Eine Premiere zum ersten Ballettabend der neuen Saison des Theater Vorpommerns. Ralf Dörnen schlug mit ?Nachtwege? zwar keine völlig neue Bahn ein, überraschte dennoch das Publikum und zog es in seinen Bann.

Während in der vergangenen Spielzeit die ?Erste Sinfonie von Johannes Brahms? oder die zeitlich etwas weiter zurückliegende ?5. Sinfonie von Peter I. Tschaikowsky? auf die Bühne kamen, geht der Choreograph bei seinen sinfonischen Balletten einen Schritt weiter. ?Hier geht es nicht mehr darum, auf die Komponisten-Biographien Bezug zu nehmen oder kulturellen Hintergründen nachzuspüren. Vielmehr stelle ich mir die puristische Frage, wie die Musik unmittelbar heute auf mich wirkt.? Musik und Tanz verschmelzen als gleichberechtigte Partner. Bartóks ?Divertimento für Streichorchester fügt sich an Hector Berlioz ?Les Nuits d´été? und bildet mit Benjamin Brittens ?Sinfonia da Requiem? ein Klanggebilde, das den passenden tänzerischen Raum um Melancholie, Verlust und Liebe öffnet. Spitzentanz, neoklassischer Tanz und Anlehnungen an Modern Dance á la Martha Graham verleihen der Musik sichtbare Bewegung.
?Musik wird Emotion, Emotion wird Situation, Situation wird Tanz?, so Dörnen.
Wer nach dem Sinn oder der gültigen Interpretation fragt, wird konsequent auf die Bühne verwiesen. ?Mir ist es wichtig, dass die Zuschauer mit offenem Herzen die Aufführung sehen und das sie sich selbst von der Musik und den Choreographien inspirieren lassen?, bemerkt Dörnen und fügt hinzu: ?So, wie ich von meinen Emotionen geleitet wurde und diese nun als Tanzsprache auf die Bühne bringe, so soll auch das Publikum eingeladen werden, mit seinen Gedanken zu spielen.?
Wie gut, dass solche Experimente in Greifswald möglich sind und dass das Publikums die Auseinandersetzung sucht. Der enthusiastische Applaus bestätigt es zumindest. Bravo!

Geschrieben von Uwe Roßner