Präsentation über Verbindungen: Viele Fakten und wenig Kritik

“Was weißt du eigentlich über Studierendenverbindungen?”, fragten die Kommilitoninnen Tina, Janette, Katja und Marie nicht nur die Zuhörer ihrer gleichnamigen Präsentation, sondern zuvor auch sich selbst. Die Fragestellung war Kern ihres Seminars “Performative Recherche” im Studiengang Kommunikationswissenschaft. In dem mit vier Teilnehmerinnen paradiesisch kleinen Seminar widmeten sich die Studentinnen der selbst gestellten Frage durch intensive Recherche in alle möglichen Richtungen. Am Donnerstagabend stellten sie ihre Ergebnisse vor – im bis auf den letzten Platz gefüllten Hörsaal in der Alten Augenklinik.

Viele Fakten, aber methodisch kreativ

Die vier Studentinnen versuchten, zwischen den Greifswalder Verbindungen anhand von Schlagwörtern zu differenzieren.

Die vier Studentinnen versuchten, zwischen den Greifswalder Verbindungen anhand von Schlagwörtern zu differenzieren.

Ihre Dozentin Hedwig Golpon erklärt die angewandte Technik: “Performative Recherche bedeutet, mit künstlerischen Mitteln auf Untersuchung zu gehen.” So kann bei der Recherche zur Fragestellung mit sehr viel freier gewählten Methoden gearbeitet werden als in der klassischen wissenschaftlichen Forschung und auch bei der Darstellung der Ergebnisse werden künstlerische und dramaturgische Möglichkeiten berücksichtigt. Die Forscherinnen wurden im Wortsinne zu Darstellerinnen: Durch einen Teil des Vortrags wurden die Zuschauer etwa von der als Student des 19. Jahrhunderts verkleideten Tina Winterstein geführt, immer wieder wurde die Präsentation dialogisch zwischen den vier Kommilitoninnen gehalten. (mehr …)

Seminararbeit über Greifswalder Verbindungen

Während in den letzten Wochen auf zwei Veranstaltungen des Debattierclubs oder der DGB-Hochschulgruppe eher allgemein über Verbindungen diskutiert wurde, beschäftigt sich nun eine Seminararbeit von vier Studentinnen unter dem Titel “Was weißt du eigentlich darüber…?” direkt mit den Greifswalder Verbindungen.

Im Rahmen ihres Seminars “Performative Recherche” begaben sie sich auf die Suche nach Informationen zum Verbindungswesen. Sie sprachen nicht nur mit Bürgern auf der Straße, sondern informierten sich auch in persönlichen Gesprächen mit Verbindungsstudenten. Sie nahmen sich auch die Geschichte der Verbindungen vor und wollten besonders etwas über die Greifswalder Verbindungen in Erfahrung bringen. In Wort, Bild und Ton präsentieren die vier Studentinnen am kommenden Donnerstag, 27. Januar um 19 Uhr die Ergebnisse ihrer Seminararbeit im Hörsaal der Alten Augenklinik, Rubenowstraße 2.

Deutliche Kritik an Studentenverbindungen

Verbindungsstudenten wehrten sich am Mittwoch Abend im Geokeller vor etwa 60 Zuhörern gegen die Vorwürfe, die Referent Jörg Kronauer in seinem Vortrag erhoben hatte. Die Diskussion zur Kritik am Verbindungswesen endete in einem Streitgespräch zwischen mehreren Verbindungsstudenten und dem Referenten.

Unterschiedliche Studentenverbindungen

Ehemaliger Verbindungsstudent: Ex-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Jürgen Rüttgers.

Zu Beginn seines Vortrages, zu dem die DGB-Hochschulgruppe geladen hatte, differenzierte Kronauer Studentenverbindungen. Es gäbe katholische, evangelische, Turnerschaften, Burschenschaften und Corps. Gemeinsam sei ihnen, dass Verbindungen im 19. Jahrhundert ihre Blütezeit hätten, die sie noch bis heute prägten. Als Beispiele nannte Kronauer Kappe und Band als ” klassische Elemente für Verbindungsstudenten”. Bevor man als Student in einer Verbindung aufgenommen werde, sei man ein “Fux”, dem die Werte, Sitten und Gebräuche beigebracht würden. Dazu gehöre auch eine feste Ordnung bei Feierlichkeiten wie Trinkriten. “Es fließt dabei sehr viel Alkohol in kurzer Zeit. Das ist mir völlig egal. Was mich aber stört, sind die festen Regeln, sich in Extremsituationen zu disziplinieren. Konservativer kann man nicht sein, wenn man sich das so eindrillt”, machte Kronauer einen Kritikpunkt deutlich.

Ein weiterer Kritikpunkt des Sozialwissenschaftlers waren Seilschaften. Hier schränkte er jedoch ein, dass es Seilschaften überall gäbe. Charakteristisch für Seilschaften bei Verbindungen sei aber, dass davon fast nur Männer profitierten. Sie teilten einen gemeinsamen Lebensstil und fühlten sich als Elite. So seien beispielsweise RWE-Vorsitzender Jürgen Rossmann oder der abgewählte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers Verbindungsstudenten gewesen.

Kronauer: “Studenten verletzen sich bei Mensuren schmerzhaft und sinnlos.”

Deutlicher als Seilschaften oder Trinkriten bemängelte Kronauer schlagende Verbindungen, die Mensuren ausfechten: “Studenten verletzen sich schmerzhaft. Das ist sinnlos, nur um dazuzugehören.” Die Mensuren würden aber teilweise mit Körperschutz ausgetragen, um lebensgefährliche Verletzungen zu vermeiden, schränkte Kronauer ein. Ein anwesender Student einer schlagenden Verbindung gab an, dass in seiner Verbindung drei Mensuren Pflicht pro Leben seien: “Wenn jemand mehr machen möchte, kann auch zehnmal fechten”.

Zum Schluss seines Vortrages warf Kronauer einigen Burschenschaften, also einem Teil der Verbindungen, vor: “Es gibt eine lebenspraktische Zusammenarbeit zwischen Verbindungen und Rechten”, so gehörten ehemalige Verbindungsstudenten teilweise zur rechtsextremen Szene wie der NPD oder den Republikanern. Mit Verweis auf Fritz Hippler, der es im Dritten Reich bis zum Reichsfilmintendanten schaffte und den Film “Der ewige Jude” mitdrehte, unterstellte er den Verbindungen des Coburger Covents, keine kritische Auseinandersetzung über ihn geführt zu haben. Einige andere Verbindungen sähen in der Abtretung der deutschen Ostgebiete nach dem Zweiten Weltkrieg eine “völkerrechtswridige Handlung”, so der freie Journalist.

Verbindungsstudenten wiesen Vorwürfe zurück

In der sich anschließenden lebhaften und ausführlichen Diskussion verwahrten sich mehrere Verbindungsstudenten gegen Kronauers Vorwürfe: Innerhalb einiger Verbindungen gebe es Bestrebungen gegen Nazis. Ein Verbindungsstudent will sich über eine kritische Auseinandersetzung mit Fritz Hippler kümmern. Bei den Mensuren seien Ärzte dabei, um eine gute Behandlung der Verletzungen zu gewährleisten.

Fotos: David Vössing, Flyer DGB-Hochschulgruppe

Update [8. November 2013]: Eine frühere Version dieses Artikels enthielt eine Porträtaufnahme des Diskussionsleiters Martin Schreck (DGB-Hochschulgruppe). Auf dessen Wunsch hin wurde diese entfernt.

DGB-Hochschulgruppe diskutiert über Verbindungswesen

Unter dem Titel “Saufen, Schlagen, Seilschaften – Zur Kritik des Verbindungs(un)wesens” will die DGB-Hochschulgruppe Campus Greifswald über Geschichte, soziale Quellen, Strukturen und gesellschaftliche Bedeutung von studentischen Verbindungen diskutieren und lädt am kommenden Mittwoch, um 19:30 Uhr in den Geographenkeller in die Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße 16. ein. Referent der Veranstaltung ist Jörg Kronauer, einer der Autoren des Buches „Studentenverbindungen in Deutschland: Ein kritischer Überblick aus antifaschistischer Sicht“.

In der Ankündigung der Hochschulgruppe heißt es: “Burschenschaften, Corps und andere Studentenverbindungen sind nicht dasselbe, teilen aber eine verhängnisvolle Geschichte.” Auch in Greifswald sind diverse Verbindungen aktiv. Das gepflegte Gesellschaftsbild gelte als konservativ, die Geschlechterrollen seien klar verteilt und Rituale nähmen einen großen Teil des Zusammenlebens ein. Mitglieder von Verbindungen, begünstigt durch gute Kontakte ihrer Vorbilder erreichten hohe Positionen in Justiz, Politik, Wirtschaft oder Medien.”

Die Veranstalter wollen auch das Thema Rechtsextremismus ansprechen: “Auch wenn sich einige Verbindungen gegen den Vorwurf wehren, rechts zu sein, fanden doch viele Rechtskonservative und Nazis ihre politischen Anfänge in studentischen Korporationen. Immer wieder werden auch Angehörige von Burschenschaften im Nazimilieu aktiv. Gleichzeitig entsprechen die studentischen Verbindungen heute wieder einem gesellschaftlichen Trend zum Konservatismus und zu nationalistischer und militaristischer Ideologie. Schließlich sind die Verbindungen mitunter auch einfach durch die gemeinsamen Wohnmöglichkeiten, die sie bieten, für Erstsemester an einem neuen Studienort attraktiv”, so die Hochschulgruppe weiter.

An der Universität Greifswald wurde unlängst im Debattierclub über das Verhältnis Verfasste Studierendenschaft – studentische Verbindungen diskutiert.

Flyer: DGB-Hochschulgruppe Greifswald