Theater: 2011 droht die Insolvenz

Aufsichtsrat-Chef Wolfgang Joecks, Theater-Geschäftsführer Rainer Steffens, Betriebsrätin Sabrina Sadowska, Moderator Rüdiger Bloch und Schulleiter Nils Kleemann diskutieren über das Theater.

Wo sonst Theateraufführung auf der Bühne stattfinden, ging es zwar auch um das Theater, nur ging es diesmal um die Zukunft des Hauses, in einer Podiumsdiskussion, wo unter anderen Theater Vorpommern Geschäftsführer Dr. Rainer Steffens (CDU) letzte Woche Rede und Antwort stand. Nur zu den gekündigten Geschäftsführern wollte Steffens nichts sagen.

Während im Jahr 2009 ein Defizit von 228.000 Euro erzielt wurde, sind für dieses Jahr zwar 38.900 Euro Gewinn eingeplant. Jedoch werden bis 2020 jährliche kontinuierlich steigende Defizite bis in die Millionen hinein erwartet. Damit sinke das Eigenkapital von 285.100 Euro Anfang 2010 auf fast 18 Millionen Euro, negativ versteht sich.

Angesichts dieser dramatischen wirtschaftlichen Lage hat die Bürgerschaft Greifswald auf ihrer Sondersitzung am Montagabend einen Prüfauftrag für das Theater Vorpommern erteilt. Die Verwaltung hat nun freie Hand, alle notwendigen Strukturveränderungen zur Zukunftssicherung des Theaters zu prüfen. Es besteht akuter Handlungsbedarf, da der Kulturstätte bereits im kommenden Jahr die Insolvenz droht.

Kultursenator Ulf Dembski (SPD)

„Die Probleme sind nur mit erheblichen Strukturveränderungen zu beheben“, machte Kultursenator Ulf Dembski (SPD) bei seiner Fürsprache für den Prüfauftrag in der Bürgerschaft deutlich. „Es ist wichtig, alle Optionen zu untersuchen. Ich warne davor, eine Beschränkung vorzunehmen. Das Theater muss am Ende finanzierbar sein.“ Dem Appell folgte die Mehrheit der Bürgerschaft, darunter Wolfgang Joecks (SPD), Axel Hochschild (CDU) und Manfred Matschke (FDP). Bürgerliste und Linkspartei hatten dafür plädiert, die Prüfung in Richtung Theaterfusion komplett aus der Beschlussvorlage zu entfernen. Dieser Änderungsantrag fand jedoch keine Mehrheit.

Auch in der Podiumsdiskussion machte Steffens deutlich, dass es „keine Tabus“ gebe, auch über eine Fusion werde geredet, es sei „aber kein Fakt, dass sie Ende 2010 kommt“. Nachdrücklich verwies er darauf, dass der Prüfantrag „offen“ im Ergebnis sei. Die neuen Geschäftsführer seien „nicht als Abwickler“ eingestellt worden.

Einig waren sich die knapp über hundert Teilnehmer am Mittwochabend, dass Greifswald sein Theater behalten müsse. „Ich rufe Sie alle auf, das Theater zu erhalten“, sagte beispielsweise der Theater-Geschäftsfüher. „Kultur ist etwas ganz Wichtiges“, meinte eine Deutschlehrerin. „Das Theater ist unverzichtbar“, meinte ein anderer.

Schere zwischen Einnahmen und Kosten öffnet sich weiter

Rechtsanwalt und Theater-Geschäftsführer Dr. Rainer Steffens (CDU)

Schnell brachte Moderator Rüdiger Bloch die Diskussion auf den Punkt: „Geld ist die zentrale Frage“. Die Schere zwischen Einnahmen und Kosten gehe immer weiter auseinander, so der ehemalige Intendant des Theaters Vorpommern. Zwar sieht Steffens „keine akute Insolvenzgefahr“, aber „perspektivisch kann mit den laufenden Mittel das Theater nicht weiter betreiben werden“. Grund seien steigende Kosten bei sich kaum ändernden Einnahmen. Die Gesellschafter würden nun ein Konsolidierungskonzept erwarten.

Neben den Eintrittsgeldern erhält das Theater Zuschüsse von den drei Gesellschaftern, also der Städte Greifswald, Stralsund und des Landkreises Rügen und des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Zumindest aus den Stimmen zur Greifswalder Bürgerschaft wurde deutlich, dass diese interfraktionell hinter dem Theater stehen. Anders sieht es mit den Zuschüssen des Landes aus, die seit 1994 konstant sind und es auch noch die nächsten zehn Jahre bleiben sollen. Jedoch wünsche sich das Land Fusionen, so Steffens und werde Anstrengungen bei der Höhe der Zuschüsse berücksichtigen. Sieht das Land diese nicht, könnten die Zuschüsse geringer ausfallen. Hieran entzündete sich große Kritik, weil das Land nur reine Bundesmittel weiter verteile ohne einen eigenen Beitrag zu leisten. Eine finanzielle Beteiligung forderte ein Gast unter Beifall.

Keine Betriebsbedingten Kündigungen

Betriebsratsvorsitzende Sabrina Sadowska machte deutlich, dass die Mitarbeiter auf einen Teil ihres Gehalt verzichteten, um die finanzielle Lage des Theaters zu erleichtern. Bei den harten Verhandlungen habe es Arbeitsplatzsicherung bis mindestens Ende 2011 gegeben. Aufsichtsratsvorsitzender Professor Wolfgang Joecks (SPD) ergänzte, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde.

Fusion mit anderen Theatern nicht erwünscht

Knapp 100 Gäste lauschten gespannt der Diskussionsrunde

Was die Fusion angeht, gab es auch großen Widerstand. „Fusionen sollen Zuschauerströme lenken, das wird aber nichts“, machte ein Zuhörer deutlich. Ob man dann in andere Theater zu Aufführungen fährt, wurde teils bejaht, aber überwiegend skeptisch gesehen. Bloch, der in Anlehnung an das Positionspapier zur Lehrerbildung, ein solches Papier auch für das Theater zu erarbeiten forderte, berichtete von mehreren von ihm durchgeführten Fusionen, die die Probleme aber nur verschoben hätten. Joecks will keine Fusion, „bei der am Ende alle Pleite sind“. Zu Kooperationen mit anderen Theatern zeigte man sich allerdings offen.

Was die Zukunft anging, war man sich einig, dass an der Theaterpädagogik nicht gerüttelt werden soll und viele sehen sogar noch ein großes Potential bei der Jugend, um die Besucherzahlen zu erhöhen. Laut Joecks wird das aber nicht viel helfen, weil von Schülern und Studenten nicht hohe Eintrittspreise verlangt werden können. Bloch taxierte die Eintrittsgelder auf 15% der Gesamteinnahmen. Die Sommerbespielung soll auch weiter geführt werden, eventuell im Wechsel von Greifswald und Stralsund. Ein Gast schlug die Einbeziehung der Klosterruine Eldena mit ein. Applaus erhielt Joecks, als er sagte: „Wir müssen aus der Not eine Tugend machen“.

Fotos:

David Vössing (Gruppenbild, Diskussionsrunde-Publikum)

Torsten Heil (Ulf Dembski, Rainer Steffens)

Wahlinterviews (5): Dr. Rainer Steffens (CDU)

Am 7. Juni wählt Greifswald eine neue Bürgerschaft. Der webMoritz interviewt Vertreter aller Parteien und Wählergemeinschaften. Heute: Dr. Rainer Steffens von der CDU.

webMoritz: Etwa 30% der Greifswalder sind Studenten oder Hochschul-Mitarbeiter. Was sind die Möglichkeiten der Bürgerschaft, etwas für diese Gruppe zu tun?

Dr. Rainer Steffens: Wer am Straßenverkehr teilnimmt sieht, dass wir unheimlichen Nachholbedarf haben in einigen Straßen und dass wir Radwege schaffen müssen. Wenn ich daran denke, dass wir in den nächsten Jahren den Wechsel haben, dass die Kliniken auf den Campus ziehen, ist zum Beispiel die Löfflerstraße ein ganz dringendes Beispiel.

Das ist etwas, was mir im Straßenbild auffällt, da muss was gemacht werden. Und da sind wir dann schon in dem Bereich in dem die Stadt helfen kann, nämlich Infrastrukturen zu schaffen, die dann auch von Studenten und Mitarbeitern der Universität genutzt werden. Im universitären Bereich ist ja die Universität selbstständig. Da müssen wir uns raushalten.

webMoritz: Das heißt hier sehen Sie akute Probleme, die demnächst angegangen werden müssen?

rainer_steffens-300x200-rainer_steffens1Dr. Rainer Steffens: Also wenn ich von hier losfahre zum Amtsgericht, dann hat man einfach gefährliche Situationen, weil die Fahrradfahrer nicht ausweichen können, sie müssen die Straße benutzen. Und das sieht man jeden Tag. Also da denke ich, gibt es in verschiedenen Bereichen der Stadt noch Nachholbedarf.

webMoritz: Greifswald hat zu wenig Wohnraum zu studentischen Preisen. Was kann die Stadt tun?

Dr. Rainer Steffens: Die Wohnungen, auf die die Stadt Zugriff hat, liegen ja bei der WVG und insofern wird dort über die Gremien, wie den Aufsichtsrat, Sorge getragen, dass die Mietpreise nicht ins exorbitante gehen. Aber es ist natürlich insbesondere auch die Privatwirtschaft gefragt und da muss sich auch der ein oder andere Vermieter fragen, ob er es nicht übertreibt. (mehr …)