Die Psychologin Professor Hannelore Weber ist seit Februar 2013 Rektorin unserer Universität. Mit moritz sprach sie über ihre Arbeit, finanzielle Probleme der Universität und Frauenförderung.
Ist Ihnen das Ausscheiden aus dem regulären Lehr und Forschungsbetrieb des Psychologischen Instituts schwergefallen?
Sehr schwer. Ich habe um die Entscheidung gerungen, ob ich mich zur Wahl als Rektorin stellen und damit mein altes, akademisches Leben hinter mir lassen sollte. Das waren wie zwei Seelen in meiner Brust. Ich bin mit großer Leidenschaft Hochschullehrerin gewesen. Momentan betreue ich noch Diplomarbeiten am Institut für Psychologie und habe meine Arbeitsgruppe dort. Es überfällt mich ein wenig Wehmut, wenn ich ab und an ins Institutsleben eintauche. Mal wieder die Zeit für Forschung haben, das wäre schon schön.
Was waren die ersten Herausforderungen in Ihrem Amt?
Wenn ich mich früher für Vorlesungen vorbereitet habe, dann habe ich mir Zeit genommen und auch nehmen können. Stundenlang. Nun bin ich mit einer Vielfalt von neuen Aufgaben konfrontiert, sowohl was die internen Vorgänge an der Universität betrifft als auch die vielen Außentermine, die sich aus der Zusammenarbeit mit der Politik, mit anderen Hochschulen und Institutionen ergeben. Die schiere Menge an Fragestellungen und Aufgaben lässt mir nicht mehr die Zeit wie früher, sich intensiv mit einer Sache auseinanderzusetzen. Dieses v
eränderte Zeitmanagement ist eine neue Herausforderung für mich.
Wie sieht ihr Alltag als Rektorin aus?
Wenn ich Auszüge aus einem Arbeitstag durchgehe, wird das schnell deutlich. Nun ist es 11 Uhr. Gleich im Anschluss folgt ein Berufungsgespräch, wobei es darum geht, eine junge Kollegin für eine Professur an der Universität für den Bereich Gender Studies zu gewinnen. Danach fahre ich zur Universitätsmedizin zu einem Treffen mit Vertretern der Euroregion Pomerania. Dort geht es um grenzüberschreitende Projekte zwischen Polen, Schweden und Deutschland. Letzte Woche war ich in diesem Zusammenhang in Stettin und habe die Medizinische Universität besucht, die großes Interesse an einer Kooperation mit Greifswald hat. Später am Nachmittag steht die Suche nach privaten Förderern an, die wir gewinnen wollen, um möglichst viele Deutschlandstipendien für engagierte und begabte Studierende verteilen zu können. Im Anschluss werde ich im Institut für Psychologie an den Vorbereitungen einer Tagung mitarbeiten. Heute Abend treffe ich mich noch mit einer Gutachtergruppe des Verbundes der Norddeutschen Universitäten, die morgen die Universität besuchen wird und sich unser Qualitätsmanagement hinsichtlich der Lehre ansieht.
Eines Ihrer Forschungsgebiete umfasst die Regulation von Stress und Emotionen. Hilft Ihnen Ihr Fachwissen sich zu entspannen?
Es hilft schon. Allerdings ist es häufig so, dass man zwar die Theorie und relevante Forschungsergebnisse kennt, sie aber vergisst, wenn man mitten im Alltag gefangen ist. Dann fehlt bisweilen die Zeit, die nötige Distanz zu bekommen und sich zu sortieren. Wenn eine Anforderung sehr schnell auf die Nächste folgt, muss man lernen, diese Reflexionsphasen einzubauen, um dann wieder effizient und angemessen handeln zu können.
Der Nordkurier hat vor wenigen Tagen geschrieben, dass das Defizit der Universität im laufenden Haushaltsjahre 6, 8 Millionen Euro beträgt. Stimmt das?
Wir haben ein strukturelles Defizit. Wie groß das Defizit jedoch letztlich wird, hängt davon ab, inwieweit wir zusätzliche Kosten, zum Beispiel durch Tarifsteigerungen für Mitarbeiter oder steigende Energiepreise, v
om Land erstattet bekommen.
Welche Lösungsansätze sehen Sie, wenn das Land das Defizit nicht in voller Höhe ausgleicht?
Wenn das Land nicht ausgleicht, werden wir nicht umhin kommen, im Personalhaushalt zu sparen, indem wir beispielsweise freiwerdende Stellen nicht sofort neu besetzen können, sondern erst nach einigen Monaten. Die mangelnde finanzielle Ausstattung wird sich verschärft in den kommenden Jahren stellen. Wir hoffen, dass unser Bildungsminister in den Gesprächen zum Doppelhaushalt 2014/2015 möglichst viel bei der Finanzministerin für die Hochschulen herausholen kann. Wenn das nicht gelingt, werden wir uns überlegen müssen, wie wir die Öffentlichkeit auf die die drängenden Probleme der Universitäten aufmerksam machen. Dann müssen wir eventuell auch auf die Straße gehen. Mit Ihnen.
Werden Sie sich für eine weitere Erhöhung der Professorinnen-Quote an der Universität starkmachen?
Das ist für mich ein großes Anliegen, weil sich Greifswald im bundesdeutschen Vergleich hinsichtlich des Anteils von Hochschullehrerinnen an den Professuren deutlich unter dem Durchschnitt befindet. Deshalb haben wir uns auch entschieden, an dem „Professorinnen-Programm“ teilzunehmen. Dabei werden vom Bund zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt, wenn eine
ausgeschriebene Professorenstelle durch eine Frau besetzt wird. Als eine Art Eintrittskarte für die Teilnahme an diesem Programm haben wir ein Gleichstellungskonzept eingereicht. Dieses wird momentan begutachtet.
Wie beurteilen Sie die aktuelle, politische Debatte um die Frauenquote?
In dieser Hinsicht habe ich, wie viele andere mir bekannte Frauen in Führungspositionen, meine Meinung geändert. Ich habe lange Zeit geglaubt, dass wir das auch so schaffen und dafür nicht unbedingt eine Quote brauchen. Immerhin hat sich beispielsweise die Anzahl der promovierenden Frauen deutlich erhöht. Auf der anderen Seite finde ich den internationalen Vergleich alarmierend. In anderen Ländern sind bereits deutlich mehr Frauen in der Führungsebene vertreten als in Deutschland. Den Glauben, dass wir schon irgendwann dort ankommen werden, habe ich leider verloren. Deshalb denke ich schon, dass wir eine Frauenquote brauchen, vor allem in der Wirtschaft.
Aber trifft das auch für den universitären Bereich zu?
Bei Professuren macht Quote keinen Sinn, weil die Auswahl durch die Qualifikation bestimmt wird. Ich würde jedoch zumindest erwarten, dass sich nach dem sogenannten „Kaskadenmodell“ der Anteil an Frauen an den Professuren in dem Maße erhöht, wie sich auch der Anteil der Frauen mit der dazu nötigen Qualifikation erhöht, entweder durch eine Juniorprofessur oder eine Habilitation.
Wie wichtig ist für Sie eine familienfreundlichere Universität?
Eine familienfreundliche Universität ist ein wichtiger Faktor, dass sich Frauen und Männer für eine Karriere an der Universität entscheiden. Auch für einen Mann ist der Job reizvoller, wenn er in einer familienfreundlichen Umgebung arbeiten kann. Es ist ein wichtiger Standortfaktor, da andere Universitäten bei Berufungen mit ihrer Familienfreundlichkeit werben, zum Beispiel mit guter Kinderbetreuung oder Arbeitsplätzen für den Partner, mit Double-Career-Angeboten. Es gibt zahlreiche Universitäten, die viel Geld in solche Angebote stecken; hier schlägt einmal wieder unsere kritische finanzielle Situation zu Buche, sodass uns die Mittel, die wir eigentlich für solche Maßnahmen bräuchten, fehlen.
Was halten sie von einem Kinderraum für die Bibliothek?
Solche Kinderzimmer sind sicher eine sehr interessante Maßnahme.
Hat eine andere Universität in diesem Bereich Vorbildwirkung?
Es gibt Universitäten, die sind im Hinblick auf die Möglichkeiten einer familienfreundlichen Universität vorbildlich, beispielsweise in der Kinderbetreuung oder mit umfangreichen Familienserviceangeboten. Das ist häufig dort der Fall, wo Universitäten, zum Beispiel im Rahmen der Exzellenzinitiative, sehr viel Geld bekommen haben.
Denken Sie, dass Universitätskarrieren auf dem Weg zur Professur familienfreundlicher werden müssten?
Die Voraussetzungen für eine Universitätskarriere sind ein großes Problem im Hinblick auf Familienfreundlichkeit. Die Karriere verlangt hohe Mobilität, meist auch Auslandsaufenthalte. Das ist wissenschaftsfreundlich, da es im Rahmen einer globalisierten Forschung wichtig ist, mehrere Universitäten zu kennen, aber das ist nicht unbedingt familienfreundlich. Es ist ein Dilemma. Hier stehen sich zwei Forderungen gegenüber, und es ist sehr schwierig, dort eine Lösung zu finden.
Wie wichtig finden Sie das Landschaftsökologiestudium für die Universität?
Das ist ein absolut attraktiver Studiengang für die Universität Greifswald und wir tun alles, um diesen Studiengang zu fördern und zu erhalten.
Die Ausschreibung der Umweltphilosophie Professur ist aber zuletzt zweimal im Fakultätsrat gescheitert.
Die Stelle wird jetzt ausgeschrieben.
Die Universität Greifswald bietet noch Diplomstudiengänge an, obwohl es diese nicht mehr geben sollte. Wie wird es mit diesen Studiengängen weitergehen?
Das kann ich nicht beurteilen. Bis jetzt gibt es keine Anzeichen, hier irgendetwas zu ändern.
Also wird auch Psychologie weiter auf Diplom angeboten?
Nein, die Umstellung der Psychologie steht zum Wintersemester an. Wir werden den Diplomstudiengang auf einen Bachelor Studiengang mit acht Semestern Regelstudienzeit und einen zwei semestrigen Master umstellen.
Falls das Haushaltsdefizit in den nächsten Jahren weiter ansteigt und nicht durch das Land ausgeglichen wird, halten Sie dann Kürzungen nach dem Rasenmäher-Prinzip oder eine weitere Fokussierung der Universität für sinnvoller?
Wenn wir überleben wollen, dann können wir nicht nach dem Rasenmäher-Prinzip kürzen. Wir werden in einem Wettbewerb stehen, in dem wir funktionstüchtige einzelne Einheiten erhalten müssen. Das heißt, wir werden dann noch einmal in eine Strukturdiskussion einsteigen müssen.
Das heißt, es kann dann auch wieder zu Institutsschließungen kommen?
Wenn es Strukturdiskussionen geben muss, dann wird sich sicherlich noch einmal die Frage von Institutsschließungen stellen.
Aus den Reihen der Geisteswissenschaftler kommen Klagen, dass es ihnen schlecht gehen würde. Muss die Situation der Geisteswissenschaftler verbessert werden?
Den Geisteswissenschaftlern geht es nicht schlechter als den anderen. Wenn man auf die Ebene der Institute runter geht, gibt es größere und kleinere Institute auch an anderen Fakultäten. Die Strukturen, die gegenwärtig existieren, sind finanziert, wenn auch mit den Einschränkungen, über die wir anfangs gesprochen haben. Wir bekommen jetzt generell Probleme, weil es Kostensteigerungen in bestimmten Bereichen gibt, die nicht aufgefangen werden.
Wenn man sich die Spitzenforschungsprojekte der DFG anschaut, sieht man da bundesweit zahlreiche Geisteswissenschaftliche Projekte. Die Greifswalder Geisteswissenschaften sind hier unterrepräsentiert, hier gibt es nur ein geisteswissenschaftliches Graduiertenkolleg.
Aber immerhin es gibt ein Graduiertenkolleg! Das ist die gute Nachricht und nicht selbstverständlich: Hochschulen wie die Freie Universität in Berlin, die für einzelne Fachgebiete wirklich große Institute haben, fällt es natürlich leichter, große Forschungsverbünde einzuwerben. Aber die DFG fördert auch kleinere Projektverbünde, wie Forschergruppen mit beispielsweise sechs oder sieben Wissenschaftlern, oder auch Forschungsvorhaben einzelner Wissenschaftler. Man kann also auch mit kleinen Strukturen erfolgreich sein.
In den Naturwissenschaften haben sich ja mehrere kleine Institute für größere Forschungsverbünde zusammengeschlossen.
Hier wurde auch die Zusammenarbeit mit anderen Universitäten stärker genutzt, beispielsweise wurden in der Physik Sonderforschungsbereiche mit Rostock oder Kiel eingeworben. Der verstärkte Zusammenschluss mit anderen Universitäten ist die andere Alternative, wenn man zu klein ist. Das ist auch ein Konzept für die Zukunft. Wir werden stärker darauf achten müssen, andere Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in gemeinsame Projekte mit einzubeziehen.
Professor Westermann sah als größten Misserfolg seiner Amtszeit, dass die Universität in der Exzellenzinitiative keinen Erfolg hatte. Für wie wichtig halten sie die Beteiligung der Universität Greifswald an eventuellen Nachfolgeprojekten?
Ich gehe davon aus, dass die Exzellenzinitiative in der bisherigen Form nicht weitergeführt wird. Sie hat einzelne Standorte begünstigt, die in der Lage sind sehr große Forschungsverbünde zusammenzustellen. Das können wir in Greifswald nicht leisten, da wir immer vergleichsweise klein bleiben werden, auch wenn wir alles zusammenlegen, was wir haben. Ich erwarte aber, Entwicklung, dass der Bund in anderer Form wieder in die Hochschulfinanzierung einsteigt, und hier müssen wir uns beteiligen. Ein Beispiel, das gerade im Gespräch ist, sind Bundesprofessuren, also Professoren, die vom Bund bezahlt werden. Dort können sich auch Universitäten mit kleineren Schwerpunkten bewerben.
Wie wichtig ist für Sie das Ziel einer umweltfreundlicheren Universität mit dem Ziel der CO2-Neutralität?
Da sind wir auf einem guten Weg, nicht nur mit den Initiativen der Kollegen aus der Landschaftsökologie, sondern auch mit Initiativen aus anderen Bereichen der Universität, vor allem auch aus der Verwaltung. Hier stelle ich mit großer Freude fest, dass auf allen Ebenen der Universität ein großes Engagement da ist, eine nachhaltige Bewirtschaftung zu schaffen. Wir werden das bei einem Umweltaktionstag im Juni vorstellen können.
Wie steht es um die Neueröffnung des C9?
Das Studentenwerk prüft im Moment das alte Heizhaus auf dem Gelände der alten Frauenklinik. Dabei hat sich aber herausgestellt, dass es aufgrund einer Havarie zumindest in Teilen schadstoffbelastet ist. Es wird jetzt mit einem Gutachten abgeschätzt, wie hoch der Sanierungsbedarf ist. Ansonsten halten wir das für einen guten Standort für den Club 9.
Wie wichtig sind die Studentenclubs für die Universität als weiche Standortfaktoren?
Alle studentischen Engagements in diesem Bereich sind wichtig, da wir eine kleine Stadt sind und kommerzielle Anbieter fehlen. Von daher sind die Studentenclubs für den Standort Greifswald enorm wichtig.
Der Hochschulsport hat trotz der jüngsten Investitionen noch mehrere marode Sportstätten. Was wollen sie tun, um die Situation des Hochschulsports zu verbessern?
Hochschulsport steht natürlich auf der Liste. Ich freue mich, dass ein Teil der zurückgezahlten Gebühren für Sportstätten ausgegeben wird, das ist sehr gut angelegtes Geld. Ansonsten ist es wie überall die Frage, wie viel Geld wir bekommen, um die lange Liste unserer Sanierungswünschen abzuarbeiten.
Wo sehen Sie die Universität in zehn Jahren?
In zehn Jahren sehe ich einen Wissenschaftsstandort Greifswald, in dem sich die Universität noch stärker mit den außeruniversitären Einrichtungen vernetzt. Ich sehe auch, dass wir das gewonnene Wissen aus der Universität noch stärker in Anwendung bringen müssen, das heißt noch mehr kleine Firmen ansiedeln, die das Wissen in die Wirtschaft bringen. Stärkere Vernetzung und Transfer sind meine Wünsche.
Wollen Sie auch für verstärkte Industrieinvestitionen an die Universität sorgen. Im Moment kommt ein Großteil der Drittmittel aus Projekten des Bundes.
Wir müssen stärker werden, was Mittel aus der EU-Wirtschaftsförderung angeht, da stehen wir im Vergleich zu der Universität Rostock recht bescheiden da. Aber auch durch Ausgründungen von Unternehmen müssen wir für mehr Investitionen sorgen.
Wie wollen Sie die Universität in ihrer ersten Amtszeit als Rektorin verändern?
Verändern? Wenn es zunächst um etwas geht, dann ist das Erhalten. Kein Rückbau, kein Abbau, Strukturen so erhalten, wie sie jetzt sind. Und zu dieser Erhaltungsstrategie gehört auch, dass wir starke Partner gewinnen: Außeruniversitäre Einrichtungen, Industrie und Vernetzung mit anderen Universitäten.
Das Interview führten Florian Bonn und Friederike Haiser, das Portraitfoto schoss Florian Bonn.