Milos Formans „Goyas Geister“

Wenn man ein Historiengemälde schafft, besteht die Leistung weniger darin, nüchtern die Faktenlage zu dokumentieren, sondern zu versuchen, die einmalige „Aura“ der Geschichte einzufangen. Dies ist Milos Forman bereits 1984 mit „Amadeus“ gelungen. In „Goyas Geitser“ ist das Künstlergenie jedoch nicht Mittelpunkt, sondern vielmehr Chronist des Geschehens.

Wir sehen also weniger Francisco de Goya (Stellan Skarsgård), sondern das, was er selbst wahrnahm. Der lebensfrohe Maler, der zunächst seine künstlerische Freiheiten am spätbarocken Königshof ausleben kann, ohne jedoch seine Augen vor den sozialen Missständen zu verschließen, wandelt sich in Zeiten von Besatzung und Bürgerkrieg.  Seiner moralischen Aufrichtigkeit steht der schmierige Wendehals Lorenzo (Javier Bardem) gegenüber. Zunächst als ein Hauptverfechter der allgegenwärtigen Inquisition tätig, kehrt er nach dem Einmarsch der napoleonischen Truppen in Spanien durch eine überraschende 180°-Wendung mit „Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit“-Parolen als deren Hauptankläger zurück. Als tragische Gestalt tritt Goyas Muse Inés zutage, die unschuldig nach Folter und Kerkerhaft im Irrenhaus landet. Natalie Portman versteht es in ihrer Doppelrolle, sowohl die unschuldig gequälte Psyche der Inés als auch die kalkuliert eingesetzten Reize der Prostituierten Alicia eindringlich darzustellen.
Durch die präzise Kostümwahl und den Dreh an spanischen Originalschauplätze sowie die dezente Farbgebung und Ausleuchtung ist ein Historiendrama mit fast greifbaren Bildern entstanden. Zudem trägt die Darstellung vermeintlicher „Befreiungsarmeen“ erschreckend aktuelle Züge.

Geschrieben von Arvid Hansmann