Unter dem Motto „Erste Liebe“ konnten sich auch in diesem Jahr Koeppen- und Literaturliebhaber auf drei Veranstaltungen des Literaturzentrum Vorpommerns anlässlich des 101. Geburtstages von Wolfgang Koeppen, einen der bedeutendsten Schriftsteller der deutschen Prosa des 20. Jahrhunderts, freuen.

Im Rahmen dieser Festveranstaltungen bildete den Auftakt die Eröffnung der Ausstellung „Literarische Gegenwelten“. Die Texte von Autoren, welche ihr Schriftstellerdasein im streng normierten und zensierten Literaturbetrieb der DDR nicht entfalten konnten, werden hier exhibiert und sollen einen Weg zurück in das Bewusstsein von Lesern finden. Das Archiv unterdrückter Literatur in der DDR kann von allen Interessenten bis zum 21. Juli im Koeppenhaus besichtigt werden.

Am Freitag wurde die Aufmerksamkeit ganz dem jungen Koeppen und seinem Romandebüt „Eine unglückliche Liebe“ gewidmet.
Der Germanist und Koeppenforscher Dr. Jörg Döring stellte der Lesung an diesem Abend einige einleitende Worte zum Roman voran.
Am Beginn seiner Einführung präsentierte Döring das neue Projekt des Suhrkamp Verlags, das die Publikation von 14 Koeppen-Bänden umfasst. Der erste Band erschien bereits am 25. Juni 2007. In diesem Zusammenhang verwies der Germanist auf die Besonderheit und den Wert des Koeppen-Nachlasses, der im Koeppen-Archiv hier in Greifswald verwahrt wird. Durch die Auseinandersetzung mit dem Nachlass war es möglich geworden sich neue Einblicke in die Werke und in das Privatleben des Schriftstellers zu erschließen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden nun erstmalig in den neuen Werkausgaben von Suhrkamp verarbeitet. Döring bemerkte, dass diese Einsichten noch längst nicht alles ausschöpfen, was man aus dem „Greifswalder Schatz“ herausholen könnte.
Weiterführend ging der Koeppenforscher auf den von vielen autobiografischen Momenten geprägten Roman „Eine unglückliche Liebe“ explizit ein. Der Protagonist Friedrich hat sich hoffnungslos in die Schauspielerin und Kabarettistin Sibylle verliebt. Hoffnungslos nicht nur, weil er an nichts anderes als an seine Geliebte denken kann, sondern auch weil seine Liebe von Sibylle nicht erwidert wird. Der eher introvertierte Friedrich schafft es nicht aus seinem Schattendasein gegenüber der eigensinnigen und eher extrovertierten Schauspielerin herauszutreten.
Anregend waren mit Sicherheit die Parallelen, die Döring dem Publikum zwischen Handlungsgeschehen und dem wirklichen Leben des Autors aufzeigte. Als der junge Koeppen in Berlin 1927 Fuß fassen wollte, lernte er die Schauspielerin Sybille Schloß kennen und konnte sich ihrer Person nicht mehr entreißen. Jedoch blieb die Liebe von Anfang an einseitig. In einem Gespräch mit Sybille Schloß, die heute in New York lebt, erklärte sie Döring „eine Chance hatte Koeppen nie gehabt“. Aber und gerade weil Koeppen in der Beziehung zu ihr die Position eines unglücklichen Verliebten einnahm, können wir uns heute über seinen „Erstling“ freuen. Döring geht von der These aus, dass der Roman Koeppen gestatten sollte sich in die Person Sybille hineinzuversetzen, um ihr Verhalten zu verstehen, was ihm in der Realität nicht gelangen konnte.
Im Anschluss an diese aufschlussreichen Informationen wurde der Platz vor den Besuchern von dem Schauspieler und Rundfunksprecher Frank Arnold eingenommen. Nach anfänglicher Konzentration ging Arnold bald für das Publikum immer spürbarer in der Rolle der Romanfiguren auf. Anregend verfolgten die Hörer seine gelungene Vertragsweise und Interpretation von Personen und Handlung.
In der Gesamtbetrachtung war der Abend nicht nur für Koeppen-Neulinge lohnend und unterhaltend. Wer den Roman „Eine unglückliche Liebe“ bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gelesen hatte, wird dieses sicher nicht mehr lange vor sich herschieben.

Geschrieben von Cornelia Bengsch