Bei der Sitzung des Studierendenparlaments (StuPa) am vergangenen Mittwoch verkündete Präsident Korbinian Geiger seinen Rücktritt. Die nächste außerordentliche Sitzung wird seine letzte sein, er tritt am 13. Juli zurück. Ob es bereits Kandidaten für seine Nachfolge gibt, die am 14. Juli gewählt werden soll, die Gründe, die ihm zum Rücktritt bewegten und was er nun mit seiner neu gewonnenen Freizeit machen wird, erzählt der Jura-Student im Interview.

Ein Beitrag von Christine Fratzke und Carsten Schönebeck

Korbinian hier aus einer Sitzung des Studierendenparlaments in der Loefflerstraße

webMoritz: Du bist am vergangenen Mittwoch zurückgetreten. Wie lange hast du den Gedanken mit dir herumgetragen?

Korbinian Geiger: Nach der letzten Sitzung am 16. Juni war ich mir recht sicher.

webMoritz: Was ist da vorgefallen?

Korbinian: Nicht auf Grund allein dieser Sitzung, sondern weil davor, bis auf eine Sitzung, alle schlecht waren. Sie waren nicht konstruktiv und dann dachte ich mir: Wenn jetzt noch eine Schlechte kommt und es sich gar nicht bessert, dann war´s das.

webMoritz: In deiner Rücktrittserklärung in der vergangenen Sitzung erwähntest du, dass du deinen Namen nicht mehr im Zusammenhang mit dem hiesigen StuPa sehen möchtest.

Korbinian: Nicht in diesem Maße.

webMoritz: Warum?

Korbinian: Die Antwort auf diese Frage könnte der webMoritz am Besten geben. Ich bin ja formell der Kopf im StuPa und kann, formell korrekt, mit meinem Namen mit dem Studierendenparlament in Verbindung gebracht werden. Und wenn das Parlament überhaupt  nicht mehr so arbeitet, wie ich es mir ursprünglich vorgestellt habe, dann passt es auch nicht mehr, dass mein Name mit der Politik dieses Parlaments in Verbindung steht. Wenn ich nicht mehr hinter der Politik stehe, kann ich auch nicht mehr Präsident sein.

webMoritz: Du hast den webMoritz ins Spiel gebracht. Ist das jetzt ein bisschen so wie bei Köhler: Das, was über dich in den Medien steht, gefällt mir nicht?

Korbinian:Nein, auf den webMoritz habe ich angespielt, weil Gabriel Kords das StuPa als „Affentheater“ bezeichnete.

webMoritz: Du zählst in deiner Rücktrittserklärung mehrere Aspekte auf, die zu deinem Entschluss führten, wie das Sitzungs- und Wahlverhalten. Was hat dich da besonders gestört?

Korbinian: Wir können auch das Abstimmungsverhalten insgesamt mit rein nehmen. Es gab einige Beschlüsse und Anträge, die mir nicht gefallen haben. Das fängt ja schon mit der Tagesordnung an. Das Präsidium schlägt eine Tagesordnung vor und dann gibt es Antragssteller, die meinen, ihr Punkt sei der Wichtigste. Das StuPa rührt dann mit dem Mixer rum in der Tagesordnung und ob die Neue dann so sinnvoll ist? Dann gibt es noch einige Beschlüsse, die ich nicht nachvollziehen kann.

webMoritz: Zum Beispiel?

Korbinian: Es gab mehrere Beschlüsse, die ich nicht verstehen konnte. Beispielsweise, dass man das Hoffest der Germanisten und Juristen nicht fördert, weil man sagt, das sei eine reine Fachschaftsveranstaltung, aber wer da war, sah: Da war jeder da. Und gleichzeitig fördert man einen reinen Anglisten-Ausflug.

webMoritz: Und das Wahlverhalten?

Korbinian: Meine beiden Stellvertreter wurden äußerst knapp gewählt und dann der AStA-Vorsitz, ein Mitglied im Verwaltungsrat des Studentenwerks und der stellvertretende Chefredakteur vom webMoritz, die nicht gewählt wurden. Es ist zwar das Recht des StuPa zu sagen: „Wir wählen einen Kandidaten nicht.“ Aber wenn sich grundsätzlich geeignete Leute anbieten, sich ehrenamtlich für die Studierendenschaft zu engagieren, und man diese nicht wählt oder mit schlechten Wahlergebnissen abstraft, dann kann ich auch nicht hinter dieser Politik stehen.

„Man zeigt nicht mit dem Stinkefinger!“

Korbinian Geiger im Interview

webMoritz: Du hast auch das kritische Verhalten einiger StuPisten kritisiert. Hast du keine Lust auf die Erzieherrolle?

Korbinian: Das ist ja ein Parlament von der Studierendenschaft und nicht von einer Schülerschaft oder Kindergartenschaft. Da könnte man schon etwas reiferes Verhalten erwarten. Es gibt einige, die sich schlecht benehmen, das ist anstrengend. Und da habe ich auch keine Lust, die zu ermahnen. „Man spricht nicht mit vollem Mund!“, „Man krakeelt nicht durch den Saal!“ oder „Man zeigt nicht mit dem Stinkefinger!“ Das ist mir einfach zu blöd.

webMoritz: Hängen die Probleme im StuPa mit den einzelnen Personen zusammen, die da agieren oder mehr die Kombination von Leuten, die dann vielleicht nicht passt?

Korbinian: Beides. Die Wahrnehmung der Wichtigkeit des StuPas ist bei den einzelnen Mitgliedern ist höchst unterschiedlich: Der eine meint, er säße im Bundestag, der andere meint, er säße in der Theatergruppe. So etwas widerspricht sich. Dann gibt es das Interesse nach persönlicher Profilierung, wie ich immer mehr feststellte.

webMoritz: Du hast ja mal gesagt, dass du lange überlegt hast, ob du ein zweites Mal als Präsident antrittst. Waren das die gleichen Gründe, die dich jetzt zu deinem Rücktritt bewegt haben?

Korbinian: Nein, das waren ganz andere. Ich hab damals geguckt, ob es überhaupt einen Nachfolger geben würde.

webMoritz: Wann hast du denn das erste Mal darüber nachgedacht, zurückzutreten?

Korbinian: Die Legislatur begann recht schlecht. Auf dem StuPa-Wochenende war es anders,  die Stimmung richtig gut. Da dachte ich: „Mensch, das wird ja ein richtig gutes StuPa.“ Die waren alle auch sehr interessiert.

webMoritz: Aber es war auch nur die Hälfte der Stupisten anwesend.

Korbinian: Das mag´s vielleicht gewesen sein. Die Sitzungen waren dann aber auch nicht so schön, wie ich gedacht hätte. Man weiß ja, dass es manchmal schwierig ist und nicht vergnügungssteuerpflichtig.

webMoritz: Wie lange gärt so eine Überlegung in einem?

Korbinian: Die letzten Sitzungen haben mir keinen Spaß gemacht, wenn sie sich anzicken. Die Amtsausübung selbst hat mir schon Spaß gemacht. Ich bin froh, dass ich das jetzt so gemacht habe und auch das Datum genannt habe. Die Sitzung am 6. Juli werde ich noch einmal leiten.

webMoritz: Aber dein Mandat als Stupist behältst du schon?

Korbinian: Erst einmal schon. Weil vielleicht geht ja, wie ich es erhoffe, ein Ruck durch das StuPa. Ich habe ja selbst ein paar Ideen, die man als StuPist besser einbringen könnte.

webMoritz: Welche?

Korbinian: Ich möchte den AStA umgestalten, der AStA sollte halbiert werden und die sollen alle ordentlich Kohle dafür bekommen.

webMoritz: Hat sich denn schon ein Nachfolger bei dir gemeldet?

Korbinian: Nee, es hat noch niemand bei mir angerufen. Muss ja auch nicht, ich habe ja kein Vorschlagsrecht. Es gibt aber einige, die sagen zumindest nicht nein.

webMoritz: Hast du eine konkrete Idee, wer es machen könnte? Ist es besser, einen jungen Kandidaten zu haben oder einen mit Erfahrung, der die Satzungen kennt?

Korbinian: Ich hab da ja nichts zu entscheiden. Aber ich tendiere eher zu jüngeren. Wenn ein Kandidat gewählt wird, bin ich immer zu erreichen und unterstütze.

webMoritz: Der neue Präsident muss aber nicht zwangsweise ein StuPa-Mitglied sein?

Korbinian: Im Januar wurde die Satzung geändert, nach der neuen Satzung, darf nur zum Präsidenten gewählt werden, wer StuPist ist. Das ist aber noch nicht genehmigt.

webMoritz: Was passiert, wenn am 14. Juli kein Nachfolger gewählt wird?

Korbinian: Dann werden die beiden Stellvertreter das Amt des Präsidenten ausführen. Über die vorlesungsfreie Zeit bis zur ersten Sitzung im Oktober.

„Ich halte es für wahrscheinlich, dass es Kandidaten gibt“

Korbinian möchte nun in seiner neu gewonnenen Freizeit wieder mehr lesen.

webMoritz: Hältst du es für wahrscheinlich, dass schon  am 14. Juli dein Nachfolger gewählt wird?

Korbinian: Ich halte es für wahrscheinlich, dass es Kandidaten gibt.

webMoritz: Inwieweit schwächt es die Studierendenschaft, wenn der Präsident auf einmal weg ist?

Korbinian: Das schwächt die Studierendenschaft insgesamt, wenn alles so weiter geht wie bisher. Dafür stärkt es die Studierendenschaft, wenn sich diejenigen Stupisten, die sich angesprochen fühlen, Gedanken machen, was ihre Wahlziele waren und wie man die im Kollektiv erreichen kann. Ich hoffe, dass das Positive an meinem Rücktritt überwiegt.

webMoritz: Was waren rückblickend die Höhen und Tiefen deiner Präsidentschaft?

Korbinian: Tiefen waren sicherlich die Einblicke in Persönlichkeiten von Studenten. Ich hätte nicht gedacht, von Studierenden, die locker wirken, dass sie so verbissen und frustriert sind und auf Grund von Lappalien Freundschaften aufs Spiel setzen. Zweitens war ich bei den Gremiensitzungen überrascht, auf welches niedrige Niveau sich der eine oder andere Professor in Diskussionen herab gegeben hat. Am Schönsten fand ich, dass ich viele interessante Persönlichkeiten kennen gelernt habe, von denen ich auch persönlich lernen konnte.

webMoritz: Was machst du nun mit deiner neu gewonnen Freizeit?

Korbinian: Lesen. Ich habe immer einen Rattenschwanz von Zeitungen. Ich bin gerade bei Mittwoch. Und ich kann mich wieder mit Belletristik befassen. Studieren auch, ich werde wieder mehr in die Bibliothek gehen. Teilweise war es schon so, dass ich von Montag bis Freitag jeden Abend eine Sitzung hatte. Nun kann ich zum Beispiel wieder zu den Treffen von LEI gehen. Für mich persönlich ist das schon toll.

webMoritz: Wir danken für das Gespräch.

Das Interview führten Christine Fratzke und Carsten Schönebeck

Fotos: Christine Fratzke, Gabriel Kords, Carsten Schönebeck