No-Go-Areas in Mecklenburg-Vorpommern

Zur Abwechslung mal eine gute Nachricht aus Ostdeutschland: Das Studentenwohnheim im Ernst-Thälmann-Ring in Schönwalde I ist keine No-Go-Area. So lange unsere vietnamesischen Kommilitonen geradewegs auf den Campus zusteuern und das Ostseeviertel links liegen lassen ist alles in Butter; so sagt man.

Auf Spurensuche in Greifswald fahndet man vergeblich nach national befreiten Zonen. Und das obwohl die ehrwürdige Hanse- und Universitätsstadt in der Zeitung ‚Die Woche’ zur „von Neonazis erfolgreich unterwanderten Stadt“ erklärt wurde. Ein paar Hinweisschilder wären also nicht schlecht. „Achtung: Sie betreten die national befreite Zone Ostseeviertel“. Die Einwohner von Cottbus könnten die kritischen Distrikte wahrscheinlich auch ohne Hinweisschilder benennen. „Ein Chinese traut sich nicht mehr aus dem Haus. Ein Spanier zeigt seine Narben. Eine Politikerin warnt Ausländer vor Fahrten mit der Straßenbahn. Ist Cottbus eine No-Go-Area?“, titelte ‚Die Zeit’ in ihrer Ausgabe vom 1. Juni. Doch auch im Nordosten Deutschlands ist man mit rechtsextremer Gewalt durchaus vertraut. Rostock, Greifswald und jüngst Wismar. Drei Städte. Drei traurige Geschichten. Ob zu Tode geprügelte Obdachlose oder ein überfallener Mann aus Togo an Christi Himmelfahrt – die drei Städte symbolisieren schreckliche Höhepunkte rechter Gewalt vergangener Jahre.
Die Rechtsextremisten beanspruchen den Begriff ‚National befreite Zone’ für sich, während die Opfer diese Gebiete ‚No-Go-Area’ schimpfen. Ob nun beschönigt oder anglisiert stehen beide Phrasen doch für das gleiche Phänomen. Das Straßenbild in solchen Gegenden wird so stark von rechtsextrem Motivierten geprägt, dass Ausländer und andere von Rechtsextremen als „fremd“ und „feindlich“ bezeichnete Menschen aus Angst vor gewalttätigen Übergriffen Straßen oder bestimmte Einrichtungen meiden. So entsteht ein rechtsfreier Raum, in dem Rechtsextremisten die Macht ausüben und „Feinde“ oder Abweichler terrorisieren und bestrafen. Erstmals wurde der Begriff 1991 in einer Publikation des NPD-nahen rechtsextremen Nationaldemokratischen Hochschulbunds als Strategieansatz verwendet und von dort in der Mitte der 90er Jahre in unterschiedliche Diskussionsforen und Websites der Neonazis übernommen.
Kritiker meinen, es sei unsinnig, ganze Gebiete mit dem Label „No-Go-Area“ zu versehen, wie es der ehemalige Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye vor kurzem tat. Die Gefahr für Fremde sei nämlich nicht nur auf diese Zonen und auf den Osten Deutschlands beschränkt.
Doch es brodelt in der Provinz. Wolgast, Usedom, Rostock, Schwerin, Greifswald, Rügen – die NPD ist nirgends offiziell an der Macht. Aber längst übens die nationale Partei und ihre Vasallen Einfluss aus. „No-Go-Area?“, fragt ‚Die Zeit’. „Langsam wird klar, was damit gemeint ist. Es sind gefürchtete Stadtteile, die auch den Verfall und die Ratlosigkeit einer ganzen Gesellschaft symbolisieren – und deren Existenz vielleicht auch deshalb so hartnäckig geleugnet wird“.

Geschrieben von Sebastian Vogt