Tage der Akzeptanz – Aktionswochen für queere Vielfalt in Greifswald

Tage der Akzeptanz – Aktionswochen für queere Vielfalt in Greifswald

Am 17. Mai vor genau 31 Jahren hat die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität aus dem Krankheitskatalog entfernt. Dadurch wurde der 17. Mai zu einem symbolträchtigen Tag, der im Namen der Selbstbestimmtheit, der Gleichberechtigung und der freien sexuellen Orientierung gefeiert wird.

Geschichte

Der 17. Mai 1990 hat also den Stein der “Wokeness” ordentlich ins Rollen gebracht. Zunächst wurde der Tag zum “International Day Against Homophobia” (Internationaler Tag gegen Homophobie) ausgerufen und häufig als IDAHO abgekürzt. In diesen Namen wurde 2009 die Transsexualität als eigenständige sexuelle Orientierung integriert und der Tag zum “International Day Against Homophobia and Transphobia” umgetauft. Seit 2015 wurden des Weiteren die Biphobie und die Interphobie hinzugefügt, um alle Menschen zu inkludieren, die sich selbst nicht mit dem heteronormativen “Idealbild” der Gesellschaft identifizieren können.

So wurde der 17. Mai zum “Tag gegen Homo-, Bi-, Inter*-, Trans*-Feindlichkeit” (IDAHOBIT) und die Parole ist klar: Bei all der Ungleichheit in unseren Neigungen, Vorlieben und Orientierungen, wen wir nun lieben oder als was wir uns auch fühlen, sind wir alle gleich viel wert!

Aktionswochen für queere Vielfalt in Greifswald

Im Zuge der Aktionswochen für queere Vielfalt hisst auch die Stadt Greifswald die Regenbogenflagge und bekennt Farbe(n). Vom 17.05. bis zum 30.06. wird es im Namen der “Tage der Akzeptanz” verschiedene Veranstaltungen geben, die vom Aktionsbündnis Qube, dem Filmclub Casablanca, Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Greifswald und der STRAZE organisiert werden. Los geht es am 17.05. um 18 Uhr mit einer Kundgebung auf dem Greifswalder Marktplatz und um 19 Uhr mit einer Lichtinstallation an der Fassade der Stadthalle.

All dies läuft unter dem Hashtag #idahobit_mv. Es erwarten euch Filmvorstellungen, wie das Drama “Als wir Tanzten” von Levan Akin, das in Cannes seine Premiere feierte oder “Unsound”, ein australischer Film über junge Liebe, Transition und das Miteinander von Hörenden und Gehörlosen. Weiterhin könnt ihr an Workshops teilnehmen und unter anderem euer eigenes kleines “Zine” erstellen (das sind Amateurmagazine, deren Themenauswahl, von Subkultur bis Suppenrezept, ganz eurer Kreativität überlassen wird). Wenn ihr eher etwas Entspanntes sucht, dann kommt doch einfach auf einen kleinen Klönschnack in die STRAZE zu dem Event “Kaffee & Kuchen” vorbei.

Wer sich für eine der Veranstaltungen interessiert oder mehr über das Programm erfahren möchte, kommt hier zu den Details und zur Anmeldung.

Viel Spaß euch!

Programmhighlights online:

Was? Beitrag: Sibylla Schwarz – eine feministische Dichter*in aus Greifswald
Wann? Mittwoch, 26.05.2021
Was genau erwartet mich? Der Vortrag findet auf Instagram im Rahmen der Social Media Rallye zum IDAHOBITA* MV statt.

Was? Workshop “Gestalte dein eigenes Zine”
Wann? Montag, 24.06.2021, 17 bis 20 Uhr
Was genau erwartet mich? Zines als Kurzform von “magazines” sind in Eigenregie erstellte kleine Heftchen, bei denen du deiner Kreativität freien Lauf lassen kannst.

Was? Workshop “ADHS, Autismus, queer – Hilfe, diese Welt macht mich fertig!”
Wann? Samstag, 26.06.2021, 11 bis 13:30 und 14:30 bis 17 Uhr
Was genau erwartet mich? In diesem Vortrag wird der Alltag von Transgeschlechtlichkeit, Sexismus und Geschlecht im Zusammenhang mit Autismus und ADHS beleuchtet werden.

Was? Workshop “Ableismus – eine Einführung”
Wann? Mittwoch, 30.06.2021, 16 bis 18 Uhr
Was genau erwartet mich? Ableismus ist die Abwertung von Menschen mit Behinderung. Die Veranstaltung wird eine Einführung in das Thema und die wichtigsten Debatten geben.

Programmhighlights offline:

Was? Kundgebung: Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit
Wann? Montag, 17.05.2021, ab 18 Uhr
Wo? Marktplatz, Greifswald

Was? Kreativ-Ausprobier-Raum für trans*, inter*, nichtbinäre Personen
Wann? Samstag, 29.05.2021, ab 12 Uhr
Wo? Im Garten der STRAZE

Was? Kaffee + Kuchen
Wann? Freitag, 18.06.2021, 16:30 bis 18:30 Uhr
Wo? Im Garten der STRAZE

Das ganze Programm auf einen Blick.

Beitragsbild: Sharon Mccutcheon auf Unsplash

Friedliche Musik mit Makel: Homophobie im Reggae

Sonnenschein, Karibik, chillen, tanzen, vielleicht Liebe und Fröhlichkeit: Das sind mögliche Assoziationen, die einem zum Reggae einfallen können. Homophobie ist vielleicht das letzte, woran man denken würde. Dass dies aber im Reggae durchaus vorkommt, zeigte der Jura-Student Peter Madjarov bei seinem Vortrag am 10. November im Rahmen der Aktionstage gegen Sexismus und Homophobie.

“Genau so wenig, wie man Homophobie im Reggae, der Musik, bei der alles so friedlich ist, vermuten würde, würde man solche Äußerungen an einer Universität vermuten”, leitet Peter ein. In seinem Vortrag gab er einen Überblick über die Entwicklung dieser Musikrichtung, über die Gesellschaft in Jamaika, dem Geburtsland des Reggaes und wie mit dieser Thematik in Deutschland umgegangen wird.

Nur ein kleiner Teil der Texte homophob

Homophobie im Reggae gibt es, so wurde es aus dem Vortrag deutlich.

Zuerst spielte er einen Song von Bob Marley vor, danach das Lied “Chi Chi Man” von der Dancehallgruppe T.O.K. Mit dem Songtitel werden Homosexuelle bezeichnet, in dem Song werde dazu aufgerufen, sie zu verbrennen. Neben den Liedeinlagen stellte Peter, der Mitglied des Arbeitskreises Kritischer JuristInnen ist, die Hintergründe der Musikrichtung dar. “Jamaika erreichte 1962 die Unabhängigkeit”, referierte er, “Es kam zu einer Vermischung verschiedener Musikstile. Die Themen waren vor allem Spaß und Liebe.” Die fröhlichen Lieder wurden zunehmend politischer, aber Homophobie habe da noch keine Rolle gespielt. Erst zu Beginn der 80er Jahre kam dies auf, in den 90er Jahren sind ganze Lieder als homophob einzuordnen. Den Höhepunkt solcher Äußerungen erreichte die Bewegung 2002. “Aber”, so betonte der Vortragende, “ist gleichwohl nur ein kleiner Teil der Texte homophob.” Eher die Bereiche Liebe, Politik und Drogen werden thematisiert.

Doch woher kam die Wende? Peter Madjarov stellte den etwa 20 Zuhörern die Gesellschaft in Jamaika auszugsweise vor. Es wurde deutlich, dass es ein Land mit hoher Armut, Gewalt und Korruption handelt. “Der Geschlechtsverkehr zwischen Männern war seit der britischen Kolonialzeit strafbar und wurde mit zehn Jahren Haft bestraft”, erläuterte der Referierende. Auch die strenge Bibelauslegung der als eher konservativ einzuschätzenden Jamaikaner, 90 Prozent sind in der evangelischen Kirche, sei ein Grund. Ein weiterer Aspekt sei, wie Peter darstellte, die Sprache. Im Reggae dominiert “Patwa”, das einige Abweichungen zum Standardenglisch aufweise. Das Patwa weise eine starke Metaphorik auf. “Feuer wird beispielsweise genommen, um zu verdeutlichen, dass man gegen etwas ist”, erläuterte Peter. Außerdem sei hier eine Kultur der Übertreibungen und Angeberei festzustellen. Weiterhin stellte er, dass zwischen 1997 und 2004 etwa 30 homophob motivierte Morde auf Jamaika gab.

Als bekanntestes Beispiel führte Peter Madjarov den Reggae-Sänger Sizzla an, der etwa 13 oder 14 homophobe Lieder veröffentlichte, von denen die meisten auf dem Index für jugendgefährdende Medien seien. Besonders sein Lied “Nah Apologize” von 2005 zeigt, dass er sich nicht bei dem “Batty-Boy”, das als Synonym für Homosexuelle hier verwendet wird, entschuldigen wird und dass diese lieber brennen sollen. In Europa, besonders in Deutschland, wurden daraufhin zahlreiche Konzerte von den Veranstaltern abgesagt. Ebenfalls wurde gegen ihn ein Einreiseverbot nach Europa verhangen. Nach fast zwei Stunden beendete Peter Madjarov mit vielen Informationen, Liedbeispielen und Exkursen seinen Vortrag. Die Zuhörer wussten nun, dass man auch mehr mit dem Reggae verbinden kann – aber die Assoziationen mit Sonne und Fröhlichkeit sind nach wie vor naheliegender, zeichnet sich doch eher ein kleinerer Anteil der Texte mit homophoben Inhalten aus.

Foto: Christine Fratzke