtlich nicht, denn da die Zuwendungen der Absolventen bereits zu ihren eigenen Studienzeiten wirksam werden können, kommt die bessere Finanzausstattung der eigenen Hochschule auch den eigenen Studienbedingungen zugute.

Fließt mit den Absolventenbeiträgen wirklich frisches Geld in das System? Ja. Hierzu gibt es bereits eine Reihe von Modellrechnungen. Ohne sich an dieser Stelle auf einzelne Varianten einzulassen, kann mit Gewissheit gesagt werden: Die Hochschulen des Landes könnten über Beiträge in mehrfacher Millionenhöhe zusätzlich verfügen, ohne dass irgendjemand aufgrund seiner finanziellen Situation am Studium gehindert wäre. Zudem würden auch diejenigen in die Pflicht genommen, die sich ohne Not das Bildungsangebot auf Kosten der Solidargemeinschaft finanzieren lassen.

Unsere Perspektive: Hochschulen treiben keine Zwangsgebühren ein, sondern sie genießen die Unterstützung ihrer Freunde und Förderer und die Zuwendungen ihrer Alumni.

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Hans-Robert Metelmann war von 2002 bis 2006 als Parteiloser Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Mecklenburg-Vorpommern.