Schauspiel: Eine liebevolle Nabelschau

Das Theater Vorpommern zeigt Tschechows „Die Möwe“

Das Schicksal der unerfüllten Liebe durchzieht die tragische Komödie Anton Tschechows wie ein roter Faden. Und am Ende bleiben alle einsam und ganz für sich allein. In dem 1896 uraufgeführten Stück langweilt sich die alternde, divahafte Schauspielerin Irinia (Sabine Kotzur) mit ihrer Gesellschaft in der russischen Provinz. Einzig ihr Sohn und angehender Schriftsteller Konstantin (Florian Anderer) belebt die Szenerie mit einem, von seiner Muse und Geliebeten Nina (Heide Kalisch) insperierten, Theaterstück.

Doch die junge Schauspielerin verliebt sich in den Freund der Irina, den erfolgreichen Schriftsteller Trigorin (Christian Holm) und bricht mit ihrer Herkunft. Die von Konstantin erschossene und ausgestopfte Möwe dient als tragendes Element der gescheiterten Existenzen. Nach  Jahren trifft sich die gleiche Gesellschaft wieder, unglücklich und einsam. Konstantin ist nun zwar erfolgreich, aber noch immer unglücklich verliebt. Und auch Nina, als nur mittelmäßige Schauspielerin und von Trigorin verraten und verlassen, ist tief verletzt. Gerade die beiden hoffnungsvollsten und ideelsten Figuren der verschrobenen Gesellschaft sind gescheitert. Das tiefgänige Werk Tschechows wird hervorragend von der Kulisse eines minimalistischen Birkenwaldes getragen, der den Zuschauer nicht von der Handlung ablenkt. Die Möwe nimmt unter den Werken Tschechows eine besondere Stellung ein und wirkt unter der Regie von Matthias Nagatis modern und überzeugend. Die engagierte Hingabe des Schauspielerensambles erklärt sich vor allem auch durch das Stück selbst, dass als eine Art Nabelschau der eigenen Zunft verstanden werden kann. Die Nebendarsteller verdeutlichen auf angenehme Weise, wie lustig und zugleich tragisch Tschechow sein kann. Und doch will der Tod Konstantins am Ende deutlich den Besucher  zum nachdenken bewegen, ohne dabei belehrend zu wirken. Wer sich das Theaterstück nicht entgehen lassen will: Vorstellungen finden in Stralsund am 22. April, 16 Uhr und am 23. April, 10 Uhr statt. Die Premiere in Putbus läuft am 25. Mai 2007.

Geschrieben von Saskia Arnold

Interview mit Prof. Matschke zum WVG-Verkauf

moritz sprach mit Prof. Manfred J. Matschke (Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Betriebliche Finanzwirtschaft, insbesondere Unternehmungsbewertung) über die mögliche Anteilsveräußerung an der WVG.

moritz: Sind Sie als Betriebswirt für den Verkauf von Anteilen an der WVG?
Professor Manfred J. Matschke: Jeder Eigentümer sollte regelmäßig prüfen, ob die Struktur seines Portefeuilles noch seinen Bedürfnissen entspricht. Dies gilt auch für kommunale Eigentümer. Kommt er zum Schluß, daß für ihn ein Verkauf und die neue Verwendung der dadurch freigesetzten Kapitalbeträge wahrscheinlich größere Vorteile verspricht, dann sollte er eine solche Transaktion zumindest planen. Durchführen kann er sie allein sowieso nicht.
Als Ökonom kann man nicht abstrakt und absolut für oder gegen einen Verkauf sein. Ob man im konkreten Fall dafür oder dagegen ist, ergibt sich aus der Abwägung der Vor- und Nachteile ohne und mit Verkauf. Diese Abwägung hat die Kommune als Eigentümer zu treffen, nicht ich.

moritz: Besitzt ein möglicher Verkauf von maximal 49,9% der Anteile an der Wohnungsbaugesellschaft mehr Vorteile als Nachteile? Im Besonderen wenn die Interessen der Mieter berücksichtigt werden?
Matschke: Durch den Verkauf eines Minderanteils an die WVG, selbst durch einen direkten Verkauf von Wohnungen würde nicht in das bestehende Vertragsverhältnis des Mieters eingegriffen. Die Mieter würden den Umstand, daß nun ein Dritter Anteile an der WVG hält, überhaupt nicht bezogen auf ihre konkrete Mietsituation bemerken. Sie müßten weiterhin die Miete wie bisher zahlen, ihre Ansprechpartner bei der WVG würden sich nicht ändern usw. Nachteile haben die jetzigen Mieter keine. Vorteile könnten sich für sie ergeben, wenn der neue Eigentümer in das Management sein „besseres“ Know-how einbringt, um etwa die WVG insgesamt wirtschaftlicher zu führen. Wenn ich unterstelle, daß es da noch „Reserven“ gibt, was ich aber konkret nicht weiß, weil ich keinen detaillierten Einblick in die WVG habe. Für künftige Mie-ter gilt, daß sie die marktüblichen Mieten zahlen werden, wie dies auch ohne Verkauf zu erwarten wäre, und für die jetzigen Mieter werden eventuelle Mietanpassungen in gleicher Weise kommen, wie sie auch ohne Verkauf gekommen wären, wenn sich die WVG marktgerecht verhält. Der Rechtsrahmen für solche Mietanpassungen würde sich durch den Anteilsverkauf nicht ändern. Kein Eigentümer hat Interesse durch Mietforderungen, die überhöht sind und sich folglich am Markt nicht durchsetzen lassen, einen Wohnungsleerstand zu „produzieren“. Denn das geht wirklich ins Geld! Der Wohnungsmarkt in Greifswald ist ein „Mietermarkt“, kein „Vermietermarkt“, denn es gibt mehr Wohnungen, die auf Mieter warten, als umgekehrt. Die umlaufenden Vorstellungen, es würde für die Mieter ein Notstand bei einem Anteilsverkauf ausbrechen, sind geradezu absurd.

moritz:Ist eine Minderheitsbeteiligung für einen Investor überhaupt interessant? Sprechen der hohe Sanierungsgrad der Wohnungen und der im Vergleich hohe Mietpreis für einen Einstieg?
Matschke: Ob es für einen Käufer interessant ist, kommt letztlich auf die Vertragsverhandlungen und deren Ergebnisse an. Werden die Verhandlungen positiv abgeschlossen, dann doch nur deshalb, weil sich nicht bloß die Stadt als Anteilsverkäufer, sondern auch der Käufer der Anteile dadurch mehr Vorteile verspricht. Denn der Investor muß ja nicht kaufen. Natürlich ist ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen für einen Erwerb von Anteilen attraktiver, als wenn es sich um ein sanierungsreifes Unternehmen handeln würde, bei dem immer auch das Risiko eines Fehlschlags einer Sanierung bestände.

moritz:Ist ein Verkauf also eine win-win-Situation für die Hansestadt und einen Investor?
Matschke: Wenn er zustande kommt, dann doch nur deshalb, weil sich beide Seiten mehr Vorteile versprechen, also – wie Sie es ausdrücken – eine win-win-Situation aus Sicht aller Beteiligten vorliegt. Ob diese erwarteten Vorteile sich tatsächlich für jeden der Beteiligten realisieren werden, wird dann die Zukunft zeigen.

Geschrieben von Björn Buß

Interview: Erstaunt

moritz: Wie viel Arbeit steckt in einem Stück?
Dörnen: Eine Minute auf der Bühne entspricht der Arbeit von einer Stunde im Ballettsaal.

moritz: Was passiert nach einer Premiere?
Dörnen: Wir arbeiten weiter, um ein Stück weiter lebendig zu halten.
moritz: Was fasziniert sie an Prokofjew?
Dörnen: Prokofjew war seiner Zeit weit voraus. Erstmalig gehen in „Romeo und Julia“ Tanz und Musik eine gleichberechtigte Partnerschaft ein. Zudem ist diese sinfonische Musik mit ihren Leitmotiven erstmals richtig durchkomponiert.

moritz: Was überrascht Sie beim heutigen Publikum?  
Dörnen: Junge Leute suchen wieder nach Harmonie und Schönheit. Ich bin erstaunt, dass viele von ihnen eher in „Romeo und Julia“ als in die experimentelle Abende gehen. Ältere lassen sich in Greifswald lieber darauf ein. Normalerweise erwartet man das umgekehrt.


moritz: Das Ballett feiert 2007 sein 10. Jahr innerhalb des Theater Vorpommerns.
Dörnen: Ich fühle mich sehr wohl hier. Die Stadt steht hinter uns. Dennoch muss man aktiv bleiben und darf sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Denn die Erwartungen sind bei uns hoch.

Geschrieben von Uwe Roßner

Beliebt wie umstritten

Strauss: Komponist, Dirigent, Operndirektor und NS-Funktionär

Geschrieben von Prof. Dr. Walter Werbeck

DVD: Der Betoncowboy

„Down in the Valley“ von David Jacobson

Kein Abschied wurde wohl je so zelebriert wie der des Westerns. De facto ist der Abgesang auf den wilden Westen ein bleibender Fixpunkt der Filmlandschaft geworden. Ob als eigenes Subgenre wie in Eastwoods „Erbarmungslos“ oder Siegels „The Shootist“, in stilistischen Reminiszenzen wie in „Enemy at the Gates“ und „Last Man Standing“, oder einfach in melancholischen Nuancen von „The Big Lebowsky“ oder gar „Ghost Rider“: Die Retrospektive ist allgegenwärtig und das Sterben des Western scheint den Filmschaffenden so ans Herz gewachsen zu sein, dass auch das Urgenre selbst wohl nie wirklich untergehen wird. Die antiquierte Haltung des Western mit ihrer zumeist klaren moralischen Einteilung in „Schwarz“ und „Weiß“ ist dabei Fluch und Segen zugleich. Obwohl auf gewisse Weise reaktionär banalisierend, fasziniert sie doch gerade durch diese beruhigende Schlichtheit.

In eben diesem Spannungsfeld zwischen den klaren Positionen der Westernwelt und überfordernder Komplexität der Moderne bewegt sich Harlan, ein haltloser junger Mann mit unglaublich gefestigter Cowboy-Attitüde. Verkörpert von Edward Norton, der sonst eher für die Darstellung „innerer“ Zwiespälte bekannt sein dürfte („Fight Club“, „Zwielicht“), steht er im ständigen Konflikt zu der Welt, die ihn umgibt, in die er aber nicht gehört – oder vielleicht nicht gehören will.
Harlan ist ein wandelnder Anachronismus. Und so führt sein von altmodischen Floskeln getragenes Werben um das Mädchen seiner Träume (Rachel Evan Wood, „Dreizehn“) unweigerlich zum Konflikt mit deren Vater (David Morse). Während sich dieser an sich alltägliche Konflikt entfaltet, zieht sich der überforderte Harlan mehr und mehr auf die Rolle des „lone gunman“ zurück, bis es schließlich zum unausweichlichen Showdown kommt – metaphorisch in Szene gesetzt vor der Kulisse eines Western-Themenparks.
Überhaupt überzeugt neben dem gewohnt beeindruckenden Spiel aller drei Hauptdarsteller vor allem die Bildkonzeption des Films, die das Westernmotiv gekonnt in Kontrast zu den Betonwelten L.A.’s setzt, so etwa, wenn Harlan auf seinem gestohlenen Schecken in voller Cowboy-Montur samt Stetson und Peacemaker einen oberirdischen Abwasserkanal durchschreitet als ritte er in den obligatorischen Sonnenuntergang.

Geschrieben von Johannes Kühl