Im Oktober nimmt das Studierendenparlament der Universität Greifswald seine Arbeit nach der vorlesungsfreien Zeit wieder auf. Bevor es in die zweite Hälfte der Legislatur geht, blickt moritz chronologisch auf die Monate zurück.
Am Anfang stand eine Zahl: 9,89 Prozent. Nur 1 213 von 12 256 Studierenden hatten sich am 14. Februar diesen Jahres an die Urnen begeben. Zur Wahl standen 36 Kandidatinnen und Kandidaten, es galt 27 Plätze zu besetzen. Großer Gewinner waren die Juso-Hochschulgruppe, Die Linke.SDS sowie die Grüne Hochschulgruppe, da sie alle vorgeschlagenen Kandidaten im Parlament platzieren konnten.
Schnell waren sich alle Beteiligten einig: Hochschulpolitisches Engagement innerhalb der Gremien muss attraktiver gestaltet und Zusammenhänge besser erklärt werden. Das ausgegebene Ziel: die Wahlbeteiligung in den folgenden Jahren deutlich erhöhen. Anfang April, auf der vorbereitenden Klausurtagung in Heringsdorf, gab man sich außerdem ein neues Selbstverständnis. Intention sei es, so heißt es in dem Papier, „die Studienbedingungen stetig zu verbessern.“ Dazu solle der „parlamentarische Diskurs in einer Atmosphäre des respektvollen Miteinanders und im Bewusstsein der gemeinsamen Motivation und Verantwortung stattfinden.“
Lobend sind an diesem Punkt rückblickend die Freien, also an keine parteipolitische Hochschulgruppe gebundenen Mitglieder des Studierendenparlaments (StuPisten), zu erwähnen. Diese lockerten das mitunter starre Abstimmungsverhalten, da sie nicht parteigebunden entscheiden. Aufgreifen wollte diese Impulse insbesondere der ehemalige StuPa-Präsident Eric Makswitat (Jusos). Er beschrieb sich in einem webMoritz-Interview im April als „Moderator mit starken Interessen“, der demokratisch legitimierte Mehrheiten akzeptieren möchte.
Bereits in der ersten Sitzung wurde deutlich, dass seine Kolleginnen und Kollegen sich an die neu aufgestellten Regeln halten werden. Sie nahmen die Tagesordnung ohne große Diskussionen an und arbeiteten die Berichte zügig ab.
Für Wirbel sorgte im Mai die vorübergehende Änderung von Erics privaten Facebook-Profil, infolgedessen er sein Amt niederlegte. Franz Küntzel, Hochschulpolitischer Referent im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) übernahm die Verantwortung für diesen „Scherz“, wie er ihn nannte. Die Folge war eine Personaldebatte, an deren Ende Franz vom Parlament mit einer Rüge bedacht wurde. Als neuer Präsident wurde zeitnah Marian Wurm (Die Linke.SDS) gewählt. Dieser machte im webMoritz-Interview vom 25. Juni 2011 deutlich, dass es ihm vorrangig um die Erhöhung der Wahlbeteiligung gehe. Zudem hat er nach wie vor die Absicht die Popularität von AStA und StuPa deutlich zu steigern. Auch unter seiner Führung waren die folgenden Sitzungen geprägt vom zügigen Abnicken vorgebrachter Finanzanträge und Rechenschaftsberichte.
Trotzdem gab es Diskussionen über Anträge, wie beispielsweise zu dem geforderten Bekenntnis zur Kernfusionsforschung in Greifswald. Dieser Vorstoß löste eine ausschweifende Diskussion über die Energiepolitik aus.
Positiv kann die deutliche Kürzung und Straffung der AStA-Struktur von 21 auf 13 Referenten gewertet werden. Auch eine um Vielfalt und Chancengleichheit bemühte Förderung studentischer Projekte kann man dem Gremium nicht absprechen. Die Kehrseite sind zusehends schwindende finanzielle Mittel. Seit Ende Juni steht zumindest der Haushalt für diese Legislatur.
Das StuPa agiert in einem Netz aus Universitätsverwaltung, studentischen Gremien und Medien sowie parteipolitischen Interessen. Hier die eigene Position zu finden und dann effektiv für Themen einzutreten, wird maßgeblich über den Erfolg der guten Bemühungen entscheiden.
Ein Bericht von Ole Schwabe mit einer Grafik von Daniel Focke
Immer wieder Dienstags: Kindergarten für Große
Ein Kommentar von Johannes Köpcke
Ein halbes Jahr der Amtszeit liegt hinter den Vertretern des Studierendenparlaments (StuPa). Mit großen Erwartungen von außerhalb, aber auch von den eigenen Mitgliedern, startete die Legislatur. Ein neues Selbstverständnis wurde erarbeitet, welches eben diese Erwartungen steigerte. Effektiveres Arbeiten in den Sitzungen, aktives Interesse an anderen Gremien der Hochschulpolitik sowie die Mitarbeit in diesen sind nur zwei der geforderten Punkte.
Das effektivere Arbeiten wurde soweit umgesetzt. Allerdings nur, wenn man effektiv damit gleichgesetzt, dass möglichst wenig Zeit für einen Antrag verbraucht werden soll. Dadurch werden die elend langen Diskussionen und Debatten über Berichte und Anträge umgangen. Aber gehören nicht eben solche in ein ordentliches demokratisches Parlament, gerade wenn es sich um die Vergabe von Geld handelt? Inwieweit ist es löblich, wenn ein Antrag nach dem anderen abgenickt wird, wodurch Euro um Euro aus dem Haushaltstopf fließt, dafür aber bei fast jeder Sitzung die Tagesordnung abgearbeitet wird? Es sollte doch genau betrachtet werden, wofür man das Geld der Studierendenschaft ausgibt, sonst ist der Topf noch vor Ende der Legislatur leer.
Vereinzelte Diskussionen drehen sich dann eher weniger um die Höhe der Förderungen oder ob es überhaupt sinnvoll ist. Stattdessen wird lieber eine Stunde lang darüber debattiert, welches Logo das neue Segel des studentischen Regattavereins bei einem Wettkampf in Warnemünde zieren darf, das mal eben für 900 Euro aus der Portokasse bezahlt wird. Lange Dispute über die Berichte sind zur Seltenheit geworden. Das ist aber offenbar auch wieder nicht allen recht, wie im Juli am Spaß-Bericht vom webMoritz zu sehen war. Stattdessen werden die Berichte meistens nur kurz abgenickt. Und wenn es doch etwas zu besprechen geben sollte, ufern die Gespräche wieder ins Unermessliche aus. Da liegt die Verantwortung beim Präsidenten rechtzeitig einzugreifen, was bisher nicht wirklich zu bemerken ist.
Es ist sehr bedauerlich festzustellen, dass kaum ein StuPist satzungsfest ist. Regelmäßig müssen sie von Alt-StuPisten darauf hingewiesen werden, dass ihre Beschlüsse nicht der Satzung entsprechen. Bei Satzungsänderungen verlassen Einzelne den Saal kurz vor der Abstimmung oder stehen hinten im Publikum und quatschen. Damit verpassen sie die Stimmabgabe oder realisieren einfach nicht, worum es gerade geht. Bei diesem Verlauf ist nicht wirklich verwunderlich, dass Mängel beim Umgang mit der Satzung festzustellen sind. Für die mögliche Überprüfung der regelmäßigen Arbeit ist die Anwesenheitskontrolle wieder in den Vordergrund zu stellen.
Nachdem Anfang Juni der Facebook-Hack, der „Skandal“ des Jahres bisher in der Hochschulpolitik, den Präsidenten zum Rücktritt bewegt hat, wurde das Präsidium nicht wieder voll besetzt. Der in einer Hauruck-Aktion neu gewählte StuPa-Präsident ist bis jetzt kaum wahrzunehmen. Stattdessen schiebt der Stellvertreter extra Schichten, in denen er aber offenbar noch genug Zeit hat dem Drucksachenpaket für eine Sitzung eine Anleitung zum Papierfliegerbasteln beizufügen. Das StuPa muss sich ja nun wirklich nicht zu ernst nehmen, aber es darf auch nicht ins Lächerliche ausarten.
Daher wünsche ich mir für den zweiten Teil der Amtszeit die nötige Ernsthaftigkeit und die selbstgeforderte Effektivität, aber bitte immer bei gegebenem Anlass. Außerdem die ernst gemeinte Unterstützung der übrigen Gremien der Selbstverwaltung, den studentischen Vereinigungen, sowie den moritz-Medien. Wenn das nicht in einer der ersten Sitzungen umgesetzt wird, heißt es wohl wieder: Viel Spaß nächsten Dienstag im Kindergarten für Große!