Erzählungen sind zarte Pflänzchen und dünnes Eis. Was vermag ein Bändchen von 144 Seiten Neues zu sagen? Sollte so ein Debüt auf einem fremden Buchmarkt gestartet werden? Der polnische Autor Wojciech Kuczok gilt als eine junge Hoffnung, Stilist, gar als ein neuer Witold Gombrowicz. „Im Kreis der Gespenster“ wirft in fünf Erzählungen und vier Interludien in Chopinscher Manier über Homosexualität, Liebe und Tod auf Papier.

 Wunderbar gießt der heute in Krakau lebende Autor die eigenwilligen Geschichten in jeweils dafür ausgesuchte Sätze, Aufzählungen oder Szenen. Weniger vordergründige Sensation als sensible Begegnungen sprechen aus dieser eigenwilligen Prosa. Doch dem nicht genug! Die vier Vorspiele zu den einzelnen Erzählungen verweisen nicht allein der Bezeichnung nach auf Frederic Chopin, sondern treffen den Ton der anspruchsvollen Préludes des Klaviervirtuosen. Den ästhetischen Anspruch des polnischen Romantikers beansprucht Kuczok für sich. Unabhängig vom Inhalt findet er einen sprachlich adäquaten Ausdruck. Wer in den Texten Gefühlsduselei sucht, wird sie nicht finden. Die formale Strenge fasst in sich die zum Bersten ernsten Themen. Biblische Motive leuchten hier und da auf. Dennoch geht es nicht um literarische Beichte. Liebe bleibt ein Thema in Variationen. Hier ein Regentropfenprélude, da absolute Ruhe oder brilliante Triller auf der Gefühlsklaviatur. Kuczok erzählt und provoziert ganz überraschend. Gilt Homosexualität  heutzutage in Polen zu den öffentlichen Tabus, so eröffnet „Im Kreis der Gespenster“ mit dem Erwachen der Homosexualität dank eines bloßen Händedrucks eines Bettlers in einem Park. Richtig spannend wird es erst im Februar, wenn der in Polen hoch ausgezeichnete Roman „Miststück“ erscheint. Solang mögen die Erzählungen als ein erster Vorgeschmack reichen.

Kuczok,  Wojciech: Im Kreis der Gespenster. Suhrkamp Verlag. 144 Seiten. 19,80€

Geschrieben von Uwe Roßner