Die erste Vize-Präsidentin des Schweriner Landtags, Renate Holznagel (CDU), hat sich in ungewöhnlicher Form gegen die Greifswalder Redaktion der Ostsee-Zeitung gewandt. Auf der Homepage der Landtagsfraktion veröffentlichte sie einen Appell an die Medien, sachlich und fair über den Wahlkampf zu berichten. Darin wird sie unter anderem zitiert:
„Die Medien sind in keiner einfachen Position. Sie sind einerseits Chronisten der Ereignisse, andererseits aber auch Akteure, weil die Menschen von ihnen zurecht eine Positionsbestimmung erwarten. Seit den letzten Landtagswahlen hat sich die Medienlandschaft deutlich verändert. In den Mittelpunkt der Berichterstattung rücken zunehmend Emotion und Persönlichkeiten. Dabei kommen mir leider zu oft die unterschiedlichen inhaltlichen Positionen zu kurz.“
Nach diesen allgemeinen Auslassungen folgt ein Frontal-Angriff auf den Greifswalder Redaktionsleiter Benjamin Fischer. Dieser führt seit 2010 die hiesige Lokalredaktion Ostsee-Zeitung und hat das Blatt seitdem spürbar auf einen anderen Kurs gebracht. Renate Holznagel wirft Fischer indirekt Parteilichkeit vor. Sie schriebt:
„Klar ist, dass auch in den Medien Menschen wirken. Deshalb ist es umso wichtiger, selbst den Anschein persönlicher Befangenheit zu vermeiden. Greifswald ist für mich so ein Beispiel, wo dies offensichtlich nicht mehr funktioniert. Wenn der Regionalleiter der Zeitung mit der persönlichen Mitarbeiterin des SPD-Wahlkreiskandidaten verheiratet ist, wird es eben schwer, objektiv zu bleiben.“
Holznagel spielt damit (ohne Namensnennung) auf die in diesem Jahr erfolgte Hochzeit Benjamin Fischers mit Charlotte Schelten-Peterssen, der persönlichen Referentin von Erwin Sellering (SPD) an, der nicht nur Greifswalder Wahlkreiskandidat, sondern auch Ministerpräsident und Spitzenkandidat im Wahlkampf ist. Holznagel fordert von der Zentralredaktion, in Greifswald einzugreifen, und „spezifische Lösungen“ zu finden. Dass dies nicht zufällig mitten im Wahlkampf geschieht, versucht die Holznagels Mitteilung nicht einmal zu verschleiern.
Vor allem in der örtlichen CDU hatte es in den vergangenen Monaten immer wieder Klagen darüber gegeben, die Ostsee-Zeitung berichte einseitig zu Lasten der CDU. Für eine detailierte Analyse dieser Vorwürfe fehlt dem webMoritz leider die personelle und inhaltliche Expertise.
Vorwürfe gegen die Ostsee-Zeitung wegen Einseitigkeit haben in Greifswald Tradition: So hieß es zumindest vor dem Wechsel Benjamin Fischers an die Spitze der Lokalredaktion immer wieder, die OZ betreibe einseitige Berichterstattung zu Gunsten der CDU. Auch die Gründung des webMoritz geschah 2008 vor diesem Hintergrund. Gründer Sebastian Jabbusch veröffentlichte seinerzeit einen (journalistisch ebenfalls fragwürdigen) „Ostsee-Zeitung-Report“ mit kritischen Beobachtungen zur Praxis des Blattes. Damals war Fischer allerdings noch nicht Chef der Lokalredaktion. Auch der Fleischervorstadtblog versteht sich in Teilen als publizistische Gegenpositionierung zur Ostsee-Zeitung.
Auch beim überaus verbittert über die Ostsee-Zeitung berichtenden Watchblogger Ulrich Meyke ist nachzulesen, dass sich eine Reihe von angeblichen Skandalen, die die OZ-Lokalredaktion in den vergangenen Jahren in der Greifswalder Kommunalpolitik aufgedeckt haben wollte, im Nachhinein als wenig skandaltauglich herausgestellt haben.
Bei all dieser Kritik muss allerdings auch relativierend eingewendet werden, dass gerade monopolistische Lokalzeitungen nahezu immer in der Kritik stehen, einseitig zu berichten – und dass sich dieses Vorurteil häufig mehr auf persönliche Animositäten denn auf tatsächliche Fakten stützt.
Update 31. Juli: Häme vom SPD-Fraktionschef
SPD-Fraktionschef Norbert Nieszery hat sich am heutigen Sonntagvormittag in einer Pressemitteilung zu den Vorwürfen geäußert. In einer mit „Die Zeiten der Hofberichterstattung sind vorbei, Frau Holznagel!“ überschriebenen Mitteilung schriebt er, dass kritische Berichterstattung nicht diffarmiert werden dürfte. Er wird wie folgt zitiert:
„Ich habe überhaupt kein Verständnis für diese Pressemitteilung von Frau Holznagel! Wenn eine unabhängige Zeitung kritisch über den Bericht eines Untersuchungsausschusses, in dem einem CDU-Landespolitiker schweres Fehlverhalten attestiert wird, schreibt, dann nimmt sie in besten Sinne ihre Verantwortung als vierte Gewalt wahr. Auch die CDU sollte sich mittlerweile daran gewöhnt haben, dass es keine Hofberichterstattung wie zu DDR-Zeiten mehr gibt. Unabhängige Berichterstattung ist für Politiker bisweilen schmerzlich – übrigens nicht nur für die CDU –, aber sie ist unverzichtbar für einen demokratischen Rechtsstaat. Ich hätte mir einen stilvolleren Abgang von Frau Holznagel gewünscht als ganz zum Schluss noch unter dem Deckmantel der Objektivität aus parteipolitischen Motiven Menschen persönlich zu diffamieren.“
Auch Nieszery verzichtet auf jedwede Namensnennung. Dennoch trägt er mit seiner Mitteilung natürlich wesentlich zur Aufklärung der (Wahlkampf-)Fronten bei…
Fotos: webMoritz-Archiv
Das ist ja schon ein bisschen süß, dass der Ehemann Benjamin Fischer seiner werten Frau Charlotte Schelten-Peterssen dabei hilft,dass sie ihren Arbeitsplatz behält! Die Familie muss zusammen halten
Lieber Gabriel,
erst einmal vielen Dank für diesen Hinweis auf die konzertierte CDU-Aktion, die von Liskow, Martens, … an anderer Stelle Feuerschutz erhält.
Zu Frau Holznagel, die in Loitz-Vorpommern geborene Heimatvertriebe und DDR-Widerstandskämpferin als Stellvertretende Amtsleiterin im Veterinäramt Demmin, hättest Du u.a. hier mehr gefunden: http://ostsee-zeitung-blog.blogspot.com/2011/07/r…
"überaus verbittert" ?
"dass sich eine Reihe von angeblichen Skandalen, die die OZ-Lokalredaktion in den vergangenen Jahren in der Greifswalder Kommunalpolitik aufgedeckt haben wollte, im Nachhinein als wenig skandaltauglich herausgestellt haben."
Es waren nicht einmal Skandalönchen, es war Scheinberichterstattung, Spaltenfüllung, mit der Leser nichts anfangen können, dafür aber Geld ausgeben. Beschämend aber ist zudem, dass es die Redaktion auch fertigbrachte, Privatleute vorzuverurteilen, was ich für einen Skandal halte.
Wer in meinem Blog regelmäßig liest, wird leicht erkennen, dass einst die CDU hochgeschrieben wurde und nun die SPD hochgejubelt wird, nicht nur in der Greifswalder Redaktion. Das ist mir im Grunde piepegal, da ich Nichtwähler bin, trifft aber Wahlwillige, die immer noch glauben, dass das, was in der Zeitung steht, sich auch so zugetragen hat. Ich erlaube mir deshalb auch weiterhin, darauf hinzuweisen.
Interessant, die CDU moniert Klüngel und wird mit Ihren eigenen Waffen geschlagen?!
Da stellt sich nunmehr die Frage , wie lange Herr Fischer seinen Job im schwarzen Springerverlag und in Greifswald behalten darf. Unabhängige Medien sind eine Illusion. Der CDU dominierte Springer Verlag wird reagieren. Vielleicht holt er ja den Parteifreundlichen Herrn Amler zurück, der sich gern mal vom CDU OB vorschreiben ließ, was in der OZ stehen darf und was nicht. Oder die RBB Führung, die gerade erfolgreich linke Politiker lins liegen lässt.
Ach ja und Frau Holznagel muss ihren Systemwiderstand immer unter einem Tisch ausgelebt zu haben und zerriss nasse Zeitungen in der Luft. Einfach zum schießen die Dame.
"wie lange Herr Fischer seinen Job im schwarzen Springerverlag und in Greifswald behalten darf."
Die Frage stellt sich nicht, da der Umstrukturierer Fischer nicht für den Springerkonzern, sondern für die Madsack-Gruppe arbeit, der die OZ seit Ende 2009 gehört, wie auch in meinem Blog (laut webmoritz "überaus verbittert") nachzulesen war.
Die OZ gehört nicht mehr zum Springer-Verlag, sondern zur Madsack-Gruppe!
Das kritisiert Liskow ja in seiner PE zum Thema. 😉 http://www.cdu-greifswald.de/index.php?ka=1&s…
Danke für die Richtigstellung. Herr Fischer darf also bleiben,denn die SPD Medienholding, die öffentlich kaum wahrgenommene Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH , ist mit 23,1 Prozent an der Madsack Gruppe beteiligt. Es lebe die Unabhängigkeit unserer Medien
Ach ja ,kann ein Liskow Junior im Webmoritz objektiv berichten, wenn der Vater CDU Spitzenkandidat ist? Nur mal so als Frage.
Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?
Finde deine Auslegung übrigens sehr unterhaltsam: Wenn was in Springer Hand ist,ist es "gaaaaaaanz böse", wenn es aber einer Partei gehört und diese durch ihre Einflussnahme den demokratischen Wettbewerb verzehrt,dann ist es okay…
Da fühlt sich ja Mensch an die guten alten ND-Zeiten erinnert…
Ich glaube, du hast den Sarkasmus in Strandvogts Kommentar nicht verstanden…
Das hat die Diskussion ein wenig "verzehrt"… 😉
"Ach ja ,kann ein Liskow Junior im Webmoritz objektiv berichten, wenn der Vater CDU Spitzenkandidat ist? Nur mal so als Frage. "
Was soll denn daran Sarkasmus sein? Das ist schlichtweg falsch.
Irrtum , es war Sarkasmus. Dachte schon, dass man den heraus hört.Na wenigstens Einige haben das verstanden. Übrigens, real_sos, hast du die ND Zeiten vor der Wende überhaupt wahrnehmen können? Wenn du jetzt Student bist und ich meine einer im normalen Studentenalter, warst du zu dieser Zeit noch Quark im Schaufenster. Oder irre ich mich da?
Das ist doch Quatsch. In der ganzen Bunderepublik versucht die Politik Einfluss auf die Medien zu erhalten. Hätte Fischer jetzt deswegen eine andere Frau heiraten sollen? So ein Unsinn aber auch.
Hier gab es auch mal mehr Tageszeitungen als nur eine.
Als ehemaliges Zentralorgan der SED Bezirksleitung hat die OZ unter Reinhard Amler aber auffällig positiv über die CDU berichtet. Hast du dich da auch so über die parteipolitisch abhängige Presse aufgeregt, wie über Fischer, der offenbar die SPD lieber mag?
Zur Erinnerung: http://webmoritz.de/wp-content/uploads/2008/09/oz…
Kommen wir doch mal zum Kern des Beitrages zurück: Dem Vorwurf einer CDU-Funktionärin, der so fatal hieran erinnert:
„OZ vom 07.09.2001 12:00
Beide Kniescheiben weg
Die CDU wollte bei ihren Mitgliedern Leserbriefe organisieren, um den Druck auf PDS-Minister Holter zu erhöhen. Die Aktion ging voll daneben.
Schwerin (OZ) – Gerade hat der Oppositionsführer im Schweriner Landtag, Eckhardt Rehberg (CDU), wieder eine geharnischte Pressemitteilung in die Redaktionen des Landes geschickt…. Kuessner solle eine Sondersitzung des Parlaments zu den Affären im Arbeitsministerium früher als geplant einberufen.
Ungefähr zur selben Zeit schiebt Wolfram Axthelm (33), Sprecher der Landes-CDU ein zweiseitiges Fax an die Kreisverbände der Union in sein Gerät. …
Dumm nur, dass Axthelm die Schreiben, statt in den Parteiverteiler, in den Presseverteiler steckt.
So erhalten die Medien wenige Minuten später aus erster Hand, was die CDU-Spitze über sie denkt und was die Parteifreunde an der Basis denken sollen. …
Kostprobe aus „Brief 1“: „. . . außerhalb der Landesgrenzen entsteht der Eindruck, dass in Mecklenburg-Vorpommern Filz und Familienbande statt Recht und Gesetz politisches Handeln bestimmen.“ …
(Anm. mp: Es gab 3 vorformulierte Leserbriefe)
„Klassischer Knieschuss“, wird in der CDU-Fraktion gestöhnt, „beide Kniescheiben weg.“ …“ http://www.ostsee-zeitung.de/ozdigital/archiv.pht…
Das war damals sogar der Springer-OZ zu viel!!!
Rohrkrepierer! http://www.spd-greifswald.de/index.php?article_id…
Dem ist wenig hinzuzufügen, aber ein „s“ dem „Greifsswalder CDU-Oberbürgermeister“ zu entnehmen. 😉