von Arik Platzek | 10.07.2009
Die Enttäuschung war groß: Nach dem die Vollversammlung mit großer Mehrheit eine Urabstimmung über den Universitätsnamen forderte haben sowohl das Studierendenparlament (StuPa) als auch der Allgemeine Studierendenauschuss (AStA) diese abgelehnt. Kommen könnte sie dennoch, wenn die Aktivisten rund um die Arbeitgruppe „Umbenennung der Universität“ zehn Prozent der Studenten dazu bringen dafür zu unterschreiben.
Doch warum hat das Parlament den Weg für die Urabstimmung nicht frei gemacht? RCDS und viele Burschenschafter dürften im Augenblick gut Lachen haben: Auf dem Weg zur Uni-Umbenennung sind die Arndt-Gegner in ein selbstgeschaufeltes Loch gestolpert. Eine Revision der letzten Ereignisse und ein kleiner Ausblick.
Erste StuPa-Sitzung der neuen Legislatur am 14. April
14. April 2009 Die erste Sitzung des Studierendenparlaments (StuPa) der Uni Greifswald in der Legislatur 2009/2010 steht an. Zentrales Thema sind mangels Kandidaten für das Präsidium die Änderungsanträge zur Geschäftsordnung (GO) des StuPa. Keine große Aussicht also, dass diese Sitzung des neugewählten Gremiums bedeutend sein könnte.
Die GO legt fest, wie debattiert und abgestimmt wird. Mit der Drucksache 19/15 stellen alle StuPa-Mitglieder der Juso HG, die Hochschulgruppe der Jungen SozialistInnen in der SPD, einen Änderungsantrag zum fünften Paragraphen dieser GO. Er wird via StuPa-Beschluss nun dahingehend geändert werden, dass der Antrag eines Parlamentsmitgliedes reicht, damit geheim abgestimmt werden muss. Weil gerade die Mitglieder der Juso HG nicht selten sogar gegensätzlich abstimmen, erklärte Juso-Stupist Stephan Schumann den Zweck dieser Änderung im moritz 77 so: Mit geheimen Abstimmungen werde der Fraktionszwang reduziert und die Stimmrechte der einzelnen Fraktionsmitglieder werden gestärkt. Tenor der Begrüdung: Nicht die Meinung der Fraktionskollegen soll über das Abstimmungsverhalten entscheiden, sondern nur das eigene Gewissen. (mehr …)
von Laura Brehme | 09.07.2009
Am 17.Juni stimmte die Studierendenschaft auf der Vollversammlung dafür, dass ihre Universität den Namen „Ernst Moritz Arndt“ ablegt (wir berichteten). Seitdem wurde das Thema in verschiedenen Medien diskutiert.
Vielfach kritisiert wurde der Umgang der Ostseezeitung mit dem Thema. Am 23. Juni, wenige Tage nach der Vollversammlung, erschien ein Artikel in dem der eremitierte Professor Karl-Ewald Tietz den Namenspatron in Schutz nahm. Dass dieser einer der Vorsitzenden der Ernst-Moritz-Arndt-Gesellschaft ist, verschwieg man den Lesern großzügig. Diese Tatsache aber könnte Sätze wie: „Die Gesellschaft stehe für einen kritischen Umgang mit Arndt, der dabei immer „sein Fett weg bekomme“,sagt Tietz.“ in einen ganz anderen Kontext rücken.
Doch auch in vielen Leserbriefen wurde der Beschluss aufgegriffen – überwiegend ablehnend. So sorgte einer der Briefe für Wirbel, in dem sich zwei Leser aus Püttelkow gegen die Namensänderung aussprechen und vor Linksextremismus in unserer Gesellschaft warnen. Der Brief wies erhebliche Ähnlichkeiten zu der Berichterstattung auf der Website „Altermedia“ auf, die der rechtsextremistischen Szene zugeordnet wird (wir berichteten). Eine Aufklärung über den Hintergrund des Autoren erschien erst einige Tage später, erneut per Leserbrief.
Gegner der Umbennenung: Vor allem drei Argumente
Doch auch viele andere Leser sprechen sich gegen die Namensumbenennung aus. Hier dominieren vor allem drei Argumente: Zum einen kritisieren viele, dass die Studierenden über den Namen der Universität abgestimmt haben, obwohl diese meist nicht mal hier gemeldet sind, geschweige denn geboren. Diese Leser sehen das Recht über eine Namensabstimmung bei den Greifswalder Bürgern, die schon Jahrzehnte in der Stadt wohnen. (mehr …)
von Carsten Schönebeck | 27.06.2009
Ein Kommentar von Carsten Schönebeck
Wer sich bei der Vollversammlung der Studierendenschaft noch über Formalismus und Langeweile beschwerte, der konnte am vergangenen Dienstag im Studierendeparlament (StuPa) erleben, wie es anders geht. Denn langweilig war es dort mit Sicherheit nicht – und an „die Form“ hielten sich nur Wenige im Eifer des verbalen Gefechts.
Schon im Vorhinein zeichnete sich eine lange und schwierige Sitzung ab: Knapp zwanzig Punkte umfasste die Tagesordnung. Die gesammelten Beschlüsse der Vollversammlung waren nur einer davon. Wen wundert es da, dass sich nach zwei Stunden Berichten aus dem AStA, den Medien und den Arbeitsgruppen erste Nervositäten einstellten. Jeder wollte, dass „sein“ Thema noch behandelt wird. Was sich jedoch in der knapp sechsstündigen Sitzung entwickelte, hatte nichts mehr mit Nervosität zu tun. Zu viele der Anwesenden machten den Eindruck, als würden sie lediglich und ausschließlich ihre eigenen Interessen vertreten.
Ernst-Moritz-Arndt-Kindergarten Greifswald
In der Retrospektive ist es kaum zu glauben, dass sich Einzelne vor wenigen Wochen noch über Stephan Schumanns Wortwahl ereiferten, weil er zu späterer Stunde gegen den Schluss der Sitzung argumentierte: „Lasst uns den Scheiß jetzt durchziehen.“ Wer die letzte Sitzung und das Verhalten einiger StuPisten aber miterlebt hat, würde Schumann nun getrost als AStA-Referenten für Sitte und Anstand vorschlagen.
Die Ruhe vor dem Sturm: StuPa-Sitzung am 23. Juni
Hitzige Debatten sind das Salz in der Parlamentssuppe, werden da viele sagen. Doch jenen sollte man kräftig in selbige spucken. Wenn einzelne StuPisten (vermessen wie wir ja als angehende Akademiker alle sind) an alte Parlamentsdegen wie Kiesinger, Geißler, Wehner oder Schmidt erinnern, dann sei ihnen gesagt, dass auch diese Herren ihre gewagte Rhetorik stets mit einer kontrollierten Kaltschnäuzigkeit einsetzten. Beim Parlamentsdegen ist es nämlich wie mit jeder anderen Waffe: Wer nicht damit umzugehen weiß, verletzt sich am Ende nur selbst. Und wer seinem Gegenüber in einer Debatte den Mittelfinger zeigt…nun ja.
Das die verfasste Studierendenschaft an diesem Abend ein schlimmeres Bild abgab als es eine Million Ernst-Moritz-Arndt-Briefköpfe es jemals tun kann, ist den Beteiligten hoffentlich bewusst. Insofern ließe sich überlegen, ob man auf die Dokumente nicht künftig Katharina-Saalfrank-Universität drucken sollte. So eine kleine „Super-Nanni-Sitzung“ könnte einigen StuPisten nicht schaden. Mit „stiller Treppe“ und allem was sonst noch dazu gehört. (mehr …)
von Carsten Schönebeck | 23.06.2009
Ein übereifriger Techniker hat auf eine freundliche Anfrage unserer Techniker mit umfangreichen Server-Updates reagiert, die den Server leider lahmgelegt haben. Daher ist der webMoritz derzeit wieder offline. Wir tickern daher hier!
20:15 Die Sitzung hat begonnen. Der Präsident gibt bekannt, dass Christian Sett sein StuPa-Mandat niedergelgt hat. Er wird sein Studium in Leipzig fortsetzen. Fabian Freiberger ist als Vertreter in der Landeskonferenz der Studierenden zurückgetreten. (mehr …)
von Carsten Schönebeck | 22.06.2009
Ein Kommentar von Carsten Schönebeck
Heureka! Es hat geklappt: Die Vollversammlung (VV) war – zumindest zeitweilig – beschlussfähig. Unabhängig davon, was man von einzelnen Beschlüssen oder Beiträgen hält, ist dies sicher ein Erfolg, für den die Organisatoren rund um den Allgemeinen Studierendenauschuss die ein oder andere Lorbeere verdient haben.
Dass dies der Aufbruch in ein neues demokratisches Selbstbewusstsein der Greifswalder Studenten ist, darf allerdings bezweifelt werden. Wahrscheinlicher ist doch, dass intensive Bewerbung der Veranstaltung durch den AStA, das Reizthema Arndt und sicher auch die Verlosung viele Studenten bewegt haben, in diesem Jahr ihrer Stimme Gehör zu verschaffen – oder zumindest physisch präsent zu sein. Ob Sie es auch im nächsten Semester wieder tun werden, ist derweil fraglich.
Im Rückblick auf den vergangenen Mittwoch jedoch, wird wieder einmal deutlich, woran die Vollversammlung wirklich krankt.
Ironie oder Satire: StuPist Sebastian Jabbusch als Ernst Moritz Arndt
Dass ein (sicherlich wichtiger) Antrag zum Namensgeber der Universität die auffälligste Vorbereitung, die längste Debatte und das größte Echo nach sich zieht, zeigt, wie sehr die VV populistisch beeinflussbar ist. Gleichzeitig werden Themen wie die grotesk-katastrophale Wohnraumsituation in Greifswald oder die Einführung von Verwaltungsgebühren durchgewunken, als habe man in diesen Fragen längst resigniert und wolle lediglich in regelmäßigen Abständen guten Willen beweisen.
Der Arndt-Antrag selbst war mit einer politischen Naivität formuliert, bei der man nicht genauer darüber nachdenken möchte, dass er nicht nur vom Otto-Normal-Studenten sondern auch von einigen Mitgliedern des Studierendenparlaments gestellt wurde. „Die Studierendenschaft möchte sich distanzieren (…) Deshalb werden alle Organe der Studierendenschaft (AStA, StuPa, FSRe) aufgefordert, diesen Namen auf offiziellen Dokumenten nicht zu verwenden.“
Glücklicherweise wurde diese gedankliche Kurzarbeit noch auf der Vollversammlung korrigiert.
Löblich immerhin, dass dabei die gewählten Vertreter der Studenten sich eines Themas angenommen haben und viel Zeit in eine Kampagne gesteckt haben, um ihre Sache zu bewerben. (Auch wenn bei einigen der fade Nachgeschmack bleibt, dass es hier eben genau um ihre Sache ging.) Diesen Aufwand kann man offenbar nicht von allen Parlamentariern erwarten, die diese Verantwortung zu einem guten Teil auch noch von sich weisen. Die Vollversammlung sei eben das Plenum der Studierenden, die gewählten Vertreter seien nicht als primus inter pares dort, hört man von einem Großteil der StuPisten zu diesem Thema.
Doch erst, wenn man im StuPa erkennt, dass die VV nur dann leben wird, wenn eben Themen vorbereitet, durchdacht, formuliert und beworben werden, können wir auch in den kommenden Semestern auf beschlussfähige Versammlungen hoffen. Denn Fakt ist: Wer hochschulpolitisch interessiert ist, engagiert sich in StuPa, AStA, Fachschaftsräten oder ähnlichem – und schon dort hat man es schwer genug, alle Stellen zu besetzen. Wer nicht interessiert ist, den muss man dort abholen, wo er steht – und wenn das auch im Durcheinandertal zwischen Desinteresse und Resignation ist. Der ewige Fingerzeig einiger Gremienmitglieder auf die VV als Plattform für jeden Kommilitonen hilft da auch nicht weiter. Wer nie gelernt hat, eine Angel zu bauen, dem bringt es nichts, wenn er ständig auf das Meer verwiesen wird.
Als rein populistisch muss wohl der Antrag des RCDS gesehen werden, der die geplante Verlosung der 564 Euro verhindern wollte. Symbolisch mag man sich dafür aussprechen – und dass viele es nicht taten, zeigt nur, wohin die Verlosung uns geführt hat – inhaltlich aber verbarg sich dahinter bestenfalls Mumpitz. Wie will die Versammlung verbieten, dass drei Studenten eine Verlosung organisieren? Wie, dass der Rektor dafür 500 Euro gibt? Wie will sie erzwingen, dass dieses Geld, das für einen bestimmten Zweck gegeben wurde, nun für einen anderen verwendet wird? Allenfalls über die 64 Euro aus der AStA-Kasse kann man sich streiten. Und selbst dort: Ein Beschluss der VV kommt, so die Parlamentarier es wollen auf die Tagesordnung des StuPa und kann dort abgesegnet werden. Dann, wenn der glückliche Gewinner schon längst die ein oder andere Runde spendiert hat.
Von den Jusos dagegen kam erschreckenderweise nur ein einziger Änderungsantrag. Der forderte, dass man sich nicht nur gegen Studiengebühren sondern auch gegen Studienkonten ausspricht. Wo blieben die Anträge zur politischen Stärkung der Vollversammlung? Ein Thema, mit dem viele der Jungsozialisten intensiv für sich und ihre Arbeit in den Gremien geworben hatten.
Dass man den 10. Geburtstag des Bologna-Prozesses zwar thematisierte, aber nicht etwa inhaltlich – sondern mit Spaghetti für alle, soll an dieser Stelle unkommentiert für die Nachwelt erhalten bleiben.
Souverän oder Stimmvieh: Studenten auf der Vollversammlung am 17. Juni
Ein fatales Signal für die verfasste Studierendenschaft muss aber auch der beschlossene Antrag von Arik Platzek sein: Künftig sollen StuPisten und AStA-Mitglieder verpflichtet sein, zur Vollversammlung zu kommen. Im Umkehrschluss bedeutet dies nämlich, dass gerade die AStA-Referenten künftig ihre Aufwandsentschädigung für die Anwesenheit auf der VV bekommen. Dagegen gehalten scheint die Verlosung unter allen Anwesenden eher unspektakulär.
So kam es wie es kommen musste: Am Ende kritisierten Anwesende, die Veranstaltung sei zu formal und langwierig gewesen. Man muss mit großer Demut und Menschenfreundlichkeit gesegnet sein um diese Kritiker noch demokratisch ernst zu nehmen. Die Formalia wurden so kurz wie möglich gehalten (sodass auf der anderen Seite schon Kritik aufkam, die Beschlussfähigkeit sei nicht genügend kontrolliert worden), die Versammlung fand unter freiem Himmel statt, Geldverlosung, Essen für alle und Bierverkauf. Soll es beim nächsten Mal noch ein Riesenrad und einen Auto-Scooter geben? Die Vollversammlung ist kein Jahrmarkt für Intellektuelle und solche, die es werden wollen. Das demokratische Tagesgeschäft ist langwierig und deshalb oft auch -weilig. Denn es geht gerade darum, alle Meinungen zu hören und tragfähige Kompromisse zu finden. Auch wenn „nur“ 10% der Studenten anwesend sind, dauert das eben eine Weile.
Fazit: Die VV war beschlussfähig, die angesetzten Hebel haben offenbar gewirkt und damit ist ein erster Schritt gegangen. Bis man es aber schafft, die Kommilitonen auch thematisch mit ins Boot zu nehmen und sie sie damit aus den Händen der Populisten befreit, die sie als Stimmvieh vor den eigenen Karren spannen wollen, muss noch einiges geschehen.
Bilder:
Luisa Wetzel