Vier mal neun Geschichten ergeben einen Kosmos gefüllt mit Mythen und Sagen, Chroniken und Zeitungsartikeln, Flaschenpost und E-Mails, Liebesgeschichten und Märchen.
Kann man ein Buch zu Ende lesen, das aus 36 einzelnen Heften besteht, die sich in der Reihenfolge beliebig mischen lassen?

Der georgische Schriftsteller Aka Morchiladze erzählt von einer eigentümlichen, melancholischen Insel namens Santa Esperanza, die, umgeben vom Schwarzen Meer, der Handlungsort dieser Episoden ist.  Sie handeln von Sitten und Gebräuchen verschiedener familiärer Clans, deren handlungstragende Elemente aus Kartenspielen, Pfeife rauchen, Stolz, Wein und essen bestehen. Des Weiteren bilden die 36 Hefte ein interessantes Kartenspiel.
Jedes Heft enthält eine abgeschlossene Geschichte.  Zusammen ergeben sie einen Sinn. Die zumeist melancholisch endenden Episoden ranken sich wie eine Melodie um den Erzähler. Das eigentümliche Leben wird mit warmen Worten beschrieben, auf denen langsam ein unerwarteter Stimmungswandel folgt. Der Charme der einfachen kurzen Sätze weicht einem unausweichlichen Sog voller Ereignisse und zieht immer tiefer in einen Sumpf aus Liebe, Tod, Sehnsucht, Wunsch und Wirklichkeit.
Dazwischen erscheinen Sätze wie Perlen, stoppen den raschen Lesefluss und wirken lange nach. Die schmerzliche Sehnsucht nach Zufriedenheit und Ruhe, Struktur und Halt spiegelt sich in teilweise sehr berührenden Passagen wieder. Struktur geben auch nicht die Hefte, die in beliebiger Reihenfolge lesbar sind. Es gibt lediglich Hinweise, wie sie gelesen werden können.
Sie alle laufen auf ein Schlusskapitel hinaus. Die schleichend ernsthaft werdende Erzählweise bewahrheitet sich im letzten Heft. Die zuvor poetisch aufgebaute Welt bleibt nur noch als Fragment in der Erinnerung bestehen. Der schweizer Pendo-Verlag hat mit Santa Esperanza einen Schatz gehoben.

Morchiladze, Aka: Santa Esperanza. Ein Kosmos aus vielen Romanen. Pendo Verlag. 850 Seiten. 27,50€

Geschrieben von Judith Küther