Der Greifswald-ICE: Bequemer, aber sonst wie immer

Ein Erfahrungsbericht

Der ICE kommt jetzt auch bis Greifswald.

Der ICE kommt jetzt auch bis Greifswald.

Dienstagmittag, 12:30 Uhr, Nürnberg Hauptbahnhof, Gleis 6. Die Spannung steigt: Gleich soll er kommen, der sagenumwobene ICE nach Greifswald. Doch bevor ICE1208, der Retter der vorpommerschen Bahnanbindung, wirklich einläuft, wird es erst mal richtig spannend: Der Monitor am Gleis verkündet, der Zug fahre nur bis Berlin Gesundbrunnen. Zwar über Jena und Halle, aber eben nur bis Berlin. Dann die computergesteuerte Ansage per Blechstimme: „Auf Gleis 6 fährt ein: ICE1208 nach (Pause) über Jena, Berlin, (Pause).“ Das klingt nicht sehr verheißungsvoll. Entweder, der Zug fährt ins Nirgendwo oder der bayrische Computer kennt sich in der pommerschen Provinz nicht aus.

Als der Schnellzug dann einrollt, steht der ersehnte Zielort dann aber immerhin auf den Zugschildern: Stralsund. Auch die Reservierung zeigt: Nürnberg-Greifswald. Und der Schaffner bestätigt ebenfalls: Ja, es gehe wirklich nach Stralsund, wenn auch erst seit drei Tagen.

Express-Zug in Slow-Motion (mehr …)

Bahn Initiative diskutierte über Nahverkehrsausschreibung

Mit der Ausschreibung des Nahverkehrs befasste sich letzte Woche die Bahninitiative Greifswald. Die europaweite Ausschreibung ist inzwischen veröffentlicht. Mit dieser Information eröffente Initiativensprecher Rasmus Klöpper das Treffen. Einen Termin mit der Verkehrsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern gebe es noch nicht, jedoch wurde dieser von Landesverkehrsminister Volker Schlotmann zugesagt. Mit Schlotmann plant die Initiative in den kommenden Monaten eine Veranstaltung zu diesem Thema, jedoch will man es nicht zu einer Wahlkampfbühne machen.

Stündliche Züge von Greifswald nach Berlin?

Kai Karpinsky übt Kritik am Ausschreibungstext

Etwas Kritik am Ausschreibungstext äußerte Kay Karpinsky, der Geschäftsführer der Grünen in Greifswald, dem die Komfortstandards nicht konkret genug gefasst sind. Der bisherige zweistündige Regionaltakt nach Berlin bleibe bestehen. Diese werden momentan von zwei Intercitys ergänzt, ab März durch einem zusätzlichen ICE. Aus Ausschreibungsgewinnen wolle Schlotmann zusätzliche Züge finanzieren. Dies müsse aber auch zusätzlich finanziert und nicht aus Abschreibungsgewinnen kommen, forderte Karpinsky. Diese zusätzlichen Zugkilometer sollen für stündliche Verbindungen bis Angermünde reichen, wo man dann alle zwei Stunden nach Berlin umsteigen kann.

Als positiv werden länger laufende Züge gesehen, die über Berlin hinausfahren. Hier wurde von einigen Mitgliedern angeregt, die Züge künftig nicht weiter nach Elsterwerda fahren zu lassen, sondern nach Lutherstadt Wittenberg, um Mitteldeutschland besser anzubinden. Kritik der Bahn-Initiative gab es dahingehend, dass es keine durchgehenden Nahverkehrszüge von Greifswald nach Rostock gibt. Diese Verbindung gibt es in beiden Richtungen bisher nur einmal von einem Intercity.

Konkret einigte sich die Bahn-Initiative unter anderem auf weitere Forderungen für die Ausschreibung: mehr Platz für Gepäck im Regionalverkehr, zum Beispiel Gepäckbereiche; vernünftige Sitze „ohne Schmerzen nach fast drei Stunden Fahrt“, Steckdosen und kabelloses Internet.

Ein ICE für Greifswald: Interview mit Greifswalder Geographen

Ab Ende März soll laut Bahnfahrplan morgens um acht ein ICE von Greifswald nach München über Berlin fahren. Jedoch greift ab 12. Dezember auch der gekürzte Fahrplan. Die IC-Verbindungen von und nach Berlin werden von täglich fünf auf drei Züge zusammen gestrichen. Das war ein Thema einer Regionalkonferenz in Stralsund. Von der Universität Greifswald war Geographie-Professor Helmut Klüter vertreten. Mit ihm und seinem Mitarbeiter, Diplom-Geograph Andreas Schüler sprach David Vössing.

Helmut Klüter

Helmut Klüter

webMoritz Herr Professor Klüter, Herr Schüler, was halten Sie von den bevorstehenden Kürzungen der Intercity-Züge?

Helmut Klüter Die Fernverkehrszüge, die wir bisher haben, bilden einen unvollständigen Takt. Bis auf die Mittagszeit fahren  alle zwei Stunden Züge von und nach Berlin. Ab 12.12.2010 wird dieses Mindestangebot gestrichen. Am Nachmittag fährt dann kein Fernverkehr mehr von Greifswald nach Berlin und am Vormittag nicht von Berlin nach Greifswald.

Andreas Schüler Als Tourismusregion ist Greifswald auf den Fernverkehr angewiesen. Wenn Intercitys gestrichen werden, haben wir als Alternative nur noch den relativ langsamen Nahverkehr, der nicht das Niveau eines Intercitys hat. Sie sollten nicht gestrichen werden, wenn man Touristen entsprechenden Komfort bieten möchte.

webMoritz Der Intercity braucht nach Berlin zwei Stunden 20 Minuten und der Regionalexpress zwei Stunden 50 Minuten, auf so einer Strecke fällt eine halbe Stunde kaum ins Gewicht. Warum reicht ein Regionalexpress trotzdem nicht aus?

Klüter Da gibt es mehrere Gründe. Zum Beispiel sind da Kundengruppen, die aus verschiedenen Gründen in den Regionalexpress nicht hineinpassen. Das betrifft vor allem die Anreisenden in Kurkliniken, die hauptsächlich Patienten haben, die nicht mehr in der Lage sind, Auto zu fahren. Sie sind sicher auch nicht in der Lage, mit ihrem Gepäck in die zweite Etage des Regionalexpress zu steigen, und auf unergonomischen Sitzen über 2 Stunden auszuhalten. Dann können sie gleich wieder eine Kur beantragen. Bisher holen die Kurkliniken ihre Gäste vom Bahnhof bei uns in der Region ab. Wenn die Morgenzüge wegfallen, muss ein Shuttle nach Berlin eingerichtet werden. Das wäre ein erheblicher zusätzlicher Kostenfaktor.

Ab 12. Dezember halten nur noch vier Fernverkehrszüge in Greifswald von und nach Berlin statt der bisherigen zehn.

webMoritz Trifft neben Touristen und Kurkliniken auch andere Personen der IC-Kahlschlag?

Klüter Ja, zum Beispiel den größten Verkehrsnachfrager in der Region, die Universität Greifswald. Sie befindet sich, gerade was Studentenzahlen angeht, in einer totalen Umbruchsphase. Die einheimischen Studenten, die wir jetzt bekommen, entstammen immer kleineren Jahrgängen. Andererseits haben wir in einigen westdeutschen Bundesländern sehr hohe Studiengebühren, so dass der Osten von Weststudenten entdeckt wird. Wir haben in der Geographie einen Erstsemesteranteil von 18 Prozent aus Mecklenburg-Vorpommern. Die restlichen 82 Prozent kommen aus anderen Bundesländern, nicht nur aus dem Westen, sondern auch aus Brandenburg und Berlin. Insofern dominiert seitens der Universität zukünftig die Fernverkehrs- und nicht mehr die Nahverkehrsnachfrage. Auch die Lehrkräfte der Universität sind von den IC-Kürzungen sehr stark betroffen. Sie haben ein sehr enges Zeitbudget und sind auf Steckdosen angewiesen, um einen Laptop anschließen und bis Berlin wenigstens halbwegs vernünftig arbeiten zu können. Im Regionalexpress ist das für uns nicht möglich. Diese Ausdünnung trifft uns sehr hart.

Andreas Schüler

Schüler Die Streichungen werden nicht durch das Land Mecklenburg-Vorpommern ausgeglichen. Den „Kompromiss“, der dann gefunden wurde, ist ein ICE. Er fährt ab 21. März 2011 morgens von Stralsund nach Berlin und weiter nach München, aber es gibt keinen Gegenzug.

Klüter Das ist entweder ein Fahrplanfehler oder es ist so geplant, dass der ICE leer von Hamburg oder Berlin nach Stralsund fährt. Was für die Region ganz bedeutsam ist, ist die Tatsache, dass dies kein Intercity ist, sondern ein InterCityExpress. Man hat uns die letzten zehn Jahre von Seiten der Bahn immer gesagt, für einen ICE wären wir zu klein. Jetzt wurde das durchbrochen und bewiesen, dass wir ICE-würdig sind. Man muss sich anstrengen, dass dieser ICE jetzt auch bestehen bleibt. An dem neuen „Nachmittagsloch“, während dessen man nicht mehr mit dem Fernverkehr nach Berlin kommt, ändert der ICE nichts.

webMoritz Auf der Regionalkonferenz in Stralsund wurde auch über einen regionalen Verkehrsverbund gesprochen. Was ist das und welche Gestaltungsmöglichkeiten erhofft sich das?

Klüter Die bisherige Diskussion hat gezeigt, dass die beiden Seiten Bahn und Region übereinander relativ wenig Bescheid wissen. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) hier in Mecklenburg-Vorpommern von der Verkehrsgesellschaft in Schwerin bestellt wird. Sie hat auch nicht das große Interesse, für den Osten Mecklenburg-Vorpommerns zu sorgen. Die Landräte lehnten auf der Regionalkonferenz IC-Kürzungen ab. Seitens der Bahn werden wir wie eine Schrumpfungsregion behandelt. Wir an der Küste sind aber eine Wachstumsregion. Die Verkehrsnachfrage steigt, der Tourismus wächst, die Zahl der äußerst mobilen Zweitwohnsitznehmer nimmt zu. Diese Botschaft muss man der Bahn überbringen.

webMoritz Was kann ein Verkehrsverbund dagegen jetzt konkret erreichen?

Klüter Der Verkehrsverbund kann die gebündelte Verkehrsnachfrage darstellen. Durch eine Koordination werden die örtlichen Verkehrsunternehmen besser aufeinander abgestimmt. Das vielleicht wichtigste am Verkehrsverbund ist, dass es ein Bestellerverkehrsverbund wird. Das heißt, der Verkehrsverbund schreibt die Strecken und Anforderungen für den ÖPNV aus und bestellt die entsprechenden Nahverkehrskontingente. Der Fahrplan wird in einem eigenen Internetportal viel transparenter. Die Fahrgäste fahren mit dem Nahverkehr zu bestimmten Knotenpunkten, von denen aus sie mit dem Bahnfernverkehr weiterfahren können. Der Verkehrsverbund könnte dann mit DB-Fernverkehr solche Fahrpläne und Angebote aushandeln, die für 460.000 Einwohner, 160.000 Touristen gleichzeitig und über 30.000 Zweitwohnsitznehmer – also insgesamt 650.000 Menschen in Vorpommern – attraktiv sind.

webMoriz Herr Klüter, Herr Schüler, vielen Dank für das Gespräch.

Hinweis: Auf Nachfrage bei der Deutschen Bahn soll der ICE ab März auch Abends nach Stralsund fahren. Damit wird der IC ersetzt, der momentan um viertel vor sechs in Berlin losfährt und um viertel nach acht Greifswald erreicht. Dieser IC wird aber erst einmal zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember wegfallen.

Fotos: David Vössing, Sebastian Terfloth via Wikimedia Commons (ICE)



Kein ICE-Anschluss für Greifswald!

Laut Eisenbahner-Forum “” wird es doch keine ICE-Verbindung nach Greifswald geben. Eine ICE-Verbindung von Greifswald nach Stuttgart hatte die Greifswalder Ostsee-Zeitung letzte Woche ab Dezember angekündigt. Die Junge Union hatte den Anschluss daraufhin in einer Presseerklärung als “ungemeine Verbesserung” gefeiert. Laut dem Forum-Mitglied Frank Winkel habe sich die Ostsee-Zeitung jedoch nur “verschrieben” und ein “E” zuviel dran gehangen. Lediglich eine IC-Verbindung nach Stralsund sei bis Greifswald verlängert worden.

Auch die Eisenbahner-FAN-Website Fernbahn.de scheint diese Sicht der Dinge zu unterstützen. In einem dort veröffentlichten Fahrplan für 2009 (Seite 23) ist nur von einem IC die Rede.

Auch die Pressestelle der Bahn war von einem ICE für Mecklenburg-Vorpommern befreumdet: “Davon hätte ich doch hören müssen”, so eine Mitarbeiterin. Derzeit läuft noch unsere Anfrage. Wir rechnen mit einer entgültigen Bestätigung oder Widerrufung im

Laufe des Tages.

Danke an dieser Stelle für die Hinweise durch unsere Leser!

*Update* – Oberbürgermeisterbüro bestätigt Falschmeldung:
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Soeben bestätigte das Oberbürgermeister-Büro, dass es sich bei der ICE-Meldung um eine Ente handelte. Im von der OZ zitierten Brief an das Stadtoberhaupt ist nur von einem IC, nicht von einem ICE die Rede. Der Sekretärin habe sich zwar schon letzte Woche über die OZ-Meldung gewundert, habe dies dann aber wieder aus den Augen verloren.

*Update 2* – Bahn bestätigt Falschmeldung:

Burkhard Ahlert von der DB Mobility Logistics AG bestätigt, dass es keinen ICE geben wird. “Ab Fahrplanwechsel am 14.12.2008 wird ein InterCity der Linie 30 (Stralsund – Hamburg – Köln – Mainz – Stuttgart) von/nach Greifswald geführt.”

Meldung aus der OZ - keine Richtigstellung

Meldung aus der OZ - keine Richtigstellung

*Update 3* – OZ räumt keine Fehler ein:

Anstatt ehrlich zur Falschmeldung zu stehen, sich beim Leser zu entschuldigen und die ICE Meldung richtig zu stellen, veröffentlichte die OZ heute nur eine kleine Meldung über eine angeblich neue IC-Verbindung. Dabei ist auch dies wieder falsch, denn die Verbindung bestand bereits bis Stralsund, wurde nur bis Greifswald verlängert.

Der Webmoritz hatte die OZ auf die falsche Meldung hingewiesen.

Bildquelle: Alan Desitter – via Flickr – CC

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