moritz sprach mit Bildungsminister Henry Tesch über Studiengebühren, Private Public Partnership-Verfahren (PPP) und studentisches Engagement

moritz: Wie kam es zu Ihrer Entscheidung, Bildungsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommerns (MV) zu werden?
Henry Tesch: Ich halte mich da an einen Leitspruch Erich Kästners: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“

Mit welchen Zielen traten Sie an?
Ich habe mir vorgenommen, die Arbeit an den Schulen, Hochschulen und in den zahlreichen kulturellen Institutionen, Vereinen, Initiativen und Projekten zu stabilisieren, zu optimieren, und zu professionalisieren. Das geht alles nicht, wenn wir es nicht schaffen, die Mitarbeiter dieser Bereiche zu motivieren.

Wie bewerten Sie die Arbeit von Herrn Prof. Dr. Dr. Metelmann?
Das Ministeramt ist ein überaus verantwortungsvolles, wie jedes andere auch. Man hat weit reichende Entscheidungen zu treffen und kann es dabei nie allen recht machen. Sie wissen sicher, dass dies eine Kunst ist, die niemand beherrscht. So hat Prof. Dr. Dr. med. Metelmann seine unbestrittenen Verdienste für die Bildungspolitik in MV und ich schaue mit Respekt auf seine Arbeit in den vergangenen vier Jahren. Ich möchte meine eigenen Akzente setzen. Im Übrigen erinnere ich mich persönlich an die eine oder andere gelungene gemeinsame Begebenheit.

Sie treten mit einem eher schulischen Hintergrund an. Wie beurteilen Sie die bisherige Veränderung der Hochschullandschaft in Mecklenburg-Vorpommern?

Ich denke, dass viel für die Entwicklung der Hochschulen in unserem Land getan wurde und auch in Zukunft getan wird. Die Hochschulen müssen wettbewerbsfähiger werden, um dadurch national und international Achtungszeichen zu setzen. Das wird auch die Studiennachfrage in MV erhöhen, denn wir brauchen nach wie vor mehr Studierende um als Land wirtschaftlich und gesellschaftlich Schritt zu halten.

Wie stehen Sie zu Studiengebühren?
Ich werde aufmerksam die bundesweite Entwicklung im Auge behalten und die Diskussion wird kontinuierlich weitergehen. Es gibt für Pro und Contra gute Argumente. Nur dann, wenn wir optimale Voraussetzungen für Forschung und Lehre geschaffen haben, können Studiengebühren legitimiert werden. Das Landeshochschulgesetz trifft dazu auch klare Festlegungen.

Bleibt das Erststudium innerhalb der nächsten fünf Jahre in Mecklenburg-Vorpommern gebührenfrei?
Ja, hierzu gibt es in der Koalitionsvereinbarung eindeutige Aussagen, und zwar im Punkt 186.

Wofür sollen mögliche Studiengebühren verwendet werden?
Wenn perspektivisch Studiengebühren erhoben werden, habe ich bereits zwei Grundbedingungen formuliert:
a) Sie verbleiben zu 100 % in den Hochschulen,
b) Der Landeszuschuss für die Hochschulen darf nicht entsprechend der Einnahmenhöhe gekürzt werden. Wie das Geld konkret verwendet werden kann, muss dann grundsätzlich Sache der Hochschulen sein.

Wie werden und wollen Sie die Entwicklung nach der Einführung von Studiengebühren in anderen Bundesländern beobachten?
Die Entwicklung dort bleibt abzuwarten. Man kann sicher noch nicht nach einem Jahr konkrete Ergebnisse erwarten, aber vielleicht Tendenzen feststellen. Unter den Bundesländern gibt es einen regen Meinungsaustausch, Hochschulberatungsorganisationen begleiten diesen Prozess, so dass ein durchaus differenziertes Meinungsbild entsteht, aus dem substantielle Schlussfolgerungen gezogen werden können. Für mich ist dabei wichtig, unbedingt soziale Härten zu vermeiden bzw. potenziellen Studenten bestimmter sozialer Schichten Studienmöglichkeiten durch Stipen-dien- oder finanzierbare Darlehensprogramme zu ermöglichen. Denken wir daran: Auch das BAföG ist ein Darlehensprogramm.

Welche Potentiale hat die Hochschullandschaft in Mecklenburg-Vorpommern?
Die Fachhochschulen in MV haben einen enormen Zulauf. Wir müssen jedes Jahr tausende Studieninteressierte abweisen. Ein kaum akzeptabler Zustand. In einigen Bereichen an den Universitäten verzeichnen wir einen ähnlichen Zustand. Wir werden auf lange Sicht nicht die Kraft haben, um in MV ein Harvard oder Cambridge entstehen zu lassen. Es gibt aber Bereiche in jeder Hochschule, die weltweit Achtungszeichen geben. Diese wollen wir in die Lage bringen, diesen Erfolgsweg fortzusetzen. Gute Lehre in guten Betreuungsverhältnissen waren und sind eine Stärke der Hochschulen in MV. Das zieht Studenten an. Zusammen mit guten Forschungsleistungen und einer starken Vernetzung ergeben sich so sehr gute Perspektiven für den Hochschulstandort MV.

Wie sieht die Zukunft der Hochschulen von Mecklenburg-Vorpommern im nationalen und internationalen Vergleich tendenziell aus?
Alle Hochschulen haben in den letzten Jahren erfolgreich an ihrer Profilbildung gearbeitet. Diesen Weg werden wir zusammen mit den Hochschulen weiter gehen und wieder stärker auf eine Kooperation zwischen Hochschulen und Landesregierung setzen. Beide verfolgen ein Ziel, das sie eint: Mecklenburg-Vorpommern zukunftsfähig machen.

Wie sehen Sie das Spannungsfeld zwischen Hochschulautonomie und der Regierungsverantwortung?
Es gibt Bereiche wie die Lehrerbildung, die durch die Hochschulen abgesichert werden müssen. Das haben die Hochschulen nie bestritten. Insofern können wir auch zusammen mit den Hochschulen Landesinteressen definieren und umsetzen. Das ist weitestgehend gelungen. In Fragen der Hochschulautonomie sind wir noch nicht so weit, wie ich es mir gerne wünsche. Aber SPD und CDU haben vereinbart, an einer Fachhochschule bereits gemachte Erfahrungen aus MV und der TU Darmstadt in einem erweiterten Autonomiemodell zu erproben und diese sollten schnell überführt werden.

Wie ist die gegenwärtige Situation im Hochschulbau? Ist dieser sichergestellt?
Der Hochschulbaukorridor ist sichergestellt. Entsprechende Vorkehrungen wurden auch im Hinblick auf die Föderalismusreform und das Auslaufen der Hochschulbauförderungsgelder getroffen.

Zeichnen sich neue Debatten um Stellenkürzungen an den Universitäten in Mecklenburg-Vorpommern ab und warum bitte?
Bei dieser Frage muss man eindeutig auf die abgeschlossenen Zielvereinbarungen zwischen den Hochschulen und der vorherigen Regierung verweisen. Diese wurden von uns übernommen. Das Landespersonalkonzept gilt für die CDU als sichere Grundlage für die Planungen der Hochschulen. Darüber hinaus wird es in den entsprechenden Planungszeiträumen aus meiner Sicht keine zusätzlichen Stelleneinsparungen an den Hochschulen geben.

Wie wollen Sie das Instrument Zielvereinbarung künftig nutzen?
Daran gilt es sich zu halten. Sie sind unter bestimmten Maßgaben abgeschlossen und unterzeichnet, damit anerkannt worden. Sie sind die Gewähr dafür, dass die Profilbildung in MV weiter geführt und die Attraktivität der Hochschulen gesteigert werden kann. Die Erfüllung der Zielvereinbarung ist für mich auch ein Gradmesser, inwieweit die Hochschulautonomie in MV ausgebaut werden kann. Sie sind damit auch eine vertrauensbildende Maßnahme für beide Seiten, denn auch das Land muss sich hier an seine Zusagen halten.

Welche Stellung sollen Studentenwerke zukünftig besitzen?
Sie gestalten das soziale Umfeld für die Studenten, tragen somit entscheidend zur Attraktivität eines Hochschulstandortes bei, ob der Essensversorgung, Studentenbetreuung in sozialen Fragen oder der Unterkunftsbereitstellung. Sie sind aus dem studentischen Leben nicht wegzudenken. In diesem Zusammenhang möchte ich auch an die Studentinnen und Studenten denken, die während der Studienzeit eine Familie gründen, Mütter und Väter werden. Sie brauchen besondere Hilfe und Unterstützung. Ich würde mir wünschen, dass es hier eine enge Zusammenarbeit zwischen der Universität und dem Studentenwerk gibt:  Z. B. in der Betreibung von Kindertagesstätten.

Bleibt die Betreuung von Mensen auch zukünftig in der Hand von Studentenwerken?
Wo liegen die Alternativen? Solange es nicht gravierende Gründe gibt, die dagegen sprechen, sollten wir an bewährten Organisationsmodellen festhalten.

In welchen Bereichen der Hochschulen halten Sie das Private Public Partnership-Verfahren für sinnvoll und zielführend?
Speziell auf dem Gebiet der Forschung sind Hochschulen und öffentlich finanzierte Wissenschaftseinrichtungen einerseits, private Unternehmen andererseits, einem Struktur- und Funktionswandel unterworfen. Das wird auch nicht ohne Auswirkungen auf die Lehre bleiben. Die bislang dominierende Abgrenzung und Aufgabenteilung zwischen Hochschulen und Wirtschaft wird damit in Frage gestellt und eine enge Kooperation notwendig. PPP in der Forschung bedeutet Kooperationsformen zwischen öffentlich finanzierter Wissenschaft und privater Wirtschaft zu finden, die über einzelne Forschungsprojekte hinausgehen und sich durch eine längerfristig institutionalisierte Zusammenarbeit auszeichnen. Beide Seiten bringen verschiedene Ressourcen in die Kooperation ein, verfolgen komplementäre Ziele und teilen sich Gewinne und Verluste. Mit diesem Modell können öffentliche Hand und Wirtschaft sinnvollen Ressourceneinsatz betreiben.

Wie soll sich die Zusammenarbeit mit der Greifswalder Hochschulleitung künftig gestalten?
Das Ministerium ist an einer engen Zusammenarbeit und einem gegenseitigen Austausch interessiert. Unser Antrittsbesuch erfolgte ziemlich kurz nach der Amtsübernahme. Gern erinnere ich mich hier an den Festakt zur Verleihung der Ehrendoktorwürde. Wir hoffen auf ein konstruktives, faires und kreatives Miteinander mit allen Hochschulen und Hochschulleitungen. Das schließt die Studentenschaft ausdrücklich mit ein.

Was erwarten Sie von Studierenden?
Ich bin bereits gefragt worden, wie ich mir den Schüler von heute vorstelle. Ich denke, gleiches gilt auch für den Studenten, nämlich vielseitiges Interesse zeigen, die Kräfte gut einteilen, neugierig sein und bleiben. Und: politisch interessiert, dabei konstruktiv Kritik üben und selbst kritikfähig sein.

Wie sollen sie sich hochschulpolitisch einbringen?
Engagement und Kreativität sind immer wichtig und mit Sicherheit auch immer gefragt. Ohne das geht es nicht. Die Studenten sollen sich in hochschulpolitische Diskussionen einbringen, die auch immer gesellschaftspolitische Diskussionen sind. Ich habe mal gelesen: Nicht der Konsens, sondern der Dissens ist das Lebenselixier einer Demokratie. Wenn wir alle immer der gleichen Meinung wären, hätten wir uns nichts zu sagen.

Welchen beruflichen Rat würden Sie Studenten heute geben?
Zunächst erst einmal sich mit dem notwendigen Rüstzeug aus dem Bereich der Theorie ausstatten, aber auch möglichst viele Erfahrungen in der Praxis sammeln, natürlich soweit es die Studienrichtung erlaubt. Dazu gehört für mich auch, unbedingt die Möglichkeit von Auslandsaufenthalten zu nutzen. Und nicht zuletzt, auch den Mut für schwierige Entscheidungen aufzubringen, risikobereit zu sein, Chancen zu nutzen. Das gelingt in jungen Jahren besser und eröffnet vielfältige berufliche Perspektiven. Dabei ist es immer von Vorteil, wenn jeder selbst die Initiative ergreift und nicht auf andere wartet.

Welche Vorsätze haben Sie für das neue Jahr?
Das, was auf den Weg gebracht wurde, zu unser aller Zufriedenheit fortführen, mit konzentrierter Arbeit Bildungspolitik in Schule und Hochschule auf den Weg bringen, der Erfolg verspricht und mit MV als Kulturland an Bedeutung gewinnen.

Geschrieben von Uwe Roßner