Am 27. September wählt die Republik einen neuen Bundestag. Der webMoritz interviewte die Direktkandidaten aus dem Wahlkreis 16 (Greifswald – Demmin – Ostvorpommern) per E-Mail. Heute: Susanne Wiest.
webMoritz: Wie sind Sie zur Politik gekommen?
Susanne Wiest: Im Februar 2009 unterschrieben innerhalb weniger Wochen über 50’000 Bürgerinnen und Bürger meine spontan gestellte Petition an den Bundestag zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Das war eine grosse Überraschung und ist gleichzeitig eine Einladung vieler Bürger an unsere Abgeordneten, sich an der Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen zu beteiligen.
Im April bekam ich die Nachricht des Petitionsausschusses, eine Anhörung und Diskussion der Petiton sei ungewiss und frühstens in der nächsten Wahlperiode möglich. Da mir die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens gefällt, und ich sie für einen guten Zukunftsweg halte, habe ich mich entschlossen unsere demokratischen Möglichkeiten zu nutzten, und als Direktkandidatin des Wahlkreises Greifswald, Demmin, Ostvorpommern, für unseren Bundestag zu kandidieren
webMoritz: Im Bundestag gibt es direkt gewählte Kandidaten und Kandidaten, die über Listen einziehen. Macht das abgesehen von gewissen Repräsentationpflichten im Wahlkreis irgendwelche Unterschiede?
Susanne Wiest: Ich finde Parteilisten undemokratisch, weil wir Bürger keinen Einfluss darauf haben wie die Listen zusammengestellt werden. Bei der Wahl von Direktkandidaten, dafür ist die Erststimme, können wir Bürger entscheiden wem wir zutrauen, Politik in unserem Sinne zu gestalten.
webMoritz: Wo sehen Sie Möglichkeiten, sich besonders für Ihren Wahlkreis einzusetzen?
Susanne Wiest: Ich möchte dass in unserem Wahlkreis das bedingungslose Grundeinkommen eingeführt wird. Wir könnten Modellregion für Grundeinkommen werden. Bei allen Fragen, die ich im Bundestag zu entscheiden habe, werde ich die Bürger des Wahlkreises auffordern darüber abzustimmen. Das Ergebnis trage ich dann in den Bundestag.
Ich bin entschieden für direkte Demokratie und betrachte mich als Abgesandte der Bürgerschaft in meinem Wahlkreis.
webMoritz: Wie sieht Ihr Wahlkampf aus?
Susanne Wiest: Ich lade jeden Sonntag um 16.00 Uhr zu einem offenen „Sonntagstreffen“ ein. Das Treffen findet bei mir zu Hause statt. Dort besprechen wir bei Kaffee und Kuchen, die Wahlbewerbung. Wir machen was uns möglich ist. In den nächsten Tagen werden wir Postkarten verteilen und fahren durch die Dörfer und zeigen dort einen Film zum Thema Grundeinkommen.
Am 05. September war das Krönungsmobil in Greifswald zu Gast. Tagsüber waren wir auf dem Marktplatz und abends im Museumshafen…
webMoritz: Wer unterstützt Sie im Wahlkampf? (Haben Sie ein Wahlkampf-Team und wie sieht es aus?)
Susanne Wiest: Viele verschiedene Menschen. Frei, eigenverantwortlich und Zusammen! Sie sind ebenfalls herzlich eingeladen mitzumachen, wenn das Thema Sie interessiert.
webMoritz: In welchen Bundestagsausschüssen würden Sie gern mitarbeiten?
Susanne Wiest: Im Ausschuss für Arbeit und Soziales und im Finanzausschuss.
webMoritz: Im Falle Ihrer Wahl: Welches Verkehrsmittel wollen Sie zum Pendeln nach Berlin nutzen?
Susanne Wiest: Die Bahn.
webMoritz: Wie stehen Sie zum geplanten Steinkohlekraftwerk in Lubmin?
Susanne Wiest: Dinosauriertechnologie! Alt, überholt ,nicht umweltverträglich. Energiegewinnung aus fossilen Energieträgern ist eine Belastung für Umwelt und Klima. Selbst bei modernster Technik ist das die Technologie von gestern. Die Kohle wird in anderen Ländern abgebaut und durch die halbe Welt transportiert. Auf die Bedingungen beim Abbau und Transport können wir kaum Einfluss nehmen.
Neue Anlagen zur Energiegewinnung müssen meiner Meinung nach absolut umweltverträglich sein. Während der gesamten Produktionskette. Den Mist ins Ausland abzuschieben ist kein Weg. Sonne,Wind, Wasserkraft. … der Bau von Häusern, die nicht mehr Energie verbrauchen als sie produzieren, oder sogar Energie an das Stromnetz abgeben, das ist meiner Meinung nach der Zukunftsweg. Und diese Maßnahmen und Technologien schaffen auch Arbeitsplätze in der Region. Umweltverträglich und nachhaltig. Hier können wir in unserer Region Vorreiter werden.
Lubmin mit dem schönen Strand ist ein Urlaubs- und Erholungsgebiet. Auch unter diesem Gesichtspunkt wünsche ich mir hier keine Anlage, die die Schönheit und Natürlichkeit des Ortes zerstört. Das ist meine persönliche Meinung. Da ich mich aber als Vertreterin und Abgesandte des Wahlkreises für den Bundestag verstehe, und mich für direkte Demokratie einsetzte, würde ich zu diesem Thema regionale Gesprächsveranstaltungen und eine Bürgerbefragung organisieren .
webMoritz: Was halten Sie davon, dass in Deutschland so viele Dinge, besonders die Bildungspolitik, gar nicht vom Bundestag sondern von den einzelnen Ländern entschieden werden?
Susanne Wiest: Dazu habe ich mir noch keine Meinung gebildet. das hängt davon ab um welche Fragen es konkret geht.
webMoritz: Was sind Ihre Pläne für den Fall, dass Sie nicht gewählt werden?
Susanne Wiest: Alles wie immer: Familie, Arbeit, Freunde und Grundeinkommen.
webMoritz: Vielen Dank für das Interview!
Bildnachweis:
Logo Bundestagswahl 2009 – Jakob Pallus
Fotos – Susanne Wiest
Mehr direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung finde ich auch als FDP-Wähler sehr gut. Bei aller persönlichen Sympathie für die Kandidatin halte ich aber ein "bedingungsloses" Grundeinkommen für ein falsches Signal an die Bürger Deutschlands, weil es Nichtstun honoriert. Die Bedingung für Einkommen sollte entweder die eigene Leistung (Erwerbseinkommen) oder aber eine feststellbare Bedürftigkeit (Hilfe der steuer- und abgabenzahlenden Solidargemeinschaft) sein. Das Wort "bedingungslos" sollte man daher lieber Personengruppen wie etwa Kriegstreibern oder Bankräubern überlassen. Verantwortliche Politik sieht anders aus und lebt nicht von Heilsversprechen, sondern realistischem Handeln.
Das bedingungslose Grundeinkommen ist toll! Habe die Petition unterzeichnet!
Diese negative Bewertung ist Beweiss genug dafuer, dass es nicht um den Inhalt einer Aussage, sondern um den Aussagenden geht. Wie gesagt, habe die Online Petition unterzeichnet und unterstuetze den Gedanken des bedingungslosen Grundeinkommens.
Ist das die jetzt die sogenannte 'Hufeisentheorie' die einige Politologen vertreten?
(= links und rechts treffen sich ganz außen am Ende wieder)
Schöne Idee, nur die Finanzierung steht in den Sternen. Ich schlage vor:
Einführung einer Reichensteuer (mind. 50% dessen, was an Vermögen vorhanden ist)
Erhöhung der Einkommenssteuer um das Doppelte
Erhöhung der Verbrauchssteuern um 25%
Einführung einer Manager-Steuer von mind. 50% auf Boni-Zahlungen
Erhöhung der SV-Beiträge pauschal um mind. 25%
Wer will dann noch arbeiten gehen, wenn ich auch ohne Arbeit ein gutes Leben führen kann?
Gute Idee, das einzige Problem dabei ist der Mensch.
Ich arbeite natürlich nicht in Berlin, sondern Im Landkreis Demmin….Liebe Grüße, Susanne
Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens als "Backup" oder als Basis-Versorgung ist gar nicht so blöd. Voraussetzung ist aber eine Gegenfinanzierung und eine angemessene Höhe.
1.500€ sind völlig überzogen für einfach nur Nichtstun! Bei sowas lachen sich doch sogar Hardcore-Linke schlapp!
Ich würde mich selber als eher links beschreiben, aber ich bin viel zu gerne Realist!
Als Student habe ich weniger als ALG II und komme damit trotzdem einigermaßen hin – auch wenn kein Spaß dabei ist. Nichtsdestotrotz sind die entsprechenden Regelsätze dringend übearbeitungswürdig.
Diese überarbeiteten ALG-II-Sätze könnte man durchaus als Basis nehmen, um eine Grundsicherung zu etablieren.
Wichtig dabei ist eher der psychologische Effekt: man ist als Arbeitsloser nicht mehr gesellschaftlicher Abschaum und muss per Antrag als Bittsteller auftreten, sondern man kann den Anspruch auf diese Grundsicherung nur in Ausnahmen verlieren.
Wie man das gegenfinanziert?
Hier ein – zugegeben noch nicht ganz zu Ende gedachter und sowieso nicht durchgerechneter – Vorschlag: Man kürze einfach sämtliche Gehälter um in etwa diesen Grundsicherungsversorgungssockelbetrag und lässt die Unternehmen das an den Bund zahlen, der es wieder an alle Personen verteilt.
Ergebnis: die effektiven Gehälter bleiben gleich, die Belastung für die Unternehmen bleibt gleich, die Grundsicherung existiert weiterhin, allerdings mit einer anderen psychologischen Herangehensweise als HartzIV.
Nachteil: die Finanzierung und die Größe der entsprechenden Verwaltung ist mir völlig unklar.