„Lea“ von Pascal Mercier

Zwei Männer begegnen sich zufällig in der Provence und beschließen, da sie den gleichen Rückweg haben, diesen gemeinsam zu fahren. Martijn van Vliet beginnt dabei sehr bald die Geschichte seiner Tochter Lea zu erzählen. Diese hat nach dem Tod der Mutter die Leidenschaft zum Geigenspiel entdeckt, wird immer erfolgreicher und verliert sich schließlich über die Liebe zur Musik in der Liebe zu einem Mann. Das talentierte Wunderkind scheitert an ihren Gefühlen. Van Vliet versucht vergeblich, seine Tochter wieder zum Spielen zu bringen, doch genau daran zerbricht sie endgültig, landet in einer psychatrischen Klinik und nimmt sich schließlich das Leben.

Während der endlosen Tage des Erzählens ist es für Van Vliet unverständlich wie der Psychologe seiner Tochter ihm vorwerfen konnte, nie an Lea gedacht zu haben. Die Geschichte ist die bloße Rechtfertigung eines Vaters, der zwar viel bereut, aber nicht versteht, was er wirklich falsch gemacht hat. Der Weg ins Verderben von Vater und Tochter wird von dem Zuhörer, Adrian Herzog, jedoch mit Bewunderung und Mitleid aufgenommen, was beide Männer fremd und fern jedes Einfühlungsvermögens erscheinen lässt. Der Leser wartet vergeblich auf die Einsicht wenigstens einer der beiden Väter, dass Van Vliet vielleicht mit seiner Tochter hätte sprechen sollen, anstatt ihr eine teure Geige zu schenken oder beleidigt zu sein. Die Verantwortung, die er nie zu übernehmen wusste, schiebt er auf Leas Talent ab.

All die Andeutungen und Hätte-ich-doch und Wäre-nur-nicht enervieren mehr, als dass sie Spannung aufbauen. Das triefende Selbstmitleid macht es von Anfang an schwer, kostbare Zeit an dieses Buch zu verschwenden. Die Selbstgerechtigkeit des gescheiterten Vaters ermüdet und dass sein Zuhörer und Begleiter sich dieser auch noch ohne Vorbehalte annimmt, lässt vermuten, dass Pascal Mercier das, was er schreibt, wirklich so meint. Mit viel gutem Willen könnte man dem Erfolgsautor unterstellen, eine Kommunikationsstörung darstellen zu wollen. Das Hätte-ich-gewusst hört auch am Ende des Buches nicht auf. Alles wurde schon so oft zu gewollt geheimnisvoll angedeutet, dass nichts mehr überraschend erscheint.Geschrieben von Alina Herbing