Eine Reportage von Paul Zimansky, Ole Kracht und Marco Wagner
Im ehemaligen Café Hollerbusch in der Brinke hängt ein kleines schwarz-rotes Fähnchen über der Tür. Ursprünglich hatte die Fahne wohl noch eine dritte Farbe darunter. Doch die wurde abgeschnitten. Am Kamin prangen diverse Solizettel, die Wand ist mit Fotos der Brinke bestückt. Ein Aufsteller weist auf Veranstaltungen im IKuWo, KLEX und anderen alternativen Zentren hin. An der linken Wand, an der sich einst die Anrichte des Cafés befand, steht nun ein Bücherregal. Darüber ein Plakat, das zur Solidaritätsdemo aufrief. Auf einem grünen Ecksofa stapeln sich inzwischen die Schlafsäcke derer, die im Haus übernachten wollen.
Räumung nach zwei Monaten
Etwa zwei Monate harrten zehn Menschen in diesem Haus aus, um den Abriss des über 150 Jahre alten Gebäudes durch den Eigentümer und Investor Roman Schmidt zu verhindern.
„Offiziell soll um acht geräumt werden. Allerdings kommt es oft vor, dass die Polizei bereits einige Stunden früher da ist. Deshalb mobilisieren wir zu um drei, damit alle da sein können“, heißt es von einer Aktivistin. Draußen vor der Tür hält die 24-Stunden Mahnwache noch bis zum 27. November Stand. Eine alte Öltonne, die noch von den Protesten gegen den Castortransport in Lubmin übrig geblieben ist, spendet den draußen Sitzenden Wärme, während man es sich auf den zahlreichen Matratzen, Kissen und einem schwarzen Ledersofa gemütlich machen kann.
Zwei Tage später: Die Polizei umstellt um neun Uhr morgens das Gebäude. Halb zehn ist ohne Presseausweis kein Durchkommen zur angemeldeten Mahnwache mehr möglich. In einem Bericht des Arbeitskreises Kritischer Jurist_innen (AKJ) heißt es, dass dies ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz Seitens der Polizei sei.
Rammbock, Schutzschilde, Feuerlöscher
Ab 9.30 Uhr stehen Beweis- und Festnahmeeinheit mit Rammbock, Schutzschilden, Kuhfüßen und Feuerlöschern im Hinterhof der Polizeiwache, um die Räumung durchführen zu können. Eine halbe Stunde später dringen etwa 30 Menschen der Beweis- und Festnahmeeinheit mit Hilfe mehrerer Leitern über die benachbarten Innenhöfe auf den Hinterhof der Brinkstraße 16/ 17 ein. „Tür für Tür wurde alles aufgebrochen. Nach etwa anderthalb Stunden begann die Polizei alle Besetzer rauszuholen und sie unverletzt direkt über die Mauer zur Polizei zu tragen. Zunächst wurden fünf Besetzer rausgeholt; danach die zwei Mädels, die sich an ein Rohr ketteten“, berichtet ein Augenzeuge. Beide können jedoch erst um 14 Uhr aus dem Gebäude geholt werden, da sich das Loslösen als recht schwierig erweist. „Kommt freiwillig vom Dach, sonst haben wir Leute, die euch dann runter holen“, ruft derweil die Polizei den Aktivisten, die das Dach besetzen, zu. Die Besetzenden weigern sich. Anschließend setzt die Polizei Einheiten der Höhenrettung ein.
Bagger macht kurzen Prozess
16 Uhr: Der Bagger dringt in den Innenhof der Brinkstraße ein, um mit den Abrissarbeiten, im Polizeijargon als „Sicherung des Gebäudes“ bezeichnet, zu beginnen. Beim Eindringen in den Innenhof wird ein Teil des Daches des Bioladens gestreift, die Stromleitung zum Bioladen getrennt. „Während der Abrissarbeiten war die Gasleitung nicht abgestellt“, berichtet eine Aktivistin. „Als die Stadtwerke am Tag darauf das Gas abstellen wollten, hatten sie nur schwer Zugang zum Gashahn“, meint sie weiter. Innerhalb von vier Stunden waren die Abrissarbeiten am Hinterhof beendet.
Zwischendurch versucht noch eine Frau verzweifelt, den Abriss zu stoppen. „Halt! Anhalten! Anhalten! Das könnt ihr nicht machen! Das könnt ihr nicht machen!“, schreit sie, während sie aus der Mahnwache ausbricht und auf den Bagger zurennt. Sie wird von zwei Beamten weggetragen und von einem weiteren Beamten gefilmt.
Während der Abrissarbeiten ist die Kommunikation zwischen Polizei und Abrissunternehmen mangelhaft. Dies wird durch den Bericht des AKJ bestätigt:
„Polizist_innen befanden sich unmittelbar neben der Schuttabladestelle und liefen Gefahr, von Gegenständen getroffen zu werden. Diese Situation spitze sich zu, als im ersten Stock des Gebäudes Fensterscheiben von innen zerschlagen wurden, und Glasscherben untenstehende Polizist_innen knapp verfehlten. Die darauffolgenden Stopp-Rufe der Polizei stützen den Eindruck einer mangelhaften Kommunikation. Die Fehleinschätzung der Situation und Gefährdung eigener Beamt_innen zeigt, dass der Hinderungsgrund, Demonstrant_innen nicht zur Mahnwache zu lassen, von den Beamt_innen selbst nicht Ernst genommen wurde.“
Drei Stunden nach Beendigung der Abrissarbeiten der Hinterhof- und Garagenbebauung versammeln sich spontan etwa 70 Menschen, um für die Brinkstraße zu demonstrieren. Während des Zuges wird „Brinke bleibt!“, „Miete verweigern, Kündigung ins Klo, Häuser besetzen sowieso“ und „Hopp hopp hopp, Räumungsstopp“ sowie „Schmidt is Shit“ gerufen. Auch wenn der Bioladen in Berufung gegangen ist, dürften jetzt endgültig vollendete Tatsachen geschaffen worden sein. Die Brinke hat seit 1856 alle Zeiten überstanden. Nur Roman Schmidt nicht.
Fotos: Johannes Köpcke (Galerie oben), Daniel Eckardt (zweite Galerie)
Da seid ihr aber spät dran. Und verwendet fragwürdige Methoden. Immer wieder wird der Eindruck erweckt, der Besitzer handle unmoralisch oder gar verwerflich.
Roman Schmidt hat das Haus im Jahre 2012, vor 2 Jahren also, gekauft. Mit dem Ziel, dort 2013 neu zu bauen. Zu diesem Zeitpunkt hätte jedermann das Gebäude kaufen können. Wo waren da die Befürworter des ach so wertvollen Hauses? Die Ausschreibung war öffentlich.
Außerdem ist in der Brinke seit 1856 nicht viel passiert. Eine Sanierung muss immer auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen werden. Ein altes Haus zu sanieren, dauert kaum doppelt so lange und ist fast zweimal so teuer, als ein neues Haus zu bauen.
Schon lange wurde das Haus nicht genutzt. Vor dem Bioladen stand es lange leer. Die Toiletten auf dem Hof, die Geschoßhöhe viel zu niedrig. Auch die Denkmalschutzbehörde verneinte die Schutzwürdigkeit des Hauses.
Auch wenn das hier niemand schreibt. Die Kosten für den Polizeieinsatz sowie die Verfahrenskosten tragen hoffentlich die Besetzer. Dieselben Besetzer, die auf einem Transparent tatsächlich "Anarchie" forderten. Sie hatten Glück, der Besitzer des Hauses hat den rechtsstaatlichen Weg gewählt. In einer Anarchie wäre es ein leichtes gewesen, die Besetzer heraus zu holen. Ein warmes Feuerchen hätte Wunder gewirkt und passt auch sonst gut zur Anarchie.
Der Arbeitskreis "kritischer Juristen", den ihr hier zitiert, disqualifiziert sich mal wieder ganz allein.
Die einseitig verzerrte Betrachtungsweise ist weder kritisch noch juristisch. Hier wird Ursache und Wirkung verwechselt. Jeder Jurist, als Organ der Rechtspflege, muss anerkennen, dass die bewerten Handlungen eine Folge der unrechtmäßigen Handlungen durch die Besetzer waren. Wo ist die Bewertung des durch die Besetzer begangenen Unrechts, die diesen Polizeieinsatz erst erforderlich gemacht haben. Denn die Ursachen für diesen Polizeieinsatz sind bei den Besetzern zu suchen, nicht beim Besitzer des Hauses.
Roman Schmidt hatte keine Alternative. Er hat ordentlich und rechtsstaatlich gehandelt um sein bürgerliches Recht durchzusetzen.
Artikel 14 GG: "Eigentum verpflichtet" – zu mehr als nur Profitgier.
Zum Beispiel zum Abriss einer maroden Bruchbude und der Errichtung von neuen Wohnungen …
Wenn man vom Artikel 14 mehr als Absatz 2 Satz 1 lesen würde, dann würde man auch klüger. Aber das will man ja garnicht
Es ist schon bemerkenswert, dass du offensichtlich von Jura keine Ahnung hast, aber mit geschliffener Sprache so tun willst als ob. Hoffentlich verraten die "bewerten Handlungen" (was ist das? "bewährten", weil es schon immer so gemacht wird?) auch einem Nichtjuristen/einer Nichtjuristin, dass man bei deinen Worten skeptisch bleiben sollte. Und weiter: "Jeder Jurist, als Organ der Rechtspflege" – vielleicht hast du ja mal was mit Jura zu tun gehabt und irgendwo gehört, dass nach herrschender Auffassung eine Rechtsanwältin/ein Rechtsanwalt ein Organ der Rechtspflege ist. Aber sicher nicht "jeder Jurist"!
Aber lassen wir diese eher formellen Punkte, entscheidend ist: du forderst Anerkennung dafür, dass die Handlungen (ich vermute mal, du meinst die der Polizei) eine Folge von unrechtmäßigen Handlungen der Besetzer waren. Ja und? Darf die Polizei machen, was sie will, nur weil andere zuvor unrechtmäßig gehandelt haben? Das, was du hier andeutest, ist kein Rechtsstaatsdenken, sondern Polizeistaatsschrecken.
Dein Rechtsstaatsgesäusel entlarvt sich hier also als politische (und eben nicht juristische) Stellungnahme. Und es erscheint mir wichtig, diese beiden Ebenen auseinander zu halten. Klar hat Schmidt auf rechtsstaatlichem Wege einen Räumungstitel erwirkt. Aber das hat eben mit der politischen Debatte um die Brinke nichts zu tun, alternativlos war da nix. Es hätte auch andere Lösungen geben können.
Im Übrigen empfehle ich dir, auch einmal zu hinterfragen, ob denn wirklich alle Menschen deinen unbedarften Anarchie-Begriff teilen oder ob das Anarchie-Statement auf der Brinke vielleicht etwas anderes bedeutet hat als das am Stammtisch beliebte Chaos. Auch zur Geschichte und zur Nutzung der Brinke besteht noch großer Nachholbedarf. Erkundige dich mal, was für Gewerbe über jahrzehnte in der Brinke betrieben wurden und ob die letzten Wohnraummieter*innen ihre Wohnungen verlassen haben, weil sie s wollten oder weil sie es mussten…
"Im ehemaligen Café Hollerbusch in der Brinke hängt ein kleines schwarz-rotes Fähnchen über der Tür. Ursprünglich hatte die Fahne wohl noch eine dritte Farbe darunter. Doch die wurde abgeschnitten. "
Es kommt zusammen, was zusammen gehört. 🙂 Dir zu antworten ist müßig, Eure Leute halten beide Augen fest geschlossen.
Die Polizei hatte keine andere Wahl. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip definiert sogar, warum Eure angemeldete Mahnwache im Zuge der Räumung etwas gestört wurde.
Da verschweigen die blinden Juristen einfach den legitimen Zweck der Maßnahme.
„Kollidierende Interessen, Freiheiten oder Rechtsprinzipien werden nur dann in ein angemessenes Verhältnis zueinander gesetzt, wenn und soweit das zu wahrende Interesse, Freiheitsrecht oder Rechtsprinzip schwerer wiegt als das ihm aufgeopferte.“
Kurzum: Es gab keine Alternative. Und das wird von der Gegenseite auch nie bestritten. Mehr als schwammige Worte kamen einfach nicht. Roman Schmidt hat ein ganzes Jahr seine Pläne verzögert. Und anfangs war er durchaus bereit, das Grundstück zu tauschen.
Aber es stellte sich schnell heraus, dass es sich um weltfremde Forderungen handelt, die unmöglich zu einem positiven Ergebnis führen konnten. Womit wir wieder bei der eingangs zitierten Fahne wären.
P.S. Lieber Peter, es ging um die bewerteten Handlungen. Hätte man erkennen können. Was für ein Glück, dass Du und Dein Arbeitskreis nie Fehler machen.
Kurze Nachfrage… wer sind jetzt "eure Leute"?
Vielleicht sei mir in diesem Zusammenhang die Bemerkung gestattet, dass die Besetzung der Brinke und das Drumherum bei ein paar Leuten, die sich sonst auch eher im links-alternativen Spektrum verorten, auf -sagen wir mal- eher verhaltene Ressonanz gestoßen ist. Das könnte vielleicht im allgemeinen "Hippie-Bashing" etwas untergehen.
In Sachen jounalistischer Nachwuchs schwant mir nichts Gutes, wenn ich allein die Überschrift dieses Artikels hier lese, die dem geneigten Leser wohl sagen soll:
Hört mal her, da gibt es dieses uralte Häuschen in der Greifswalder Vorstadt, ein Kleinod hanseatischer Baukunst, über Jahrzehnte – ach was – Jahrhunderte Sitz altehrwürdigen Gewerbes. Alle Greifswalder kennen und lieben es, nennen es liebevoll nur: Brinke. Zwei verheerende Weltkriege haben ihr nichts anhaben können. Und auch die DDR, die ja noch jede ostdeutsche Altstadt dem Verfall oder dem Abriss preisgegeben hat, hat es nicht vermocht, die Widerstandskraft dieses kleinen Gemäuers zu erschüttern. Und dann kam der Mann aus der Kälte, der Investor. Alles, was er hat, ist Geld. Alles, was er will, ist: mehr Geld. Profitgier ist seine Triebfeder, fremd ist ihm das Gemeinwohl. Bediente sich einer ohne Sinn drauflos prügelnden Bütteltruppe und schickte die Planierraupe durch das von der Lichter- und Menschenkette rechtschaffener Anwohner beräumte und nun vollkommen wehrlose Häuschen. Und so war es um sie geschehen. Die Brinke ist nicht mehr.
Man fragt sich, warum sich das Volk nicht erhebt, wenn das Recht so mit Füßen getreten wird. Sind wir alle schon so sediert? Ist die Gesellschaft innerlich schon so verrottet, dass sie diese Zustände widerstandslos hinnimmt? Wo bleibt der Aufschrei? Haben wirklich nur noch diese jungen Leute mit den bunten Haaren und den manchmal etwas "abgetragen" wirkenden Anziehsachen diesen ungetrübten Blick auf das, was aus uns und unserem Gemeinwesen geworden ist: eine herzlose, egoistische Profit- und Konsumgesellschaft?
It seems, I've got some thinking to do…
Mit neutral gehaltenen Überschriften, oder scheinbar neutral gehaltenen Überschriften und neutral gehaltenen Texten kann man nur informieren, aber keine Diskussionen provozieren, bei denen pro-contra-Meinungen messerscharft voneinander zu trennen sind, sich die Leser aufregen, oder aber sagen: Ja, genau so ist's. Journalismus dient nicht nur der Information, sondern auch der Meinungsbildung. Und Meinungsbildung hat auch mit eigenem Denken zu tun. 😉
Und was den journalistischen Nachwuchs betrifft: Unter Nachwuchsjournalisten braucht es immer auch welche, die provozieren, anstatt ausschließlich zu informieren. Schließlich werden Henryk M. Broder und Jakob Augstein auch nicht ewig leben (Ich gehöre übrigens nicht zum journalistischen Nachwuchs. 😉 ) – Wer würde dann Journalismus erst richtig interessant machen?!
Wo liegt denn dann die Grenze zwischen Journalismus und Propaganda?
In wie weit wird das "eigene Denken" durch gezieltes Weglassen und Arrangieren von Information manipuliert.
Was ist mit den Verstößen gegen das Gesetz, die von den Befürwortern der Brinke begangen wurden? Warum verschweigt man hier, dass auch Ermittlungsverfahren gegen Brinke Befürworter laufen, u.A. auch wegen Verstoß gegen das Versammlungsrecht?
Und zu guter letzt die Frage ob die Brinke am Käufer Schmidt gescheitert ist, der ja von Anfang an abreißen und neu bauen wollte…
oder am Verkäufer der Brinke, der ja wusste, das abgerissen und neu gebaut werden sollte…
Liegt der "wahre Skandal" nicht darin, dass es die Hansestadt Greifswald war, die dieses Kleinod der menschlichen Kultur an den kapitalistischen Baulöwen Schmidt verscherbelt hat obwohl klar war, dass damit DAS Wahrzeichen der Hansestadt Greifswald verschwinden wird?
"Journalismus dient nicht nur der Information, sondern auch der Meinungsbildung."
Dazu ist eine neutrale und ausgewogene Berichterstattung notwendig. Das hier ist billige Propaganda und kein Journalismus mehr. Persönliche Meinungen gehören in Kommentare oder private Blogs.
Provokation um Diskussionen anzuregen? Doch wohl eher um die eigenen politischen Ansichten unter die Leute zu bringen …
"billige Propaganda"… meine Güte, krieg dich wieder ein!
Oder willst du deine Texte, in denen du anderen Leuten öffentlich Veruntreuung gebrauchter Sofas unterstellst und deinem Sozialneid freien Lauf lässt, als "Propaganda" bezeichnet wissen?
(Aber immerhin machste es auf deinem hauseigenen Spießerblog, stimmt schon.)