Über zehn Prozent der Greifswalder Studierendenschaft könnten diese Frage mit „Ja“ beantworten. Denn sie haben vom 9. bis 13. Januar 2012 sowohl das Studierendenparlament (StuPa) als auch den Senat und die Fakultätsräte gewählt.

Gähnende Leere erstreckte sich am Dienstag gegen neun Uhr an den Wahltischen des Studierendenparlaments in der Mensa am Wall. Zwei Stunden später sah das ganz anders aus: Die ersten Schlangen bildeten sich an den Wahlkabinen. Auch in der Universitätsbibliothek sammelten sich die Studierenden an den Wahltischen des Senats und der Fakultätsräte.

Einen Erfolg konnte das StuPa verzeichnen, das mit einer Wahlbeteiligung von 14,4 Prozent im Gegensatz zum letzten Jahr die Zehn-Prozent-Marke knackte. Das lag unter anderem an den Öffnungszeiten und Standorten der Wahllokale: 96 Stunden lang hatten die Studenten an vier verschiedenen Plätzen die Möglichkeit, ihre Stimmen abzugeben. Der StuPa-Wahlleiter Henri Tatschner und sein Stellvertreter Kay Nitsch zeigten sich erleichtert: „Wir sind mit der Wahlbeteiligung im Großen und Ganzen zufrieden, zumal wir froh waren, schon am Mittwoch die Zehn-Prozent-Wahlbeteiligung erreicht zu haben, was unser Anspruch für die Wahlwoche war.“

Wahlsiegerin Jasmin Dinter entschied die Wahl mit 539 Stimmen für sich. Sie lag damit vor Henrike Förster und der kommissarischen Vorsitzenden des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA), Anne Lorentzen. Um ihren Platz im StuPa wahrnehmen zu können, wird Anne ihre Postion im AStA aufgeben müssen. Es kandidierten 32 Studenten für die 27 Sitze im StuPa. Diejenigen, die jetzt noch keinen Sitz innehaben, werden wahrscheinlich im Laufe des Jahres nachrücken, da es immer wieder vorkommt, dass StuPisten ihren Sitz aufgeben. So verkündete Henrike kurz nach ihrem Wahlerfolg den Verzicht auf ihren Sitz im StuPa, da sie auch in den Senat gewählt wurde: „Es ist mir lieber, mich zu 100 Prozent im Senat und als Geschäftsführerin im Humanbiologie e.V. zu engagieren, als jede Arbeit nur mit halber Kraft anzugehen“, so die Studentin.

Mit 647 Stimmen erreichte Henrike die meisten Stimmen bei der Senatswahl. Insgesamt bewarben sich 52 Kandidaten auf zwölf Plätze. Auch bei dieser Wahl ist ein Anstieg der Wahlbeteiligung zu vermerken. Betrug diese bei den Studierenden letztes Jahr nicht einmal zehn Prozent, konnten dieses Jahr immerhin 12,2 Prozent verbucht werden. Bei den akademischen und sonstigen Mitarbeitern der Universität lag sie bei 22,2 und 13,4 Prozent. Dagegen nahmen 76,7 Prozent der Professoren ihr Wahlrecht wahr.

Auch bei den Fakultätsräten sind variierende Ergebnisse zu verzeichnen. Die studentische Beteiligung reichte von nur fünf Prozent bei der Rechts- und Staatswissenschaftlichen bis hin zu 17,6 Prozent bei der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät. Auf die Frage, warum sich viele Studierende nicht an der Wahl beteiligten, antworteten Kommilitonen zumeist: „Das bringt doch sowieso nichts.“ Dennoch ist die allgemeine Wahlbeteiligung gestiegen, was sich vermutlich auf die bevorstehenden Rektorwahlen im Oktober zurückführen lässt. Zudem scheint im Vergleich zum Vorjahr wesentlich mehr Werbeaufwand betrieben worden zu sein. Neben Plakaten und Flyern warb der AStA mit Rundmails für den Gang zum Wahllokal.

Außerdem ergänzt der StuPa-Wahlleiter, dass „es sich definitiv lohnt, mit den anderen Gremien zusammen zu wählen.“ Dieses Jahr wurden nämlich auch zahlreiche Fachschaften neu gewählt, wenn auch an anderen Orten. So erfüllte die zentrale Wahlwoche ihren Zweck, mehr Studierende zu den Wahlurnen zu locken.

Doch wenn man bedenkt, dass bei weitem nicht mal 20 Prozent der Studierendenschaft ihre Stimme abgegeben haben, fragt man sich, was die restlichen 80 bis 90 Prozent in dieser Woche so machten.

Ein Bericht von Melanie Fuchs und Luna Kovac

Applaus, Applaus, Applaus

Ein Kommentar von Johannes Köpcke

Die ganze Wahlwoche hindurch begleitete mich ständige Euphorie. Zumindest von Seiten vieler meiner Kommilitonen. Nach der schlechten Beteiligung bei der Wahl zum Studierendenparlament (StuPa) im letzten Jahr, als nicht mal die zweistellige Prozentzahl geknackt wurde, tut das ja auch mal gut. Erste Jubelstürme schon am Mittwoch, als die ominöse Zehn-Prozent-Hürde – pardon, die Prozent-Marke – erreicht und sogar überboten wurde.

Aber halten wir uns doch mal vor Augen, was dieses Ergebnis überhaupt heißt. 14,4 Prozent der Studierendenschaft waren wählen. Gut soweit. Bei einer Gesamtzahl von etwa 12 600 Studenten nahmen letztendlich trotzdem gerade einmal 1 852 ihr Wahlrecht wahr. Warum also dieser Jubel? Können oder müssen wir uns sogar schon mit solch einem Ergebnis zufrieden geben? Nein. Da muss doch mehr möglich sein.

Das Parlament ist gewählt, aber als wirklich legitimiert kann es nicht bezeichnet werden. Das StuPa interessiert einfach niemanden. Zum Teil zu Recht, bei dem einen oder anderen Möchtegern-Politiker. Aber immerhin zahlt jeder von uns pro Semester acht Euro in die gemeinschaftliche Kasse. Offenbar ist den Leuten egal, was damit passiert. Ein anderes Problem ist die geringe Kandidatenzahl. 32 auf nur 27 zu vergebende Plätze. Was soll da schon groß schief gehen, wenn man nicht zur Wahl geht? Über das Jahr kommt eh jeder der Kandidaten ins StuPa.

Wen interessiert’s eigentlich? Lasst uns lieber jubeln und uns auf dem ausruhen, was wir erreicht haben, bis nächstes Jahr das Problem wieder akut wird. Nach uns die Sinnflut.

Namen sind Schall und Rauch

Ein Kommentar von Johanna Düwel

So sagt es der deutsche Volksmund und behält Recht, wenn wir beim Namen der Sieger-StuPistin Jasmin Dinter stutzen, ihr zielstrebiger Blick uns jedoch von ihren Kompetenzen überzeuge. Noch bezeichnender war ein Erlebnis an der Wahlurne, bei welchem eindringlich darauf hingewiesen wurde, das besagte Wahlheft auf keinen Fall mit in die Kabine zu nehmen. Schlimm genug bei dieser undemokratischen Tat erwischt worden zu sein, steht man vor einem weiteren Problem: Wie hießen die Fratzen doch gleich noch mal, die ich wählen wollte?

Eine geschickte Lösung dieses Dilemmas stellt die Methode dar, in einer Liste anzutreten. Bei der Senatswahl waren es Worte, welche gehaltvoller nicht sein konnten. So konstruierte sich beim Gedanken an die „Bürgerliche Allianz“ eine Vielzahl von Bildern. Ein Bündnis vertrauenswürdiger Versicherungsvertreter zu Pferd, angetreten die Tugend und Sittlichkeit zu verteidigen. Die Bezeichnung „Solidarische Universität“ macht es einem da schon schwieriger. Zeigen sich die Kandidaten solidarisch mit unserer Universität? Sollten wir als Wähler uns ihnen und ihren Karriereplänen gegenüber solidarisch zeigen und sie deshalb wählen?
Die positive Konnotation und gleichzeitige Deutungsfreiheit sind ein ausgezeichnetes Beispiel für die Missverständlichkeit politischen Sprachgebrauchs. So dürfen wir uns wohl auch in Zukunft an sinnträchtigen Listennamen und ewig gleichen Forderungen erfreuen.

Mein Vorschlag für die nächste Wahl: „Pro Uni“ für mehr Familie, Kultur und Blumen.

Der Weg als Ziel

Ein Kommentar von Ole Schwabe

Ja, die 14,4 Prozent Wahlbeteiligung bei der diesjährigen Wahl zum Studierendenparlament (StuPa) sind ein Erfolg. Das diesem bekanntermaßen viele Väter nachgesagt werden, trifft auch in diesem Fall zu. Wer sich die um knapp 5 Prozentpunkte gestiegene Partizipation im Vergleich zum Vorjahr auf die Fahnen schreiben kann, ist ebenso unklar wie unerheblich. Entscheidend ist, dass die letztjährigen 9,89 Prozent nicht unterboten wurden.

Wichtiger als bloße Zahlenspiele sind engagierte und geerdete Studierendenvertreter. Zwar sind ihre Einflussmöglichkeiten klein, die Symbolkraft ihrer Entscheidung steigt jedoch direkt mit ihrem professionellen Auftreten nach außen. Rufen wir uns die wirklichen Aufgaben des StuPas, nämlich Heranführung der Studierendenvertreter an politische Gremienarbeit einerseits und die sinnvolle Verteilung der Gelder der Studierendenschaft andererseits in Erinnerung, besteht Grund zur Hoffnung. Freilich müssen dafür parteipolitische Scheuklappen abgelegt, Befindlichkeiten des eigenen Egos hinten angestellt und das satzungsgemäße Arbeiten eingehalten werden.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die neuen und alten StuPisten in Gänze dem Aktenstudium statt dem Pöbeln in Sitzungen widmen. Und, im Gegensatz zu den scheidenden Vertretern, diesen Kurs auch über die gesamte Legislatur beibehalten. Der Charme einer solchen Arbeitsweise besteht auch darin, dem Rektorat gegenüber mit breiter Brust entgegentreten zu können. Die 14,4 Prozent sind da, trotz allen Aufatmens, nur Vorgeplänkel.

 

Fotos von Melanie Fuchs, Johannes Köpcke, Luna Kovac & Simon Voigt