Herbert Grönemeyer bat zum Tanz und 80.000 kamen: Das Poor-8-Konzert im Rahmen der Aktion „Deine Stimme gegen Armut“ überzeugte mit abwechslungsreichen Klängen und Festival-Atmosphäre – auch wenn die politische Idee hinter Imbissbuden und Souvenirverkäufern manchmal nur vermutet werden konnte.

Gerade rechtzeitig zum Abklingen des warmen WM-Gefühls bekam Deutschland mit dem G8-Gipfel in Heiligendamm sein neues großes Sommerereignis. Allerdings hätte das Bild unterschiedlicher nicht sein können: Protestaktionen, Polizeigroßeinsätze, lautstarke Demonstrationen – auch wenn es in den meisten Fällen nicht gewalttätig wurde, war die erste Juni-Woche dieses Jahres von aufgeheizter Stimmung geprägt.

Diesem Trend stellte sich die Aktion „Deine Stimme gegen Armut“ unter der Regie von Herbert Grönemeyer mit dem P8-Konzert („Poor 8“) am siebten Juni entgegen. Natürlich sollte auch hier gegen rücksichtslose Globalisierung im Allgemeinen und G8 im Speziellen demonstriert werden, allerdings in einem musikalischen und kulinarischen Rahmen, der aggressiver Stimmung keine Chance ließ. Den Rest tat der wolkenlose Himmel und der idyllische IGA-Park nahe Rostock, der als Austragungsort gewählt wurde.

Die Liste der auftretenden Künstler war lang und Genre-übergreifend gestaltet. Mit dabei waren neben dem Gastgeber unter anderem Benefizfetischist Bono, Bob Geldof, Die Fantastischen Vier, Die Toten Hosen, Seeed und die Beatsteaks, aber auch international wenig bekannte Künstler aus den P8-Ländern selbst. Der Zeitplan war zwar recht eng gesteckt, so dass jede Band nur zwei bis drei Lieder spielen konnte – trotzdem kam zumindest musikalisch jeder auf seine Kosten, zumal der Eintritt ja ohnehin frei war.

Der politische Charakter der Veranstaltung wurde zwischen den musikalischen Einheiten immer wieder durch kurze Filme und Gastredner aus den ärmsten Ländern der Welt betont. Hier wurden vor allem die Schäden betont, die den jeweiligen Ländern durch verschiedene Aspekte der Globalisierung zugefügt werden – Ausbeutung von Ressourcen, Armut der einheimischen Bevölkerung, Chancenlosigkeit in der Entwicklung. Auch die auftretenden Künstler wandelten teilweise einige ihrer Lieder ab oder coverten Bob Marley, um dem politischen Anspruch gerecht zu werden.

Dennoch hatte man den Eindruck, dass es nicht in erster Linie eine Protestaktion war, an der man sich hier beteiligte. Allein das schiere Staraufgebot sorgte dafür, dass nicht in erster Linie politisch, sondern vor allem musikalisch Interessierte den Großteil der Besuchermasse von etwa 80.000 Menschen ausmachten. Diese Tatsache an sich mag zwar als Mobilisierung schlummernder Protestressourcen verstanden werden, allerdings vermittelten auch die allgegenwärtigen Imbiss- und Bierbuden samt Souvenirverkäufern eher das Bild eines ganz normalen Festivals. Zusätzlich kam ein anderer Verdacht auf: War das P8-Konzert nur ein Mittel, um potentielle Demonstranten von der Straße zu holen?

Trotz aller Kritikpunkte musste der Gesamteindruck dennoch positiv ausfallen, was aber nicht nur am Programm der Veranstaltung lag. Während sich nur ein paar Kilometer entfernt Straßenschlachten mit der Polizei geliefert wurden, war die optimistische Stimmung des Konzerts, das auch im Öffentlich-Rechtlichen übertragen wurde, ein Zeichen dafür, dass Ereignisse wie G8 nicht um jeden Preis verhindert werden müssen, sondern auch Chancen bieten etwas Positives zu erreichen. Inwiefern solch ein Konzert selbst einen Anteil dazu leisten kann, darüber darf spekuliert werden – in jedem Fall war es wohl die bequemste Art und Weise sagen zu können: „G8-Protest 2007: Ich war dabei.“

Geschrieben von Robin Drefs