Bühne frei für die Wissenschaft – Das ist das Motto des Science Slams, der knapp sechs Jahre nach seiner Erfindung auch endlich in Greifswald Einzug halten will. Anfang Mai sollen im Studentenclub Kiste junge Forscherinnen und Forscher ihren großen Auftritt wagen. webMoritz hat deshalb erfahrene Slammer zu ihren Motiven befragt, die eigene Wissenschaft vor Publikum zu präsentieren.
„Ich hatte gemerkt, dass die Leute drei Schritte rückwärtsgehen, sobald ich anfange, von meiner Arbeit zu reden“, sagt die Molekularbiologin Julia Offe. Damit wollte sie sich nicht abfinden. „Denn wenn man sich nur ein bisschen Mühe gibt und versucht, es etwas verständlicher und pfiffig verpackt zu erklären, dann entsteht da plötzlich auch viel Interesse und Begeisterung“, so Offe weiter.
Sie gründete daraufhin in Hamburg und weiteren Städten Science Slams, einer Art Poetry Slam für Forscher. „Viele Wissenschaftler stecken enorm viel Zeit und Engagement in ihre Doktorarbeit, doch kaum einer nimmt dann wirklich Notiz davon. Science Slams bieten die Möglichkeit, die eigene Arbeit vor einem größeren Publikum zu präsentieren.“
In Greifswald soll es demnächst auch soweit sein. Im Rahmen der Studententage laden am 2. Mai der AStA und der Studentenclub Kiste zum ersten Science Slam in der Universitäts- und Stadtgeschichte ein. Auf spannende und unterhaltsame Weise soll das eigene Forschungsthema innerhalb von zehn Minuten präsentiert werden. Anschließend wählt das Publikum einen Science Slam Champion.
Sebastian Bartoschek, Psychologe und Wissenschaftsjournalist mit dem Forschungsschwerpunkt Verschwörungstheorien, gehört hier schon zu den „alten Hasen“. An mehr als einem Dutzend Science Slams hat er bereits teilgenommen und einige Male gewonnen. Im Interview spricht er über die Motive und Ängste eines Science Slammers.
Was ist für dich der Reiz daran, ein Slammer zu sein?
Sebastian Bartoschek: Naja, anfangs wurde ich von meinem Redaktionschef dahin geschupst. Aber heute es ist einfach toll. Zum einen zu sehen, wie viel Spaß und Interesse die Menschen im Publikum an Forschung und gerade auch an deiner Forschung haben und zum anderen ist es auch einfach eine schöne Möglichkeit, um maximal in Austausch zu gehen…
Man sollte also Wissenschaftler sein, um als Slammer aufzutreten?
Ja, eigentlich schon, denn man muss eigene Forschungsergebnisse präsentieren. Wobei die Veranstalter nicht drauf schielen, ob und welchen akademischen Grad man hat. Aber es sollen schon eigene Arbeitsresultate sein, die man da vorstellt.
Worin liegt da die besondere Herausforderung, etwa gegenüber dem Vortrag in einem Seminar?
Du hast nur zehn Minuten, jeder soll das verstehen können und es soll unterhaltsam sein… und man will ja schon irgendwie gewinnen.
Du hast schon weit mehr als ein Dutzend Auftritte hinter dir. Wie bereitest du dich auf deine Slams vor oder ist das geheim?
Ich spreche mit meinen Illuminatenfreunden jeweils die Gedankenkontrolltechniken im Detail ab, für meinen Vortrag zu Verschwörungstheorien – außerdem packe ich immer eine Rolle Alufolie ein – und gehe im Geist den Vortrag durch. Manchmal trinke ich auch ein, zwei Bier vorher. Zwei dieser Aussagen sind auf jeden Fall wahr.
Ich lasse die Leserinnen und Leser raten, welche. Eben hast du gemeint, im Mittelpunkt steht die Vorstellung deiner Forschungsthemen. Schauen sich das also vor allem Leute an, die besonders viel mit Wissenschaft zu tun haben oder woher kommt das Publikum?
Hm, das ist eine echt interessante Sache. Das variiert mit dem Rahmen der Veranstaltung. Meist hast du da junge Menschen von Mitte Zwanzig bis Mitte Dreißig – wenn das noch jung ist – sitzen. Ist der Rahmen aber beispielsweise ein edles Theater, dann hast Du da auch tatsächlich die klassische Theaterkundschaft. Aus meiner Beobachtung kann man sagen, dass das Publikum bunt gemischt ist und vor allem mit einem Ziel kommt: einen guten Abend zu haben!
Und keine Angst vor Kritikern?
Wenn gefragt wird, wer bereits auf einem Science Slam war, ist es bei mir auch nach anderthalb Jahren so, dass meist eine Mehrheit noch nie auf einem Slam war. Sprich, es werden immer wieder neue Leute angezogen.
… die Angst darf sich also in Grenzen halten. Klingt so, als ob Science Slams auch eine gute Gelegenheit wären, die eigenen Präsentationstechniken zu üben. Bist du da besser geworden im Laufe der Zeit?
Hm, ich weiß nicht. Ich glaube, es ist eine gute Möglichkeit, immer mehr zu wagen, sich zu trauen, immer noch ein bisschen verrückter zu sein. Ob ich selbst besser geworden bin, fällt mir ganz schwer zu sagen. Naja, abgeklärter bestimmt.
Hast du auch mal Bammel vor dem Publikum und wenn ja, wann?
Ja, definitiv. Wenn das Publikum zu weit weg von der Bühne sitzt. Das ist für mich der Horror, weil ich dann nur wenig Feedback bekomme. Oder wenn Du schon bei den Slammern vor dir merkst: Ach herrje, die sind aber schwer zu begeistern. Dann geht mir schon die Düse. Mir ist die Reaktion des Publikums echt sehr wichtig, und ich glaube, ich bin nur gut, wenn das Publikum gut ist. Das hört sich vielleicht jetzt etwas strange an, ist für mich aber wirklich so…
Wo wirst du denn in der nächsten Zeit sein und auf welchen Auftritt freust du dich am meisten?
Aktuell stehen für mich schon wieder drei Termine fest: am 24. April im „Domicil“ in Dortmund, am 12. Mai im Rahmen der Nacht der Talente und dann am Publikumstag des Weltskeptikerkongresses am 17. Mai – die beiden letzteren in Berlin. Alle drei Auftritte werden total spannend und in gewisser Weise wichtig, weil sehr unterschiedlich. Am wichtigsten ist mir, glaube ich, der 24. April, auch wenn ich noch nicht ganz verraten darf, wieso. Aber was ich sagen darf: 3sat wird dabei sein. Und klar, auch beim Weltskeptikerkongress – vor den Kollegen wird das eine krasse Erfahrung. Am 12. Mai wiederum soll es vor mehr als 1500 Zuschauern sein… alles irgendwie crazy.
Hast du jetzt eventuell noch einen heißen Tipp für potentielle Slammer aus Greifswald auf Lager?
Einfach machen! Enjoy the crowd! Und nicht zweifeln – Wissenschaft macht sexy!
Sebastian, vielen Dank für das Interview!
Lust bekommen? Noch bis zum 25. April läuft die Anmeldefrist für den 1. Greifswalder Science Slam. Mehr Informationen dazu gibt es auf der Webseite der Kiste HGW.
Fotos: privat, keine CC-Lizenz
Flyer: Veranstalter
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