Rechtliche Probleme der Studiengebühren

Im Überschwang ideologischer Entscheidungen vergisst mancher Politiker gerne, dass Studiengebühren in Deutschland nicht grundsätzlich erlaubt sind. In vielen Fällen sind Kollisionen mit dem Gesetz erkennbar und nicht alle Richter kommen in ihren Entscheidungen den Wünschen der Politiker entgegen.
Wir wollen einen Überblick darüber geben, wie für politische Ziele Recht strapaziert wird und wie die Rechtsprechung bis jetzt darauf reagiert hat.

Landeskinderquoten – Der Konflikt mit dem Gleichheitsgrundsatz

In drei Bundesländern, nämlich in Hamburg, Bremen und in Rheinland-Pfalz, gab oder gibt es eine Landeskinderquote. Diese soll dazu dienen, Studenten, die ihren Hauptwohnsitz nicht in dem entsprechenden Bundesland haben wollen oder können, mit Gebühren zu belegen. Ziel der Länder ist es, über gestiegene Bürgerzahlen mehr Mittel aus dem Länderfinanzausgleich zu erhalten. Rechtlich fraglich ist hierbei, ob diese Regelung nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (GG) kollidiert. Im Artikel 3 des Grundgesetzes verankert besagt dieser, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und dass niemand unter anderem wegen seiner Heimat und Herkunft bevorzugt oder benachteiligt werden darf.
Das Verwaltungsgericht Hamburg beschäftigte sich als erstes mit dieser Frage. Im Jahre 2005 setzte es die Landeskinderregelung der Stadt Hamburg aus, weil gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken bestünden. Diese Entscheidung wurde später durch das Oberverwaltungsgericht Hamburg bestätigt. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken zählten für die Gerichte der Gleichheitsgrundsatz, ein möglicher Eingriff in die durch Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit und ein möglicher Verstoß gegen das Prinzip staatsbürgerlicher Gleichheit. Hamburg reagierte darauf, indem es allgemeine Studiengebühren einführte.
In Bremen steht ähnliches zu befürchten. Auch hier entschied das Verwaltungsgericht Bremen 2006, die Landeskinder-Klausel sei mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar. In Rheinland-Pfalz gibt es bisher noch keine gerichtliche Entscheidung zum Thema. Auch in Mecklenburg-Vorpommern hat man in der Politik schon über eine solche Regelung nachgedacht, um den Strom abwandernder Landeskinder etwas zu verknappen. Wirkliche Rechtssicherheit gibt es zu diesem Thema noch nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu Landeskinderregelungen bisher verschiedentlich geäußert.

In Sachsen wird pariert

Der Freistaat Sachsen gönnt sich eine gewisse Freiheit. Hier sind Studiengebühren vorrangig im Verwaltungskostengesetz geregelt. Das Erststudium ist danach kostenfrei. Nach der Sächsischen Hochschulgebührenordnung werden aber weiterbildende Studien, Fernstudien sowie Zweitstudien nach Überschreiten der Regelstudienzeit im Erststudium mit Benutzungsgebühren in Höhe von 40 – 1.500 Euro belegt. Der Knackpunkt ist hier, dass die Gebühren für die Studenten verbindlich sind, nicht jedoch für den Freistaat selbst. Er kann also entscheiden, wie hoch die Gebühren sein sollen, die der einzelne Student auferlegt bekommt. Somit könnten unliebsame Studenten massivem Druck ausgesetzt werden, während unkritische starke Vergünstigungen bekommen. Nach dieser Rechtslage muss der einzelne Student nämlich nicht von vornherein über die Höhe der individuellen Studiengebühr informiert werden. Weil diese Rechtsverordnung so außerordentlich unspezifisch formuliert ist, könnte sie nichtig sein.

Hessen – Konflikt mit der Landesverfassung

In Hessen steht in Art. 59 der Landesverfassung: „In allen öffentlichen Grund-, Mittel- und Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich.“ Hessen hat die einzige Landesverfassung, in der sich ein solcher Passus finden lässt. Da die regierende CDU unbedingt allgemeine Studiengebühren durchdrücken will, hat sie den Staatsrechtler Christian Graf von Pestalozza mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, das die Verfassungsmäßigkeit von Studiengebühren bestätigen soll. Dieses wurde im April 2006 durch das hessische Wissenschaftsministerium veröffentlicht und versteht Studiengebühren als den Fall eines von der Landesverfassung bei entsprechender wirtschaftlicher Tragbarkeit zugelassenen Schulgeldes. Auf die wirtschaftliche Situation des Einzelnen komme es nicht an, sondern auf die später entstehende finanzielle Leistungsfähigkeit. Damit seien sie gemäß der hessischen Landesverfassung zulässig.
Der Staatsrechtler Arndt Schmehl (Universitäten Gießen und Hamburg) vertritt in einem Aufsatz in der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht (8/2006, S. 883 ff.), dass allgemeine Studiengebühren unzulässig seien, solange die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Einzelnen diese nicht abdecken könne.
Die beiden Staatsrechtler blieben bei einer öffentlichen Anhörung des hessischen Landtages im September 2006 bei dieser Position. Da auch die CDU mit marginalen Nachbesserungen am Gesetzestext ihre Position beibehält, allgemeine Gebühren einführen zu wollen, hat die SPD-Fraktion beim Staatsgerichtshof Hessen Klage erhoben.

Studiengebühren für alle – konform mit dem Grundgesetz?

Im Jahre 2002 wurde im Hochschulrahmengesetz vom Bundesgesetzgeber verankert, dass das erste Studium bis zum qualifizierenden Abschluss gebührenfrei bleiben sollte. Dagegen klagten die unionsgeführten Bundesländer Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Saarland, die Freie und Hansestadt Hamburg sowie die Freistaaten Bayern und Sachsen, die darin einen unzulässigen Eingriff des Bundes in die Gesetzgebungskompetenz der Länder sahen.
In seinem Urteil vom 26. Januar 2006 entschied das BVerfG, dass dies der Fall sei und sprach den Ländern die alleinige Gesetzgebungskompetenz in dieser Frage zu. Der Vorsitzende Richter, Winfried Hassemer, machte in seiner Begründungsrede aber noch einmal deutlich, dass nicht über die Verfassungsmäßigkeit an sich entschieden wurde, sonder ausschließlich über die Zuständigkeit in der Gesetzgebung. Eine Klärung dieser Frage vor dem BVerfG ist bis heute noch ausgeblieben, angesichts boykottierender Gebührengegner aber in näherer Zukunft zu erwarten.

Fragwürdiges Vorgehen der Länder

Der Verwaltungsrechtler Wilhelm Achelpöhler hat in einem vom „Aktionsbündnis gegen Studiengebühren“ veröffentlichten Gutachten starke Zweifel am Vorgehen der Länder bei der Einführung von Studiengebühren geäußert. Er kreidet vor allem an, dass der Vertrauensschutz der bereits eingeschriebenen Studierenden dadurch unterminiert werde, dass es keine angemessenen Übergangsfristen bei der Einführung der Gebühren gibt. Weiterhin würden nirgendwo BAföG-Empfänger von der Gebührenpflicht ausgenommen. Der Bund verstoße hiermit gegen den ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz des Gebots bundesfreundlichen Verhaltens, indem das Geld, das der Bund den Studierenden zur Verfügung stellt von den Ländern wieder eingefordert werde.

Geschrieben von Stephan Kosa