diesmal: die medizingeschichtliche sammlung

Die Sammlungen der Universität Greifswald

Laserchirurgie, satellitengestützte Kartographie, ambulanter Kaiserschnitt – in der Wissenschaft und Praxis hat man es ständig mit neuen Entwicklungen und Techniken zu tun, die das Leben und Arbeiten einfacher machen sollen. Der letzte Schrei ist heute gerade gut genug und morgen schon wieder von gestern.
An die neuen, angenehmen Methoden von heute gewöhnt man sich so schnell, dass man sich schon bald ein Leben ohne die eine bestimmte Technik gar nicht mehr vorstellen kann. Dass es vorher auch ohne ging ist klar, aber wie ist die Frage.
Auf der Suche nach Antworten kann ein kleiner Ausflug in die Vergangenheit sehr nützlich und interessant sein. Engagierte Menschen an unserer Uni, die sich das auch dachten, haben in großer Sorgfalt Sammlungen historischer Gegenstände und Akten aus den Bereichen Medizin, Kartographie, Geburtshilfe und Kunst zusammengetragen, die in unterschiedlichem Umfang der Öffentlichkeit zum Betrachten und Studieren zugänglich sind. Für die Zukunft plant die Universität ein Schaumuseum, in dem alles zentral und attraktiv arrangiert ausgestellt werden kann. Momentan befinden sich die Sammlungen allerdings noch in den jeweiligen Instituten, in Lageräumen und Kellergewölben, wo sie auf so engem Raum leider weder vollständig noch im optimalen Licht ausgestellt werden können.
moritz hat sich auf die nicht ganz einfache Suche nach den versteckten Relikten der Wissenschaft gemacht und wird euch in einer neuen Serie die Sammlungen der Universität vorstellen.

Zeitreise in die Achtziger

Eine der Kandidatinnen mit akutem Platzproblem ist die medizingeschichtliche Ausstellung. Seit 1994 geführt und zu den Unitagen 2003 eröffnet, befindet sich diese zurzeit im Keller eines Plattenbaus in der Walther-Rathenau-Straße.

medizinisches Equipment aus dem vergangenen Jahrhundert

Wer bei dem Wort geschichtlich gleich an mittelalterlichen Hokuspokus oder Aderlass denkt, wird von dem nicht weniger interessanten Sortiment an medizinischen, hauptsächlich aus der DDR stammenden, Gegenständen überrascht sein. Auf etwa 60qm hat Kathrin Pscheidel, Historikerin und gelernte Krankenschwester, medizinisches Equipment des letzten Jahrhunderts zur Präsentation aufgebaut und szenentypisch ein Krankenhauszimmer und eine Arztpraxis eingerichtet.
Beim Betrachten der Ausstellungsstücke im ersten Raum wird bewusst, dass selbst Ausstattung aus den 80ern, mit der man selbst noch in Berührung gekommen sein könnte, schon der Geschichte angehören. So sind sicher einige von uns im heute völlig veralteten, in dezenten Brauntönen gehaltenen 80s-Inkubator (Brutkasten) aus Budapest ausgebrütet worden. Ein Gerät, das durch sein kantiges Design durchaus den modischen Geschmack seiner Zeit vertritt. Optisch wie technisch fügen sich noch einige andere Geräte in die 70er und 80er Jahre: zum Beispiel der, die oder das Elektrodermatom, seiner Zeit in Rumänien gefertigt. Bei Verbrennungen verwendete man ihn, um dünne Hautschichten abzutragen, eine Aufgabe, die heute wohl mit größter Wahrscheinlichkeit ein Präzisionslaser übernehmen würde. Oder der Narkoseautomat aus einer Zeit, als man sich noch mit Stickstoffmonoxid in den Operationsschlaf lachte. Das Schmuckstück der Gerätesammlung ist jedoch der mintgrün-metallige Otlaphari, eine HNO-Untersuchungsstation im Retrolook, mit der in den 70ern die oberen Körperöffnungen untersucht wurden. Sehr stylisch!
Im ?Krankenhauszimmer” fällt unter anderem. der Schieberständer ins Auge, in dem etwa acht der weiß-blau emaillierten Nachttoiletten morgens abgestellt wurden, um dann von Hand gereinigt zu werden. Natürlich ohne Handschuhe, denn die brauchte man damals für solche banalen Tätigkeiten nicht. Dass aber früher nicht alles schlechter war, sieht man zum Beispiel am speziellen Lichtbogen, mit dem die Betten für frisch operierte Patienten angewärmt wurden. Etwas, wofür heute bestimmt keine Zeit bleibt.

Stumpfe Spritzen tun halt weh
 
Im Praxisraum gibt es einen großen Arztschreibtisch, eine ungepolsterte Holzliege und wenig Vertrauen erweckende Arzneimittel der letzten 50 Jahre zu sehen. Alte Spritzen und Nadeln, die noch vom Arzt selbst sterilisiert wurden, zeigen wie gut wir es doch heute eigentlich haben. Interessant vor allem zu wissen, dass die Verschleißerscheinungen an den Spritzen meistens Widerhaken an den Nadelspitzen oder Stumpfheit waren. Es tat eben alles etwas doller weh….
Ein großer Teil der bislang nur bruchstückhaft ausgestellten Sammlung, unter anderem Krankenakten aus den 20er Jahren, befindet sich leider eingemottet im Lager und wartet darauf, im Schaumuseum wieder das Tageslicht zu erblicken.
Bis es soweit ist, kann man sich aber nach kurzer telefonischer Rücksprache jederzeit die bereits bestehende Ausstellung ansehen. Je nach Interessenlage kann man sich von der Ausstellungsbetreuerin alles, von Aufgaben einer Krankenschwester, die in grauer Vorzeit z.B. auch Nähen und Bügeln umfassten, bis hin zu Flammenphotometern oder antiquierten Fitnessfahrrädern, persönlich erklären lassen. Dabei gibt es zweifellos viel zu bestaunen und trotz der Gewissheit, nie mit einer überdimensional großen, im Do-it-yourself-Verfahren sterilisierten Kanüle ein für heutige Verhältnisse schlechtdosiertes Medikament verabreicht zu bekommen, verirrt sich schon der eine oder andere Schauer über den Rücken des Betrachters.

Geschrieben von Juliane Hesse, Anne Schuldt