Wenn eine Partei Bilanz über ihre Regierungszeit zieht, horcht sie in sich hinein, inwieweit die Interessen „derer da unten“ umgesetzt wurden. Die SPD-PDS-Koalition in M-V war 1998 ein Novum, bis heute wird sie skeptisch beäugt. Die Herausgeber haben Texte und Interviews von und mit PDS-Parteimitgliedern und linken Sympathisanten versammelt, die ehrlich mit Versäumnissen und Erfolgen umgehen. Allgemeine Betrachtungen zu sozialistischen Parteien in Regierungen werden durch Spezialbeiträge zu den einzelnen Politikfeldern in M-V ergänzt.

Wer sich mit einem Geleitwort von Hans Modrow nicht anfreunden kann, dem sei die weitere Lektüre nicht empfohlen. Fast alle Autoren haben DDR-Biographien und in den Texten wimmelt es zum Teil von Marx- und Engels-Fußnoten. Deren Sprache scheint aber wieder höchst aktuell, um die gesellschaftliche Wirklichkeit zu beschreiben. Die Texte sind jedoch nicht ideologisch verbrämt, sondern überraschend
pragmatisch.
Von dem hehren Ziel der „Transformation“ der „real existierenden kapitalistischen Gesellschaft“, das Modrow zum Geleit ausruft, blieb in den vergangenen sieben Jahren Regierungsbeteiligung nicht viel. Obwohl beispielsweise Hartz IV dem großen,  arbeitslosen Bevölkerungsteil in M-V beinahe die Bürgerrechte entzieht, schaffte es die Linkspartei.PDS nicht, dem Gesetz einhellig zu widersprechen. Die Gründe dafür sind vielfältig, angefangen mit dem Kompromißzwang als Koalitionär und endend mit der immer geringer werdenden Gesetzgebungskompetenz der Länder.
Nach wie vor Ländersache ist die Hochschulpolitik. Doch Gerhard Bartels, Hochschulexperte der Partei aus Greifswald, zieht in seinem Beitrag eine ernüchternde Bilanz. Dass die Hochschulautonomie im Januar 2006 ad acta gelegt werden würde, ahnt er voraus.
Das Fazit der Herausgeber ist nach knapp 300 Seiten durchwachsen: Auf jeden Fall müsse wieder auf die „kleinen Leute“ gehört werden und notfalls auch eine Koalition aufgekündigt werden. Als Leser vermisst man die Erinnerung an 40 Jahre SED-Herrschaft, die nicht nur in der Linkspartei.PDS ihre Spuren hinterließ, sondern auch in der Gesellschaft, und die für viele der aktuellen Probleme verantwortlich ist. Der offene und streitbare Umgangston des Buches
läßt aber hoffen.

Geschrieben von Ulrich Kötter