Eine Rezension von Katrin Haubold
Bisons verfolgen, mit den Händen Fische fangen, Schlangennester ausheben – was nach Abenteuer klingt, erlebt der polnische Junge Patryk, als er seine Sommerferien bei seinem Opa in der Wildnis des Bieszczady-Gebirges verbringt. Umgeben von Wäldern und Wiesen wird in Piece of Summer von Marta Minorowicz das Verhältnis zwischen den beiden Darstellern betrachtet: Ein pubertierender Junge zu Besuch bei einem alten Mann – das birgt Konfliktpotenzial. Von dem ist anfangs allerdings nicht viel zu spüren. Im Gegenteil: Die Sonne scheint golden durch die Baumwipfel, die Landschaftsaufnahmen mit Feldern, die von Nebel durchzogen sind, werfen auf die Zurückgezogenheit einen verträumten Blick; der alte Mann allein vor seinem roten Wohnbus unterstützt das romantische Bild ebenso wie das Vogelgezwitscher und der rauschende Bach.
Die Regisseurin Marta Minorowicz arbeitete fünf Jahre beim polnischen Fernsehen und führte Regie bei mehreren Sozialreportagen. Sie machte 2010 an der Andrzej Wajda Master School of Film Directing in Warschau ihren Abschluss. Im selben Jahr brachte sie ihren Dokumentarfilm Piece of Summer (orig. Kawałek lata) heraus. Der Film konnte einige Preise einheimsen, gerade weil er Naturaufnahmen mit der Beobachtung der beiden Darsteller verknüpft. Es scheint, als wären sowohl Patryk als auch der Großvater nicht begeistert davon, die Sommerferien miteinander verbringen zu müssen. Anfänglich noch schweigsam, tauen sie aber nach und nach auf und lassen mit ihren Gesprächen die vorherrschenden Vögel und den Bach zu Hintergrundgeräuschen verkommen. Das beklommene Verhältnis entspannt sich, Großvater und Enkel unternehmen immer mehr miteinander. In 23 Minuten zeigt die Regisseurin die wachsende Bindung zwischen den beiden, lässt dabei trotzdem Konfliktsituationen nicht aus. Die Szenen scheinen willkürlich zusammengestellt, eine zeitliche Abfolge lässt sich schwer erkennen: Ist der Junge eine Woche oder gar einen Monat bei seinem Großvater? Es ist jedenfalls lange genug, dass der Junge dem einsamen, alten Mann ans Herz wächst.
Der Film ist nicht synchronisiert, nur englische Untertitel geben wieder, worüber sich Großvater und Enkel unterhalten. Oft jedoch kommt der Film ohne Worte und nur mit den Hintergrundgeräuschen und Handlungen aus. Irgendwann sind aber auch Patryks Sommerferien vorbei. Er ist fort, zurück bleibt der Großvater: Allein sitzt er vor seinem roten Wohnbus, umgeben vom Wald, Vogelgezwitscher, dem Geplätscher des Bachs – der romantischen, einsamen Idylle.
Regie: Marta Minorowicz, Polen, 2010, 24 Minuten