Jürgen Kohler kämpft weiter um eine juristisch unanfechtbare Hausordnung. Erneut kritisierte der Rechtswissenschaftler im Senat die gegenwärtige Formulierung des vierten Absatzes von Paragraph fünf der Hausordnung der Greifsalder Universität. Der Jurist hält den Absatz auch nach der Ende Mai erfolgten Korrektur für rechtswidrig. Am Ende des öffentlichen Teils der Senatssitzung merkte Kohler an, dass er notfalls auch vor dem Verfassungsgericht klagen würde, wenn sich an dem Absatz nichts grundsätzlich ändert.

Vor einem Jahr hat die Universität Greifswald auf Beschluss des Rektorats ihre Hausordnung dahingehend ergänzt, dass Verhaltensweisen verboten sind, „die die öffentliche Wahrnehmung der Universität als weltoffenes, pluralistisches, freiheitliches und demokratisches Zentrum von Forschung und Lehre beeinträchtigen“ können. Ferner wird in diesem Passus die Verwendung von verfassungsfeindlichen, gewaltverherrlichenden, fremdenfeindlichen und anderen menschenverachtenden Kennzeichen untersagt. Gleiches gelte auch für Verhaltensweisen von Dozenten und Studierende, die „diesbezügliche Missverständnisse“ hervorrufen können.

Äußerungen von Professor Weber gaben Anlass zur Regelung

Dieser Regelung war eine Debatte um Äußerungen und Verhaltensweisen des Jura-Professors Ralph Weber voraus gegangen. Weber sprach sich im Juni vergangenen Jahres während einer Veranstaltung desVerins Deutscher Studenten Greifswald für die Gründung einer neuen Partei rechts der CDU aus und hatte sich in der Vergangenheit mit Matthias Faust (DVU) per Telefon unterhalten und mit Udo Voigt (NPD) getroffen, um zu erörtern, ob diese Parteien als mögliche Partner für eine Gründung in Frage kommen könnten. Darüber hinaus soll er Äußerungen getätigt haben, die auf eine fremdenfeindliche Einstellung schließen lassen können.

Jura-Professor Jürgen Kohler hatte den Beschluss des Rektorats bereits von Beginn an kritisiert, sprach von einem Verfahrensfehler und hat seitdem immer wieder eine Überarbeitung angemahnt. Diese wurde dann auch im Mai 2011 vorgenommen. Doch auch diese aus Sicht von Juraprofessor Wolfgang Joecks „gut gemeinte“  Überarbeitung wurde von Kohler beanstandet. Es folgte ein Beschluss des Senats, den umstrittenen Passus der Hausordnung rechtlich prüfen zu lassen. In dem jüngsten Rektoratsbericht wurde dazu vermerkt, dass  „Paragraph 5 Absatz 4 der Hausordnung erneut rechtlich geprüft worden“ sei. Weiterhin heißt es dazu, dass auch unter Berücksichtigung der Kritik Kohlers dieser Passus „als formell und materiell rechtmäßig zu beurteilen“ sei. Diese Auffassung träfe auch auf die jüngste Fassung des Absatzes zu. Im Anschluss dieser Prüfung durch das Bildungsministerium sehe die Hochschulleitung keinen weiteren Klärungsbedarf, heißt es dazu abschließend im Rektoratsbericht.

Prüfung sei „jämmerlich-bedürftig“

Der Corpus Delicti: Absatz 4 von Paragraph fünf der Hausordnung

Professor Jürgen Kohler sieht das jedoch anders: „Ich kann in Anbetracht dieser Darstellung sagen, dass ich das sehr jämmerlich-bedürftig finde. Das ist nicht die Erfüllung des Auftrags des Senats“, erklärte Kohler besonders scharf formuliert in der  Senatssitzung vom Mittwoch. Unter dem Tagesordnungpunkt „Sonstiges“ setzte der Jurist das Rektorat weiter unter Druck und betonte, die Angelegenheit weiter verfolgen und falls erforderlich bis zum Verfassungsgericht ziehen wolle.

In dem überarbeiteten Passus wird Verhalten untersagt, das die „Fähigkeit“ der Universität dahingehend einschränkt, „ihre Aufgaben als Einrichtung für Forschung und Lehre in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat wahrzunehmen.“ Der Rest des Absatzes blieb unverändert.

Jürgen Kohler kritisierte damals, dass auch diese Formulierung nach wie vor rechtswidrig sei. Schließlich dürfe die Universität keine Regelungen über Parlamentsgesetze hinaus treffen, der Rektor sei inneruniversitär für diesen Teil der Hausordnung nicht zuständig und durch die übermäßige Ansammlung unbestimmter, nicht tatsächlich belastbarer Begriffe könne diese Regelung Missverständnisse von außerhalb hervorrufen. Darüber hinaus werde das Verhältnismäßigkeitsgebot verletzt. Als Neuregelung schlug Kohler damals vor, dass Verhalten verboten sein soll, das „die durch die Verfassung und die verfassungsmäßigen allgemeinen Gesetze bestimmten Grenzen erlaubten Verhaltens, insbesondere der Meinungsfreiheit, überschreitet.“

Foto: David Vössing/ webMoritz-Archiv

Anmerkung des Autors: Ursprünglich stand drin, die Veranstaltung mit Professor Ralph Weber habe bei der Studentenverbindung Alemannia stattgefunden. Diese Aussage ist falsch, sie hat vor einem Jahr beim Verein Deutscher Studenten stattgefunden. Die katholische Studentenverbindung hat mit dieser Veranstaltung nichts zu tun gehabt. Dieser Fehler wurde an entsprechender Stelle korrigiert. Der Verfasser bittet darum, den Fehler zu entschuldigen.