Focus-Ranking macht Unistadt zum Flop – Focus Campus relativiert

Das Focus-Städteranking (48/2007) untersuchte die 55 großen Universitätsstädte, an denen mindestens 10 000 Studenten immatrikuliert sind. Gewinner dieses Rankings ist Berlin, Düsseldorf und Hamburg folgen auf dem zweiten und dem dritten Platz. Greifswald landet auf dem letzten Platz.

Der Vergleich der Städte bezieht sich nicht auf die Qualität der Lehre an den Universitäten, sondern auf die Faktoren in einer Stadt, die die Lebensqualität von Studenten optimieren. Diese Elemente sind laut Focus Wohnen, Jobben, Feiern und Flirten. Dazu werden zehn Kriterien wie Kneipendichte, Wohnheimplätze und Service der Studentenwerke betrachtet und zusätzlich fließen in die Endnote noch die Ergebnisse einer Focus-Online-Umfrage mit ein.

Provinzieller Alptraum?

Als Auslöser für das schlechte Ergebnis wird zunächst das geringe Kneipenangebot genannt. Die Hansestadt hat mit 110 Kneipen eine Kneipendichte (Kneipen je 100 Studenten) von 1,0. Fakt ist, dass Greifswald in dieser Kategorie aber nicht am schlechtesten abgeschnitten hat, mit einer Kneipendichte von 0,8 erreichen Göttingen und Jena ein schlechteres Resultat. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass um so höher die Einwohnerzahl einer Stadt ist, desto größer ist auch die Kneipenanzahl. Es ist also kein Wunder, dass es in größeren Städten mehr Lokale gibt, da hier die Nachfrage dementsprechend höher ist.

Das nächste Defizit soll das Kinoangebot sein, hier hat Greifswald mit einem Kino das geringste Angebot von allen Mitstreitern. Doch laufen auf sechs Leinwänden bis zu 20 Filme, sodass für jeden Geschmack der Kinogänger etwas dabei sein sollte. Der Tatbestand, dass nur ein Kino vorhanden ist, weist darauf hin, dass der Bedarf gedeckt ist, denn die Nachfrage bestimmt das Angebot. Das heißt, wenn ein Kino für Greifswald tatsächlich nicht ausreichend wäre, dann hätten davon schon einige Kino-Unternehmen durch Marktforschung diese Information erhalten und weitere Kinopaläste auf den Greifswalder Markt gebracht.

Eine weitere Schwäche der Stadt am Ryck ist die geringe Anzahl an Wohnheimplätzen, von denen es nur neun Plätze auf 100 Studenten gibt. In der Tat ist es in Greifswald sehr schwierig einen Wohnplatz zu finden, diese Erfahrung müssen wohl viele der jeweiligen Erstsemester, besonders zum Start der Wintersemester, machen. Einige der Erstis müssen dann zunächst pendeln oder bei Freunden und Bekannten schlafen. Der Greifswalder AStA rief am Anfang dieses Wintersemesters 07/08 zum „Couch-Surfen“ auf, bei dieser Aktion nahmen andere Studenten einige wohnungslose Erstis für ein paar Nächte auf, bis diese eine eigene Bleibe gefunden hatten.

Der Mangel an Unterkünften ist ein Schwachpunkt Greifswalds, der verbessert werden sollte. Es wäre ein Schritt nach vorn, wenn das Studentenwerk es schaffen könnte, die Wohnheimkapazität zu erweitern. Dennoch hat die Unistadt, trotz ihres schlechten Ergebnisses nach der Ranking-Tabelle, in diesem Kriterium ein größeres Angebot an Wohnheimplätzen als die Hochschulstandorte Saarbrücken oder Kassel.
Insgesamt hat Greifswald bei den Kriterien nicht so schlecht abgeschnitten, wie der Focus es darstellt. Deswegen ist es verwunderlich, dass Greifswald auf dem letzten Platz landet. Der direkte Auslöser dafür ist aus dem Ranking nicht ersichtlich, es fehlt die Transparenz der Gesamtbewertung, zum Beispiel der Punktegewichtung. Zudem wirkt es schlecht informiert, wenn das Sportangebot als Serviceangebot der Studentenwerke bewertet wird, aber in Greifswald die Uni selbst den Hochschulsport anbietet – egal mit welcher Zukunft. Es ist somit unberechtigt  Greifswald hier einen Punkt abzuziehen.

Focus vs. Focus Campus

Auf der einen Seite stempelt der Focus Greifswald als Studentenhölle ab, dann wird in der Focus-Campus zur selben Zeit (48/2007) Greifswald wieder in den Himmel gelobt und soll dadurch getröstet werden. Versucht hier die Special-Interest-Zeitschrift alle negativen Aussagen über die Hanse- und Universitätsstadt wieder gut zu machen? Auf einmal tauchen mehrere positive Aspekte Greifswalds in diesem Artikel der Focus-Campus auf, wie zum Beispiel die gute und persönliche Studentenbetreuung oder die Investitionen in Neubauten und Ausstattung der Uni. Sogar ein ausführlicheres Interview mit dem Oberbürgermeister Dr. Arthur König schließt an den Artikel an. Für aktive Focus Campus-Leser befindet sich auch eine vorgedruckte Postkarte zum Ausschneiden mit der Aufschrift „Gruß aus Greifswald. Ich bin hier in der Hölle!“ in der Zeitschrift.  Es bleibt die Frage, was diese Wiedergutmachung bringen soll, besonders, da das Magazin viel mehr Leser erreicht, als sie die Focus-Campus hat und so die negative Werbung stärker verbreitet wird als die positive.

Tatsächlich spielen so viele Faktoren für die Lebensqualität eine Rolle, dass diese nicht im geringsten von einem Ranking erfasst werden können und sich deshalb jeder selbst die Frage stellen sollte, ob er in der Hölle lebt oder auch nicht!

Geschrieben von Isabel Bock