Lasst mich euch mitnehmen in eine Welt von elitären College-Student*innen, exzentrischen Professor*innen und exklusiven Gruppierungen. In der Welt des Hampden College in Vermont scheint dies zur Normalität zu gehören – bis ein Student tot aufgefunden wird. Die Welt steht still. Die Außenseiter rücken ins Rampenlicht. Und Ordnung zerfällt ins Chaos.
„The Secret History“ (dt. Titel „Die geheime Geschichte“) ist der Debütroman der amerikanischen Autorin Donna Tartt. Sie begann das Buch zu schreiben, während sie noch Kreatives Schreiben an einem kleinen, exklusiven College – welches später auch als Vorlage für „The Secret History“ diente – studierte. Es brauchte etwa zehn Jahre bis zur Fertigstellung des Romans. Ein Muster, welches sich auch bei ihren beiden nachfolgenden Romanen „The Little Friend“ (2002) und „The Goldfinch“ (2013) wiederholte. Im Jahr 1992 wurde der Roman dann schlussendlich veröffentlicht und statt der üblichen Anzahl von 10.000 Ausgaben in der Erstausgabe wurden 75.000 gedruckt. Bereits vor Veröffentlichung galt das Buch in den Medien als Topseller. Mittlerweile wurde es in 24 Sprachen übersetzt und über 5 Millionen Mal verkauft. Vor allem in den letzten Jahren gewann es durch die steigende Popularität des Subgenres Dark Academia wieder eine hohe Aufmerksamkeit.
Die düstere Welt des Hampden College
Die Ereignisse im Roman werden von Richard Papen geschildert, einem der Hauptcharaktere der Geschichte. Er kommt nach Vermont um Altgriechisch zu studieren und um seine Vergangenheit und Familie in Kalifornien zurückzulassen. Doch in Vermont angekommen sieht er sich mit der Tatsache konfrontiert, dass es schier unmöglich scheint, in den Kurs für Altgriechisch zu kommen. Das liegt jedoch nicht daran, dass dieser überlaufen ist. Nur eine Gruppe von fünf Leuten studiert unter den exzentrischen Professor Julian Morrow und dieser hat die Entscheidungsmacht, wen er unter seine Fittiche nehmen will. Schlussendlich entscheidet er sich dann aber doch dazu Richard aufzunehmen. Und so lernt er eine Gruppe von scheinbar extravaganten und höchst merkwürdigen Studierenden kennen: Henry, Bunny, Francis und die Zwillinge Camilla und Charles. Er freundet sich mit ihnen an, doch schon bald machen sich Spannungen bemerkbar und ihm wird bewusst, dass er längst nicht alles über seine neuen Freunde weiß. Nach ereignisreichen Ferien wird das angespannte Verhältnis zwischen Bunny und Henry, dem charismatischen Anführer der Gruppe, immer deutlicher. Das ganze Geschehen gipfelt darin, dass die Gruppe Bunny schlussendlich umbringt.
Up until the very end there was always, always, Sunday-night dinner at Charles and Camilla’s, except on the evening of the murder itself, when no one felt like eating and it was postponed until Monday.
The Secret History, S. 93
Präzision und Tiefe
Das Besondere an dem Roman ist, dass man von Beginn an weiß, dass der Mord geschehen ist, denn Richard erzählt davon schon in der Einleitung. Im Verlaufe des Buches werden dann durch Richard rückblickend alle Ursachen die zu diesem Punkt geführt haben aufgeschlüsselt und alles was nach dem Mord geschehen ist erzählt. Man merkt dem Roman definitiv an, wie viel Arbeit und Zeit darin steckt. Es ist wohl eines der detailreichsten Bücher, das ich je gelesen habe. Teilweise hat man das Gefühl, dass Tartt während ihres Schreibprozesses über jedes Wort intensiv nachgedacht hat und über dessen Wirkung auf das Ganze. Es ist ein Kunstwerk der Literatur und die Buchstaben sind präzise Pinselstriche. Akkurat gesetzt, mit viel Bedeutung und anspruchsvoll.
„The Secret History“ steht und fällt mit den Figuren. Der Roman besticht mit starker Charaktertiefe. Sie sind merkwürdig, exzentrisch, extravagant und rätselhaft. Man kann sie nicht als liebenswert beschreiben, dafür sind sie zu abtrünnig. Sie sind faszinierend und elitär. Man möchte dazugehören und gleichzeitig Abstand von ihnen halten. Die Gruppe zeigt beinahe sektenähnliche Verhaltensweisen auf. Es ist keine gesunde Freundschaft zwischen ihnen – ich persönlich würde es nicht einmal Freundschaft nennen, sondern es besteht eine Art Abhängigkeit zwischen den einzelnen Charakteren, vor allem nach dem Mord. Außenstehende werden mit Skepsis betrachtet. In die Gruppe einzutreten ist beinahe unmöglich. Innerhalb der Gruppe muss man sich gut in das Bild einfügen. So hat Richard das Bedürfnis, so zu tun, als wäre er reich und verheimlicht, dass er arbeiten gehen muss. Bunny wird von allen aufgrund seiner geringeren Intelligenz eher abschätzig betrachtet.
Kultisch oder elitär?
Auslöser der elitären Gruppendynamik ist zweifelsfrei Julian Morrow, ihr Professor. Er verfolgt eine Art Ideologie, bei der es nur einen sehr guten Lehrenden bedarf, und keiner Vielfalt. Die Sechs folgen Julians Worten, was er sagt gilt. Man buhlt um seine Anerkennung, möchte an Julians Leben teilhaben. In einem Absatz reflektiert Richard Julians Verhaltensweisen nachträglich (meine liebste Stelle im Buch – S. 575–578). Dabei sagt er, dass Julian eine Begabung dafür hätte, das Gefühl der Minderwertigkeit bei jungen Menschen in Überlegenheit zu verwandeln. Außerdem wird erwähnt, dass er sich nur auf bestimmte Aspekte konzentriert und diesen mehr Bedeutung verleiht als sie verdienen, und dafür andere wichtige Dinge völlig auslässt.
„I believe that having a great diversity of teachers is harmful and confusing for a young mind, in the same way I believe that it is better to know one book intimately than a hundred superficially,“ he said. (Julian)
The Secret History, S.32
Vor allem Henry folgt beinahe obsessiv dem Gedanken, Julian zu gefallen und bricht vollends zusammen, als Julian ihn im späteren Verlauf des Buches fallen lässt. Es wird deutlich, dass Julian es geschafft hat ihn vollends von der aktuellen Zeitgeschichte zu lösen, als er völlig schockiert über die Mondlandung ist.
Once over dinner, Henry was quite startled to learn from me that men had walked in the moon. „No,“ he said, putting down his fork. […] „I don’t believe it.“
The Secret History, S. 93
Neben Julian ist Henry wohl der interessanteste Charakter. Zu Beginn möchte man als Leser*in am liebsten die Aufmerksamkeit von Henry erhalten. Er ist der perfekte Charakter. Immer ordentlich gekleidet, intelligent und strahlt eine Art Autorität aus, die aber nicht abschreckend ist. Seine Freunde folgen ihm. Es ist klar auszumachen, dass er eine Stufe über ihnen steht. Während des Buches zerfällt dieser perfekte Schein immer mehr. Es kommt immer und immer mehr die verrückte Seite Henrys zum Vorschein. Er beginnt nicht nur seinen Freunden Angst zu machen, sondern auch man selbst bekommt beim Lesen Angst vor ihm und entwickelt eine Abneigung. Seine Ansichten sind wirr. Er wirkt völlig ignorant zu allem, was um ihn herum geschieht.
„It’s a terrible thing, what we did,“ said Francis abruptly. „I mean, this was not Voltaire we killed. But still. It’s a shame. I feel bad about it.“ „Well, of course I do too,“ said Henry matter-of-factly. „But not bad enough to want to go to jail for it.“
The Secret History, S. 220
„It was an unfortunate incident and I am sorry that it happened, but frankly I do not see how well either the taxpayers‘ interests or my own would be served by me spending sixty or seventy years in a Vermont jail.“ (Henry)
The Secret History, S.194
Im späteren Verlauf wird dieser Zerfall seines Charakters dann auch visuell verdeutlicht, als er sich selbst mit Dreck beschmiert. Auch die anderen Charaktere zerbrechen an den Geschehnissen, doch ist es hier nicht so erschreckend wie bei Henry, da sie auch vorher schon Fehler aufwiesen und diese auch sichtbar waren.
Then, with terrible composure, he stepped back and absently dragged the hand across his chest, smearing mud upon his lapel, his tie, the starched immaculate white of his shirt. […] He seems not to realize he had done anything out of the ordinary.
The Secret History, S. 474
Lügen oder Realität?
Der Roman fokussiert auf die Dynamiken innerhalb dieser Freundesgruppe. Die Folgen eines Mordes werden Wort für Wort herausgearbeitet und dargestellt. Man erlebt beim Lesen den Eintritt einer Person in eine beinahe diktatorische, elitäre Gruppe und welche Auswirkungen diese haben kann. Richard wird vom unsichtbaren Außenseiter Teil einer exzentrischen Gruppe und findet sich am Ende als Mörder wieder. Während des Lesens fragt man sich, war das Böse immer schon da? Wurde es freigesetzt? Was wäre passiert, wenn alles anders gelaufen wäre? Wäre Bunny trotzdem gestorben? Und schlussendlich: Ist das alles überhaupt passiert? Denn Richard ist ein unzuverlässiger Erzähler. Er erzählt aus seiner Perspektive, was er wahrgenommen hat. Gleichzeitig erzählt er zu Beginn auch, dass er ein hervorragender Lügner ist. Und er lügt immer. Er belügt seine Freunde über seine Herkunft, seinen finanziellen Status und teilweise sogar über seinen Verbleib. Am Ende muss man sich also fragen, ob das alles wirklich so passiert ist?
If there is one thing I’m good at, it’s lying on my feet. It’s sort of a gift I have.
The Secret History, S. 26
Ein Kunstwerk aus Buchstaben
„The Secret History“ ist definitiv eines der besten Bücher, wenn nicht sogar das beste Buch, was ich bisher gelesen habe. Es ist packend, zieht einen in seinen Bann und lässt einen mit offenen Fragen zurück. Es sind die Details, die besonders herausstechen. Selbst die noch so kleinsten Handlungen haben große Bedeutung, die man entschlüsseln will. Und vor allem sind es die Charaktere, die man am liebsten analysieren möchte und ihre Psyche ergründen will. Was hat zu alldem geführt? Es ist ein Meisterwerk der Literatur. Wer dieses Buch liest, erkennt, das das Schreiben eine Kunstform ist. Für mich ist es bereits ein Klassiker und Donna Tartt steht auf einer Stufe mit den großen Autor*innen vergangener Epochen.
Beitragsbild: Vanessa Finsel
Zur Person der Autorin
Vanessa (sie/ihr) ist für das Lehramtsstudium 2023 nach Greifswald gekommen und seit dem Studienbeginn bei den moritz.medien. Sie begeistert sich für Bücher und Filme. Ihr Lieblingstier ist der rote Panda.
Den ersten Trailer zum Film „Challengers – Rivalen“ habe ich bereits letztes Jahr über die Kinoleinwand flackern sehen. Sofort habe ich beschlossen: Diesen Film muss ich sehen. Der Cast, die Story, die Background-Musik – alles hat mich angesprochen. In diesem Artikel erfahrt ihr, ob sich ein Kinobesuch für diesen Film lohnt oder nicht.
Das Drehbuch zum Film stammt aus der Feder von Justin Kuritzkes und die Regie führte Luca Guadagnino. Von Guadagnino kannte ich bereits die Buchadaption von „Call Me by Your Name“ sowie das Horror-Drama „Bones and All“, die ich beide sehr gerne mochte. Deshalb hatte ich bereits im Vorhinein große Erwartungen an „Challengers“. Im Fokus des Filmes stehen drei Tennisspieler: Tashi Duncan (Zendaya), Patrick Zweig (Josh O’Connor) und Art Donaldson (Mike Faist). Zu Beginn treffen sich Art und Patrick zu einem Match auf dem Tennisplatz eines luxuriösen Countryclubs. Es ist das Finale eines Challenger-Turniers. Art ist verheiratet mit Tashi, die auch gleichzeitig seine Trainerin ist. Die beiden führen ein luxuriöses Leben, in dem sie von einem Nobelhotel ins das nächste ziehen, weil ihre Tochter Hotels gerne möge. Die wird aber vor allem von ihrer Großmutter erzogen, weil Art und Tashi sich hauptsächlich auf Tennis fokussieren. Nach sehr erfolgreichen Jahren in dem Sport ist Art nämlich in einer Flaute gefangen und kassiert Niederlagen in den großen Wettkämpfen. Um ihn wieder aufzubauen und für mehr Spielpraxis, meldet seine Frau ihn bei dem Turnier an, nicht ahnend, dass sie dort auf Patrick Zweig treffen würden. Dieser ist nicht nur Arts ehemaliger bester Freund und Spielpartner, sondern auch Tashis Exfreund. Sein Leben ist ziemlich abgewrackt und er ist auf erfolgreiche Tinder-Dates angewiesen, um einen Schlafplatz zu haben, weil er sich nicht einmal das billigste Motel leisten kann. Das Spiel der beiden wird zu einem emotionalen Ritt und so wie der Ball hin und her geschlagen wird, springt auch der Film zwischen der Vergangenheit und dem Jetzt hin und her. Die Zuschauer*innen sehen, wie Art und Patrick Tashi kennengelernt haben, die damals ein aufstrebender Tennis-Star inklusive Adidas-Werbekampagne war. Man erfährt, was alles seitdem passiert ist und wie es zu dem Punkt gekommen ist, an dem die Drei jetzt sind.
Trailer
Der Film kam erst einige Wochen nach Erscheinungstermin in das Greifswalder Kino. Zu dem Zeitpunkt hatte ich mich bereits damit abgefunden, warten zu müssen, bis der Film auf einer der bekannten Streamingplattformen erscheint, als mir eine Freundin schrieb, dass wir den Film doch noch im Kino sehen könnten – mittlerweile denke ich allerdings, dass es doch nicht so schlecht gewesen wäre zu warten.
Ich muss zugeben, ich bin nicht wirklich neutral an den Film rangegangen. Die Erwartungen waren hoch und das nicht nur wegen Luca Guadagnino, sondern auch wegen zwei der drei Hauptdarsteller*innen. Mike Faist kannte ich bereits aus der oscarnominierten Neuauflage des Musicals „West Side Story“ und Zendaya aus zahlreichen Film- und Serienprojekten, wie Euphoria oder Dune. Für mich entsprechend große Namen, die in diesem Film involviert waren. Doch nach dem Film wurde mir deutlich bewusst, dass selbst großartiges Schauspiel einen Film nicht immer retten kann.
Um das vorwegzunehmen, ich habe nichts gegen romantische Dramen. Es ist eher das Gegenteil der Fall. Viele Filme, die ich zu meinen Liebsten zähle, gehören dieser Kategorie an. Dennoch ist es in meinen Augen für neue Filme dieses Genres schwer, an die alten Filme heranzukommen, einfach weil viele Geschichten schon erzählt sind. Die Story von „Challengers“ ist im Groben nichts besonderes: Zwei Männer verlieben sich in die gleiche Frau und diese fühlt sich zu beiden hingezogen – das Schema kennt man bereits aus verschiedensten Filmen und Serien wie Twilight, The Vampire Diaries oder The Revenge. Man hat hier also die Welt nicht neu erfunden, aber es wurde durch das Tennis-Thema ein Twist eingebaut in das Schema, dass den Film trotz der eher wenig aufkommenden Spannung interessant macht. Während die beiden männlichen Protagonisten, um Tashi konkurrieren, wirkt es den Großteil des Filmes so, als würde diese sich gar nicht für die beiden als Personen interessieren, sondern nur für ihre Ergebnisse und Erfolge im Tennis. Sie beginnt eine intime Beziehung zu Patrick, nachdem dieser als Gewinner aus einem Match herausgeht, und beendet diese als seine Ergebnisse sich zu verschlechtern scheinen. Später wird sie Trainerin von Art, der immer mehr Erfolge in der Tenniswelt sammelt, doch im Laufe der Zeit verliert er immer mehr Wettkämpfe und kündigt dann an, mit dem Tennis aufhören zu wollen – für Tashi eine Art Katastrophe. Sie droht ihm sogar, ihn zu verlassen, sollte er das Spiel gegen Patrick tags darauf nicht gewinnen. Und dann schläft sie im Auto mit Patrick, damit dieser Art am nächsten Tag gewinnen lässt. Ihre unbezwingbare Liebe zu Tennis lässt sich auch an den ekstatischen Schreien erkennen, die aus ihr kommen, wenn sie sehr gutes Tennis erlebt.
Langsame Szenen und schnelle Beats
In den Trailern hat mich neben den Namen der Beteiligten auch die Musik gecatcht. Vor allem der Einsatz von Nelly Furtados „Maneater“. Nachdem bereits „Murder on the Dancefloor“ von Sophie Ellis-Bextor und „Unwritten“ von Natasha Bedingfield durch die Filme „Saltburn“ und „Anyone but You“ Anfang des Jahres wiederbelebt wurden, hatte ich mich auf ein weiteres Revival eines Songs aus den 2000ern gefreut. Doch darauf konnte man im Film lange warten. Statt nostalgischen Popsongs, erwarteten mich starke Techno-Beats in den unpassendsten Momenten. Während der Tennismatches hat es noch gepasst, aber warum muss Techno im Hintergrund laufen, während zwei Charaktere gerade eine mehr oder minder tiefgründige Unterhaltung führen? Vor allem wenn die „Hintergrundmusik“ so laut ist, dass man sich anstrengen muss, dem Dialog überhaupt folgen zu können. Man kann argumentieren, dass die Musik das Innenleben der Charaktere in diesen zumeist hitzigen Dialogen widerspiegeln soll, aber sind wir mal ehrlich: Braucht man das? Die Darsteller*innen haben den Charakteren auch so bereits durch Mimik und Gestik so viel Tiefe gegeben, dass man ihnen ihre innere Zerrissenheit angesehen hat. Es war zu viel, zu laut, zu unpassend in vielen Momenten. Mal davon abgesehen, dass es auch irgendwie immer der gleiche Rhythmus war und ich mich daran zum Ende des Films einfach auch überhört habe.
Zu oft wurde für meinen Geschmack auch Slow Motion eingesetzt. Hätte man die weggelassen, wäre der Film gefühlt eine halbe Stunde kürzer gewesen. Ich hab nichts dagegen, wenn ab und zu für den Vibe und die künstlerische Umrahmung, das Bild langsam über die Leinwand flackert, aber auch das muss in Maßen eingesetzt werden. Ich muss mir nicht drei Minuten angucken wie die Schweißtropfen von Arts Gesicht auf den Boden tropfen. Es muss nicht gefühlt jeder Aufschlag in der finalen Phase des Films von 10 Sekunden auf eine Minute gestreckt werden. Am Ende hatte man das Gefühl, dass der Film künstlich in die Länge gezogen wird, wie wenn YouTube-Creator*innen versuchen, dass Video noch auf zehn Minuten zu strecken, damit es monetarisiert wird. Insgesamt hat der Film eine Spiellänge von über zwei Stunden bei einer Story, für die auch 90 Minuten gereicht hätten.
Spiel, Satz und Sieg?
Während des Films ist mir auch immer und immer wieder aufgefallen, dass die Macher sehr viel Spaß daran gehabt haben müssen, mit der Kameraperspektive zu spielen. Aber neben den Nahaufnahmen der schwitzenden Gesichter von unten, ist mir besonders eine Stelle im Gedächtnis geblieben: Während des finalen Parts des Spieles, werden die Zuschauer*innen nämlich zum Tennisball. Ja, genau richtig gelesen. Das Bild wird von Art und Partick hin und her geschlagen. Es wirkt als hätte man eine GoPro an einen Tennisball geklebt und gesagt: „Spielt mal damit.“ Untermalt wird die ganze Szenerie zusätzlich mit dem Aufstöhnen der beiden Spieler bei jedem Schlag. Zurückblickend würde ich sagen, dass es diese Szene war, an dem ich den Film endgültig aufgegeben habe. Einfach auch weil diese Kameraeinstellung für mich überhaupt keinen Mehrwert hatte. Man hat nicht wirklich etwas gesehen – außer einen verwackelte Hintergrund – und es hat in meinen Augen nichts zu der Story beigetragen. Es war einfach nur anstrengend.
Es gab dennoch eine Sache, die mich in der Storyline gecatcht hat: Nachdem Patrick das erste Mal mit Tashi ausgegangen war, fragt Art ihn darüber aus, doch er will nicht ins Detail gehen. Art schlägt dann vor, dass wenn Patrick und Tashi miteinander geschlafen haben, Patrick einfach Arts Aufschlag statt seinem machen solle. Die beiden haben nämlich ihre ganz eigene Art für den Aufschlag: Art platziert den Ball vorher am Schlägerherz, während Patrick seinen dreimal über seinen Kopf hebt. Letzterer geht auf Arts Vorschlag ein und signalisiert ihm, dass er und Tashi intim wurden. Wie bereits erwähnt, schlafen Tashi und Patrick vor dem letzten Match miteinander. Art ist sowieso schon skeptisch der ganzen Lage gegenüber und dann – während des finalen Matches – platziert Patrick den Ball beim Aufschlag am Schlägerherz und verschafft Art somit Gewissheit. Das Wiederaufgreifen dieses kleinen Details hat den Film zum Ende hin noch etwas Auftrieb verschafft. Ebenso wurde auch Tashis ekstatischer Aufschrei, der in ihrer allerersten Szene im Film zum Einsatz kam, in den letzten Sekunden des Films wiederbelebt, kurz bevor sich Patrick und Art nach Jahren des Kontaktabbruches wieder in die Arme gefallen sind.
Ebenso finde ich es herausragend, dass die sexuelle Spannung zwischen den Akteur*innen die meiste Zeit nicht durch Sex und allem was dazu gehört ausgelöst wurde, sondern es oft der Sport war, der diese Spannung aufgebaut hat. Tennis wurde also zu einer Art Metapher für Sex genommen und hat die geladene Spannung und Anziehung zwischen den Charakteren durch intensive und aufregende Spiele untermauert.
Lucky Loser
Von den Kritikern erfuhr Challengers großes Lob. So erhielt der Film zum Beispiel bei IMDb eine Bewertung von 7,3 von 10. Und auch in den sozialen Medien kam der Film sehr gut an und erhielt vor allem positives Feedback – jedenfalls ist das meine Einschätzung. Mein Herz konnte der Film allerdings nicht erobern. Den Ansatz des Filmes finde ich grundsätzlich gut, die Umsetzung hat mich leider nicht wirklich überzeugt. Es waren vor allem die angesprochenen Feinheiten, die dem Film in meinen Augen nicht gut getan haben. Dabei handelt es sich natürlich um (m)eine ganz subjektive Meinung. Für mich ist es ein Film für nebenbei. Was bedeutet das? Nun, ich würde mich nicht nochmal hinsetzen und den Film mit geballter Aufmerksamkeit verfolgen. Hätte ich ihn nicht im Kino sondern Zuhause zum ersten Mal gesehen, hätte ich vermutlich nach 20 Minuten nach meinem Handy gegriffen oder mich anders beschäftigt. Mir fehlte einfach die Spannung und das „gewisse Etwas“, dass mich packt und den ganzen Film über nicht loslässt. Aber das ist alles natürlich nur meine subjektive Meinung über den Film. Falls ihr den Film auch gesehen habt, lasst uns doch gerne in den Kommentaren wissen, wie er euch gefallen hat.
Am 21. Juni ist nicht nur kalendarischer Sommeranfang, sondern es findet auch wieder das größte Musikfest der Welt statt: die Fête de la Musique. In vielen Städten Europas tanzen die Menschen auf den Straßen zu Musik zahlreicher Berufsmusiker*innen, Performer*innen und DJ*s die honorarfrei den Sommer melodisch einläuten. Auch in Greifswald habt ihr die Chance, den Beginn des Sommers zu feiern.
Die erste Ausgabe des Musikfestes fand bereits im Jahr 1982 in Paris statt. Mittlerweile wird die Fête de la Musique in über 1300 Städten jährlich am 21. Juni gefeiert. Das Konzept ist einfach: Überall im öffentlichen Raum werden Bühnen bzw. Stände mit Musik aufgebaut und alle Menschen sind eingeladen, zusammen den Klängen zu lauschen und zu feiern.
Wie bereits in den Jahren zuvor, organisiert der GrIStuF e.V. auch dieses Jahr die Fête de la Musique in den Straßen Greifswald unter dem Motto „Musik für alle, umsonst & draußen“. Das bedeutet für euch, ihr könnt zahlreiche Acts sehen und hören, ohne dafür Eintritt bezahlen zu müssen. Möglich ist das, weil alle Künstler*innen ohne Gage auftreten. Das Programm startet bereits ab 14 Uhr und die zehn Bühnen sind überall in der Stadt verteilt.
Die Hauptbühne vom GrIStuF e.V. findet ihr hinter der STRAZE. Dort erwartet euch eine musikalische Vielfalt von Rock über Funk, Rap und Avantgarde-Pop bis hin zu Punk. Weitere Bühnen findet ihr beim KLEX, St.Spiritus, an der Kulturvilla, am Wall bei der alten Mensa, am Pommerschen Landesmuseum, beim Bagdad-Döner in der Fleischerstraße, in der Friedrich-Loeffler-Straße 44, in der Brinke26 und in der SchwalBe. Ab 22 Uhr erwarten euch außerdem noch die Afterpartys in der STRAZE, der Rosa, dem C9 und dem Geologenkeller. Das komplette Programm mit allen Acts und dem Lageplan sowie weitere Informationen findet ihr auf der Website des Gristuf e.V..
Hier nochmal alle Infos im Überblick: Was? Fête de la Musique Wann? Freitag, 21. Juni 2024, ab 14 Uhr Wo? In ganz Greifswald Programm? Das ganze Programm findet ihr hier.
Vanessa (sie/ihr) ist für das Lehramtsstudium 2023 nach Greifswald gekommen und seit dem Studienbeginn bei den moritz.medien. Sie begeistert sich für Bücher und Filme. Ihr Lieblingstier ist der rote Panda.
Es ist wieder an der Zeit für die studentische Vollversammlung. Wie jedes Semester bietet sie allen Studierenden die Möglichkeit, sich hochschulpolitisch einzubringen. Hier bekommt ihr beispielsweise die Chance, euch für bessere Studienbedingungen einzusetzen oder auch Einfluss auf die Campusentwicklung zu nehmen.
Die Vollversammlung des Sommersemesters 2024 findet am Dienstag, dem 18. Juni statt. Alle Studierenden sind dazu eingeladen, sich hier einzubringen und mitzudiskutieren. Damit ihr auch alle pünktlich um 14 Uhr c.t. im Hörsaal 3/4 am Ernst-Lohmeyer-Platz 6 sein könnt, finden an diesem Tag ab 12 Uhr keine Lehrveranstaltungen mehr statt.
Die Themen der Vollversammlung dieses Semester sind breit gefächert. Im Bereich rund um die Studienbedingungen gibt es Anträge bezüglich des Semesterbeitrages, der Prüfungsrücktrittsmodalitäten bei Krankheiten und der Einführung der allgemeinen Anwesenheitspflicht. Aber auch die weitere Entwicklung des Universitätsgeländes wird besprochen. So werden unter anderem ein Rauchverbot im Außenbereich der Cafeteria am Berthold-Beitz-Platz und mehr Sitzgelegenheiten am Ernst-Lohmeyer-Platz gefordert. Außerdem spricht sich ein Antrag für einen Getränkeautomaten auf dem Universitätsgelände aus, der sowohl alkoholfreie Erfrischungen als auch regionale Biersorten im Angebot haben soll.
Diese und alle weiteren spannenden Anträge findet ihr online im Studierendenportal. Lest sie euch durch, bildet euch eure eigene Meinung zu den Themen und bringt diese mit zur Vollversammlung, denn eure Anwesenheit ist von großer Bedeutung. Es bedarf mindestens 3 % der Studierendenschaft, damit die Vollversammlung beschlussfähig ist.
Im Studierendenportal findet ihr zudem alle wichtigen Informationen zur Vollversammlung in Form eines FAQs. Des Weiteren könnt ihr euch dort auch die Geschäftsordnung durchlesen, wenn ihr wissen möchtet, wie genau alles abläuft – das wird aber auch am Anfang nochmal genauer erklärt. Wenn bei euch dennoch Fragen aufkommen sollten, ist euer Ansprechpartner der AStA-Referent für Hochschul- & Innenpolitik, Theodor Zerche.
Und falls ihr nicht kommen könnt, sind wir natürlich wieder vor Ort und halten euch in unserem Liveticker auf dem Laufenden.
Hier nochmal alle Infos im Überblick: Was? Studentische Vollversammlung SoSe 24 Wann? Dienstag, 18. Juni 2024, 14 Uhr c.t. Wo? Hörsaal 3/4, ELP 6 Mehr Infos?hier
Beitragsbild: Annica Brommann
Zur Person der Autorin
Vanessa (sie/ihr) ist für das Lehramtsstudium 2023 nach Greifswald gekommen und seit dem Studienbeginn bei den moritz.medien. Sie begeistert sich für Bücher und Filme. Ihr Lieblingstier ist der rote Panda.
Triggerwarnung: In diesem Artikel wird über die schweren Kriegsverbrechen im Konzentrationslager Auschwitz während des zweiten Weltkrieges gesprochen.
Die Schrecken hinter den Mauern der Konzentrationslager während des Zweiten Weltkrieges sind jedem bekannt. Der Horror, den die Gefangenen dort tagtäglich durch die Hand der Nazis durchleben mussten. Der oscarprämierte Film „The Zone of Interest“ spielt direkt vor den Mauern des Konzentrationslagers in Auschwitz und zeigt den Alltag der Familie des KZ-Kommandanten Höß.
Der Film des britischen Regisseurs Jonathan Glazer, welcher auch das Drehbuch geschrieben, hat, wurde bereits 2023 bei den Filmfestspielen in Cannes uraufgeführt. Im deutschsprachigen Raum startete der Film am 29. Februar 2024 in den Kinos. Es handelt sich bei dem Projekt um eine internationale Koproduktion zwischen dem Vereinigten Königreich, den USA und Polen. Die Hauptrollen übernahmen die beiden deutschen Schauspieler*innen Christian Friedel und Sandra Hüller. Gedreht wurde an den Originalschauplätzen in Auschwitz. Das Haus der Familie Höß wurde für den Dreh nachgebildet und innerhalb des Hauses wurden mehrere versteckte Kameras eingebaut, was es ermöglichte, dass die Schauspieler*innen sich ohne Filmteam frei in den Räumen bewegen konnten. Es wurde außerdem während der Dreharbeiten kein künstliches Licht verwendet, damit die Szenerie nicht zu ästhetisch wirkt.
Trailer
Die Familie Höß
Der Film begleitet die Familie Höß in ihrem alltäglichen Leben direkt neben dem Konzentrationslager Auschwitz, wie es auch wirklich stattgefunden haben könnte, denn die Charaktere im Film basieren auf historischen Personen. Der Familienvater Rudolf Höß baute 1940 im Auftrag Heinrich Himmlers das Konzentrationslager Auschwitz auf, welches aufgrund der vielen Gefangenen, die dorthin gebracht wurden, immer wieder vergrößert wurde. Täglich kamen Züge mit neuen Gefangenen aus ganz Europa. In den folgenden Jahren organisierte Höß den Massenmord der Gefangenen in den Gaskammern. Bis 1943 war er Kommandant des Konzentrationslagers. Dann wurde er abberufen und als Leiter der für die Konzentrationslager zuständigen Amtsgruppe D im SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt eingesetzt. Bereits ein Jahr später wurde er wieder nach Auschwitz zurückbeordert, um die Leitung der Massenermordung der ungarischen Juden zu übernehmen. Insgesamt starben in Auschwitz und den dazugehörigen Außenlagern mindestens 1,1 Millionen Menschen.
Das Grundstück der Familie Höß grenzte an die Außenmauer des Konzentrationslagers. Eine künstlich geschaffene Idylle mit Blumenbeeten, einem Gartenhaus und Pool direkt neben dem Horror. Während ihr Mann tagsüber im Lager arbeitete, kümmerte sich Hedwig Höß um den Garten der Familie, befehligte ihre Bediensteten und die Gefangenen, die für die Familie arbeiteten, und zog ihre fünf Kinder auf. Machten die Gefangenen, die für die Familie arbeiteten, einen Fehler, mussten sie den Tod befürchten. In der filmischen Umsetzung droht Hedwig einem Mädchen beispielsweise damit, dass, wenn sie es wollte, ihr Mann Rudolf die Asche des Mädchen über die Felder von Babice verteilen würde. Tatsächlich wurde die Asche aus den Krematorien als Dünger für die Pflanzen im Garten der Familie benutzt.
„Rudolf nennt mich die Königin von Auschwitz.“
Hedwig Höß (gespielt von Sandra Hüller) zu ihrer Mutter (gespielt von Imogen Kogge)
Bereits zu Beginn des Films überreicht ein Häftling der Hausherrin einen Beutel mit Kleidung, darin befinden sich mehrere Stücke von denen sich die Mädchen im Hause jeweils eines aussuchen dürfen. Währenddessen geht Hedwig in das elterliche Schlafzimmer und probiert dort einen Pelzmantel an. In dessen Tasche findet sie außerdem einen Lippenstift, den sie ausprobiert, aber dann sofort wieder abwischt. Bei all dieser Kleidung handelt es sich um die ehemaligen Besitztümer von Gefangenen.
„Die Kinder der Familie und die Ehefrau trugen Kleider von Menschen, die ihr Mann und Vater vergast hatte.“
Die Familie lebte bis 1944 neben dem Lager, bis Rudolf Höß endgültig von seinem Posten dort entbunden wurde. 1945 floh die Familie nach Flensburg und Rudolf Höß verschaffte sich dort unter falschem Namen Arbeit, bis er ein Jahr später verhaftet wurde. Aufgrund seiner Kriegsverbrechen wurde Höß 1947 auf dem Gelände des Stammlagers in Auschwitz hingerichtet. Hedwig sagte als Zeugin bei den Frankfurter Auschwitzprozessen aus und gab sich dabei vor allem unwissend.
Die Idylle vor Augen, den Schrecken im Ohr
Durch die besondere Drehweise mit versteckten Kameras gibt es keinen Charakter, der besonders im Vordergrund steht oder dem die Kamera folgt. Die Zuschauenden versetzt dies in eine unbeteiligte Beobachtungsperspektive einer besonderen Art. Es ist, als würde man vom Nachbarhaus aus das Geschehen auf dem Grundstück der Familie Höß beobachten. Dadurch wird eine Distanz zu den Familienmitgliedern aufgebaut und eine persönliche Bindung könnte gar nicht erst entstehen.
Es gibt im gesamten Film nur sehr wenige Szenen, die im Lager direkt spielen. Die Gewalt und der Horror, die sich innerhalb der Mauern des Konzentrationslagers in Auschwitz abspielen, werden nie direkt gezeigt, aber man kann sie den ganzen Film über hören. Man hört die Schüsse hinter der Mauer, während Hedwig ihrem Baby die Blumen im Garten zeigt. Man hört die Schreie der Insassen, während Hedwig sich im Gartenstuhl sonnt. Man hört das Brüllen der Wärter, während die Kinder im Garten spielen. Der Film spielt mit der Vorstellungskraft der Zuschauer*innen. Ohne den Horror direkt auf der Leinwand zu verbildlichen, werden durch die Sounds und die Filmmusik die Schrecken hinter der Mauer verdeutlicht. Diese kontrastreiche Umsetzung, in der Kinderlachen und Schüsse zeitgleich aus den Lautsprechern kommen, erschafft eine sehr bedrückende Atmosphäre. Man kann gar nicht glauben, dass das wirklich Realität war. Dass Menschen wirklich eine solch grauenhafte Ignoranz an den Tag gelegt haben und Augen und Ohren vor dem verschlossen haben, was neben ihnen geschah.
Und plötzlich wird die Leinwand rot. Ein maschineller Sound erfüllt den Saal. Das Dröhnen wird immer lauter. Schreie vermengen sich mit den industriellen Klängen. Und dann Ruhe… Die Macher*innen des Films schaffen es auch hier durch den bloßen Einsatz von Klängen, die Schrecken von Auschwitz in den Köpfen der Zuschauer*innen hervorzurufen. Die Hintergrundgeräusche haben die wohl größte Macht im Film, denn vor allem in ihnen steckt der geschichtliche Hintergrund des Filmes. Die Geschichte, die hinter den Mauern passiert ist, die Hedwig mit Wein zuwachsen lassen will, damit man sie nicht mehr so sieht.
Hinter der Mauer
Auch wenn sich das Gezeigte zum Großteil vor den Mauern des Konzentrationslagers abspielt, wird dennoch auch bildlich offenbart, was vor sich geht. So sieht man den Dampf der ankommenden Züge, die neue Gefangene ins Lager bringen. Man sieht die Rauchschwaden der Verbrennungsöfen. Sieht wie die Asche aus den Krematorien von einem Häftling als Dünger über die Erdbeerpflanzen verteilt wird und wie ein anderer das Blut von den Schuhen von Rudolf Höß abwäscht, nachdem dieser aus dem Lager nach Hause kommt. In einer Szene wird Höß von anderen Männern die Funktionsweise eines Verbrennungsofens erklärt. Dabei wird von eben jenen Vertretern hervorgehoben, dass dieser besonders gut sei, da er im Dauerbetrieb eingesetzt werden könne. Als er einmal mit seinen Kindern im Fluss schwimmen ist, bemerkt er ein Knochenstück im Wasser, welches von den Krematorien stammt. Daraufhin sieht man, wie die Kinder von Hedwig und den Bediensteten schnell sauber gemacht werden. Doch für Hedwig ist es ihr Traumzuhause, welches sie nicht einmal verlassen will, als ihr Mann für einige Zeit nach Oranienburg versetzt wird.
Der Film macht deutlich, dass die Anwohner rund um die Lager gewusst haben müssen, was dort vor sich ging. Es wird gezeigt, wie Frauen die Fenster schließen und die Wäsche reinholen, wenn die Brennöfen im Krematorium laufen. Hedwigs Mutter, die zu Besuch ist, verlässt abrupt und ohne Verabschiedung das Haus, als sie scheinbar realisiert, was dort vor sich geht. Sie hinterlässt Hedwig einen Brief, den diese wütend verbrennt und daraufhin einer jungen Gefangenen mit der Einäscherung droht.
Am Ende des Films wird das Konzentrationslager in der heutigen Zeit von innen gezeigt. Putzfrauen reinigen die Scheiben hinter, denen sich die Schuhe der Häftlinge türmen. Sie reinigen die Fußböden, und man sieht das erste und einzige Mal das Krematorium von innen. Danach springt der Film wieder in der Zeit zurück und zeigt Rudolf Höß; der Familienvater, der seinen Töchtern zum Einschlafen Gute-Nacht-Geschichten vorliest, und der Mann, der verantwortlich ist für all die Morde in Auschwitz.
„Monster existieren, aber sie sind zu wenige, um wirklich gefährlich zu sein. Gefährlicher sind die einfachen Männer, die bereit sind zu glauben und zu handeln, ohne Fragen zu stellen.“
Primo Levi, Holocaust-Überlebender
Das Licht im Schatten
Zwischendurch taucht im Film immer wieder ein polnisches Mädchen auf, welches nachts auf den Feldern in der Nähe des Lagers für die dort arbeitenden Insassen Obst verteilt. Sie ist im Gegensatz zu der dunklen Nacht hell erleuchtet. Ihre Figur basiert auf einer polnischen Frau namens Alexandria, die der Regisseur Jonathan Glazer getroffen hat. Sie arbeitete im Alter von 12 Jahren für den polnischen Widerstand und fuhr mit ihrem Fahrrad zum Lager, um dort Äpfel zu verteilen. Glazer hat ihr diesen Film gewidmet.
„It was her bike we used, and the dress the actor wears was her dress. Sadly, she died a few weeks after we spoke.“
Der Film ist definitiv durch die Art und Weise wie gedreht wurde, von einzigartiger Natur. Ebenso möchte ich auch die schauspielerische Leistung von Sandra Hüller (Hedwig) und Christian Friedel (Rudolf) hervorheben, die die Ignoranz, Empathielosigkeit und Gefühlsarmut ihrer Charaktere absolut überzeugend dargestellt haben. Der Film ist ein Kunstwerk, das mit Farben und Klängen erschaffen wurde und das Schreckliche abbildet.
Es ist auch gleichzeitig einer der schlimmsten Filme, die ich je gesehen habe. Ich meine damit nicht schlimm im Sinne von schlecht, sondern dass dieser Film für mich vor allem emotional sehr belastend war. Ich wurde, während ich den Film geschaut habe, sehr wütend. Am liebsten hätte ich all diesen grauenhaft ignoranten Charakteren zugerufen, dass sie aufwachen und hinhören sollen und sehen, was um sie herum geschieht. Es hat außerdem ein Gefühl der Macht- und Hilflosigkeit bei mir eingesetzt, während ich vor der Leinwand saß. Das dringende Bedürfnis, den Menschen hinter der Mauer helfen zu wollen, kam auf, obwohl ich weiß, dass das gar nicht mehr geht.
Der Film hat mich auch nachdem ich das Kino verlassen habe, nicht losgelassen, und auch während ich diesen Artikel hier schreibe, habe ich immer noch die Schüsse und Schreie im Ohr. Es ist einer dieser Filme, über den man mit anderen reden muss, nachdem man ihn gesehen hat, und ich bin sehr dankbar, dass mir das möglich war. Für mich hat sich im Zuge der Recherche für diesen Artikel die Wirkung des Films noch mehr intensiviert, da sich die Bedeutung einiger Szenen erst dann für mich offenbart haben. Dementsprechend nehme ich an, dass mit dem entsprechenden Hintergrundwissen die Wirkung des Filmes noch viel härter ist.
„The Zone of Interest“ ist meiner Meinung nach einer der wichtigsten Filme dieser Zeit, denn er zeigt, wie grauenhaft es ist, das Leid um sich herum zu ignorieren. Er zeigt, dass man die Augen offen halten muss, damit man das Schlimmste verhindern kann. Und vor allem durch die Szenen mit dem polnischen Mädchen wird verdeutlicht, dass auch kleine Dinge große Auswirkungen haben können. Also haltet die Augen offen, helft wo ihr helfen könnt und engagiert euch, damit Dinge wie sie im Film gezeigt werden, nie wieder passieren. Wir können die Vergangenheit nicht mehr ändern, aber die Zukunft liegt in unseren Händen.