Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik erforscht die Kernfusion
In den großen Hallen des Greifswalder Max-Planck-Institutes für Plasmaphysik (IPP) am Rande von Greifswald, herrscht schon seit Langem ein eifriges Treiben: Zweieinhalb Meter große Spulen schwingen an Trägern, in riesigen Stahlgehäusen werkeln Monteure fast ununterbrochen, Forscher arbeiten an präzisionsgenauen Plänen, laute Maschinen tönen hier und dort. Etwa 500 Mitarbeiter haben ein Ziel: Kernfusion für eine langfristige Energiegewinnung zu erproben. Kernfusion, der Antrieb der Sonne, ist die Verschmelzung zweier Atomkerne zu einem Neuen. Bei dieser Reaktion wird Energie produziert und genau an der ist man interessiert.
Doch bevor zwei Kerne fusionieren können, müssen sie die abstoßende elektrische Kraft, welche sie aufgrund ihrer positiven Ladung besitzen, überwinden. Dies gelingt nur unter bestimmten Voraussetzungen, wie zum Beispiel in der Sonne unter hohem Druck und hohen Temperaturen von etwa 15 Millionen Grad Celsius. Da wir aber auf der Erde einen so hohen Druck nicht aufbauen können, muss die Temperatur massiv erhöht werden. Genauer gesagt auf über 100 Millionen Grad Celsius. Eine echte Herausforderung! Dafür sollen Mikrowellen die Atome eines dünnen Gases aufheizen, bis sie die gewünschte Temperatur erreichen und sich in ihre Bestandteile auflösen. Die Kerne liegen nun getrennt von ihren Elektronen vor. Erst in dieser Phase kann Kernfusion stattfinden. Die heiße Wolke aus umher schwirrenden Kernen und Elektronen nennt man Plasma.
Noch ein Problem: Die Elemente des Plasmas sind so heiß und schnell, dass man sie nicht so einfach an Ort und Stelle halten kann. Schon gar nicht mit einem normalen Gefäß. Dieses würde die extrem hohen Temperaturen nicht aushalten, beziehungsweise das Plasma sofort abkühlen. Daher benutzt man ein sehr kräftiges und spezielles Magnetfeld, welches das Plasma magnetisch einschließt. Beim Wendelstein 7-X, so der Name des Greifswalder Experimentes, wird dieses starke Magnetfeld mit supraleitenden Spulen aus Niob-Titan eingesetzt. Supraleitend bedeutet, dass ein Strom ohne Widerstand und somit ohne Verlust fließen kann. Zwar müssen die Spulen mit Hilfe von flüssigem Helium auf eine Temperatur von minus 269 Grad Celsius gekühlt werden, damit sie supraleitend werden. So erzeugen sie keine Verlustwärme, wie sie bei konventionellen Kupferspulen auftritt. Abkühlungsphasen heißer Spulen entfallen und machen so den Dauerbetrieb des Experiments möglich. Die komplexe Form der 50 nicht-planaren Spulen des Wendelstein 7-X liegt in der benötigten und genau berechneten Magnetfeldgeometrie begründet, die dafür sorgt, dass das Plasma optimal eingeschlossen wird.
Bei Wendelstein 7-X wird mit dem Experimenttyp Stellarator erprobt, ob und wie Kernfusion im Dauerbetrieb funktionieren kann. Dabei wird ein Plasma aus Wasserstoff und Deuterium auf über 100 Millionen Grad Celsius aufgeheizt. Geschafft wird das mit riesigen Mikrowellensendern. Eine weitere Herausforderung liegt also darin, die extrem kalten Spulen und das extrem heiße Plasma voneinander zu isolieren. Das Greifswalder Plasma soll jedoch noch keine Energie liefern, sondern lediglich zeigen, ob prinzipiell effiziente Kernfusion möglich und somit auch kraftwerkstauglich ist.
2014 soll die Anlage fertig gebaut sein und anschließend in einem halbstündigen Testlauf ein stabiles Plasma erzeugt werden. Bisher liegt man gut in der Zeit, so Prof. (a.D.) Robert Wolf vom IPP. Im Juli wurden alle 20 planare und 50 nicht-planare Spulen erfolgreich bei tiefen Temperaturen getestet. Glückt das Experiment, so könnte es zum Bau eines Demo-Wendelsteins kommen. Dies hängt aber auch vom internationalen Projekt ITER ab, an dem zeitgleich in Cadarache (Südfrankreich) getüftelt wird. Bei ITER handelt es sich im Gegensatz zum Wendelstein 7-X, um das Reaktorkonzept Tokamak.
Die Unterschiede sind schnell erklärt: Der Tokamak benötigt im Plasma elektrischen Strom, um das optimale Magnetfeld zu erzeugen. Dazu wird ein externer Transformator gebraucht, wodurch lediglich ein unökonomischer Pulsbetrieb möglich ist. Gleichzeitig ist der Tokamak jedoch flexibler in der Einstellung. Der Stellarator hingegen benötigt keinen internen Plasmastrom. Das Magnetfeld wird vollständig von äußeren Spulen geformt. Das macht zwar den ökonomischeren Dauerbetrieb möglich, bedarf aber auch einer ungleich komplexeren Geometrie des äußeren Spulensystems. Es spricht scheinbar so einiges für den Stellarator, dennoch forscht man auch an einem Tokamak. „Man hätte eine Maschine wie Wendelstein 7-X vor 50 Jahren gar nicht bauen können. Zwar hat man die Probleme erkennen können, aber sie physikalisch-mathematisch zu lösen war gar nicht möglich. In den 80er und 90er Jahren hätte es Hochleistungsrechner gebraucht, um überhaupt das benötigte Magnetfeld zu berechnen. Auch die technische Umsetzung erforderte Möglichkeiten, die wir erst seit etwa zehn Jahren kennen“, so Prof. Robert Wolf. Dennoch, viele Erkenntnisse kann man aus dem ITER-Projekt gewinnen und gegebenenfalls übertragen.
Anders als beim Greifswalder Experiment, sollen in späteren Fusionskraftwerken statt reinem Wasserstoff, Tritium und Deuterium verwendet werden. Davon werden nur wenige Gramm benötigt. Das leicht radioaktive Tritium wird dabei direkt im Fusionsreaktor aus Lithium erzeugt und im Anschluss durch Fusion wieder verbraucht. Lithium kommt in größeren Mengen als Mineral im Boden und im Wasser vor und würde somit hunderttausende Jahre reichen.
Für Kernfusion als Energiequelle spricht weiterhin, dass sie frei von CO2 und jeglichen klimaschädlichen Abgasen ist. Im Gegensatz zu Wind- und Sonnenenergie ist sie standortunabhängig. Fusionskraftwerke würden immer Großkraftwerke bedeuten, ihre Energiebilanz ist auch unumstritten: Schon etwa 60 von ihnen würden ausreichen, um ganz Deutschland zuverlässig mit Energie zu versorgen. Selbst ihre Finanzierungen, die Kosten belaufen sich auf etwa 423 Millionen Euro, stellt kein Hindernis dar. Bund, Länder und die EU unterstützen konstant die Erforschung alternativer Energiegewinnung. „Forschungskosten lassen sich immer schwer messen. Misst man es am Ziel der Energiegewinnung, dann lohnt ein Blick darauf, wie viel wir für Energie bezahlen. Mit Hilfe des Gesetzes für erneuerbare Energien werden jedes Jahr etwa neun Milliarden Euro in Deutschland über die Strompreise in die Forschung gesteckt“, so Prof. Wolf.
Doch trotz allem, so einfach und schnell geht es dann eben nicht. Viele Hürden müssen überwunden werden. Zum einem muss der Plasmaeinschluss glücken, dies sei ein zentrales Problem. Anders als beim Experiment, soll später für die Fusion Tritium verwendet werden. Dabei würde radioaktives Restmaterial entstehen. Dieses hat aber eine viel kürzere Halbwertzeit als es bei der Kernspaltung der Fall ist. Man spricht von einigen Wochen bis zu hundert Jahren, dies ist immer eine Frage der Optimierung. Doch letztendlich kann das Material wiederverwertet statt entsorgt werden. Des Weiteren wird Helium benötigt, dies ist derzeit kein Problem, könnte es aber später einmal werden, da Helium momentan nur in geringen Mengen gewonnen wird. Hinter der gesamten Apparatur Wendelstein 7-X steckt eine komplexe Technologie, die immer wieder Präzisionsarbeit erfordert. Es wird Material benötigt, das Neutronen standhält und langlebig ist. Diesem Problem widmet sich das Forschungszentrum Karlsruhe. Und dann gäbe es da noch ein Problem bezüglich des Unternehmens Kernfusion, auf das Herr Prof. Wolf hinweist: „Es läuft noch nicht“!
Aber nicht nur in Deutschland wird an der Kernfusion geforscht. Erfolgreicher Vorreiter ist das europäische Prestigeprojekt JET in Culham/England, das bisher schon eine positive Energiebilanz vorweisen kann, wenn auch keinen Energiegewinn. Natürlich ist alles noch Zukunftsmusik, doch betrachtet man die bisherigen Alternativen, so erscheint Kernfusion als ernstzunehmende Möglichkeit. Das IPP ist jedenfalls vom Potenzial der Kernfusion überzeugt. „Die Möglichkeiten, die ich für unsere Zukunft sehe, ist eventuell die Solarenergie aus der Wüste, die Kernspaltung und die Kernfusion“, so Herr Prof. Wolf. Doch bis dahin wird noch weiterhin viel geforscht, getüftelt und getestet.
Ein Artikel von Ella Jahn und Annegret Adam