IMG_7454Ein Kommentar.

Den ganzen Samstagnachmittag wummerte es in der Greifswalder Innenstadt. Die RoSa WG demonstrierte mit viel Bass und immerhin über 100 Leuten ihre Bedeutung für die Stadt. Klar ist, dass die überraschende Kündigung des Eigentümers für das Gebäude, in dem der Club weilt, für die Betreiber und für das Nachtleben Verluste bedeutet. Aber beim Kampf um das Weiterbestehen wird seit Wochen ein Tanzbär zum Elefanten aufgeblasen. Ein Aufreger. 

Man hört oft, dass mit der RoSa WG „studentische Kultur“ gegen private Profitinteressen stünde. Aber die RoSa WG ist letztlich ebenso ein Privatunternehmen, selbst wenn ein Club die coolere Investition ist. Wie man aus einem Gebäude, bei dem sich bis vor kurzem niemand am geplanten Abriss gestört hat, eine „Freiraum-Debatte“ machen kann, ist auch beachtlich. „Aktuell sichert die WG 12 Arbeitsplätze und ist damit eine wichtige finanzielle Stütze für junge Menschen in der Ausbildung oder im Studium“ heißt es in der Petition gegen die Kündigung. Da schafft das Einkaufszentrum vermutlich mehr – ob man es braucht oder nicht. 

Haben wir nicht außerdem „echte“ Studentenclubs, in die Semesterbeiträge fließen und in denen dafür Bier und Eintritt günstig sind? Ja, aber in Mensa & Co laufen jede Woche die gleichen Hits, „DJ Notlösung“ legt auf. Das Trinken-Tanzen-Baggern-Milieu ist zufrieden, alle anderen nicht. Auf der Clubs-U-Night und diversen Hoffesten spielten in diesem Sommer entweder „Aufjedenderbe“ oder „Pete&Kloppenburg“ – oder beide. Gute Ideen kommen schon lange von privaten Initiativen wie dem CKKT, Julybooking oder eben der RoSa WG. Kein Wunder also, dass deren drohendes Ende so einige auf die Barrikade bringt, und sich auch die Leistungsträger studentischen Engagements einschalten und die RoSa WG als „studentische Kultur“ proklamieren.

Stürzen bald ganze Stadtviertel ein?

Die dazugehörige Bürgerinitiative gegen das geplante Einkaufszentrum heißt „Rettet die Innenstadt und die Fleischervorstadt“. Das Anliegen kann ich gut unterstützen, aber ich frage mich, warum gleich zwei ganze Stadtviertel gerettet werden müssen. Nun macht man sich auch für die RoSa WG stark. Einmal mehr darf sich das Studierendenparlament solidarisieren und die „Critical Mass“-Treffen werden für eigene Anliegen vereinnahmt. Das ist eine beachtliche Mobilisierung. Aber warum man zusammen eine Petition startet und es dann immer wieder heißt, man habe nichts miteinander zu tun, versteh ich nicht.

Eben jene Petition zur Erhaltung der RoSa WG trägt den Titel: „Kultur darf nicht sterben!“ Ich finde, das ist doppelt Quatsch. Zum einen suggeriert es, in Greifswald sei die Kultur in Gefahr. Das stimmt so nicht. Die RoSa WG ist von mir aus auch ein Teil der Kultur – Subkultur. Aber bei vielem anderen, was hier in Greifswald noch Kultur ist, kann von „sterben“ keine Rede sein: der neue Literaturfrühling ist ein Beispiel, quicklebendig sind auch die Jahr für Jahr laufenden Festivals wie Bachwoche, PolenmARkT oder Nordischer Klang. Zum Anderen war immer klar, dass die RoSa WG aus dem Wittcall-Haus wieder raus muss. Dann wäre sie wohl so oder so gestorben. Geboren wurde sie aber ohne Haus, also wird sie auch nicht mit ihm sterben. Überlebenstraining gibt es sonst beim Club 9.

Es wird mobilisiert, als stünde wieder Wallenstein vor den Toren. Doch eigentlich möchten ein Greifwalder Club und seine Freunde nur nicht hinnehmen, dass der Mietvertrag gekündigt wurde. Wer für sich beansprucht, halb Greifswald retten zu können und Kultur vor dem Sterben bewahren zu wollen, sollte sich meiner Meinung nach außerdem für die Turmsanierung der Marienkirche, eine Zukunft des Sibylla Schwarz-Hauses oder gegen die geplante Fusionierung des Theaters einsetzten.

Foto: Markus Teschner