von Marco Wagner | 22.03.2011
Dieses Jahr will Udo Pastörs durch Greifswald marschieren.
Nazis wollen erneut versuchen, in Greifswald Fuß zu fassen. Nachdem im vergangenen Jahr die NPD damit scheiterte, einen Stand auf dem Greifswalder Fischmarkt aufzubauen, will sie am 1. Mai erneut den Versuch starten, in Greifswald auf sich aufmerksam zu machen.
Wie aus einer Mitteilung des Informationsdienstes Nena.MV hervor geht, planen die neuen Nationalsozialisten einen Aufmarsch durch die Universitäts- und Hansestadt. Angemeldet wurde die Versammlung von Michael Grewe, Landesorganisationsleiter der NPD. Geht es nach dem Willen und Wünschen der Rechtsextremisten, sollen bis zu 500 Neonazis am ersten Mai in die Hansestadt kommen.
Aufmarschgebiet ist Schönwalde I und II
Vom Südbahnhof beginnend, wollen die Neonazis über den Ernst-Thälmann-Ring durch die Stadtteile Schönwalde I und II marschieren. Als prominentester Teilnehmer wird Udo Pastörs, Fraktionsvorsitzender der NPD im Mecklenburg-Vorpommerschen Landtag, erwartet. Darüber hinaus hat der Landtagsabgeordnete Tino Müller seine Anwesenheit angekündigt. Nach Informationen der Universitäts- und Hansestadt Greifswald wollte die Stadt im Vorfeld der Demo ein Koordinationsgespräch mit den Rechtsextremisten führen, was diese jedoch ablehnten.
Oberbürgermeister Dr. Arthur König kündigte einer Pressemitteilung der Stadt Greifswald zufolge an, in enger Abstimmung mit der Polizei versammlungsrechtliche Schritte gegen die angemeldete Versammlung unternehmen zu wollen. „Dabei wird auch entschieden, ob Voraussetzungen für ein Versammlungsverbot vorliegen. Sollte die Chance bestehen, die Demo zu verbieten, werden wir diese natürlich nutzen. Parallel dazu sind alle Greifswalder aufgerufen, sich gemeinsam der NPD entgegenzustellen. Wir wollen den menschenverachtenden Parolen mit bunten und vielfältigen Aktionen antworten. Dazu sind die Ideen aller Demokraten gefragt“, so König abschließend.
Bürgerschaft will über Gegenwehr beraten
Wie Andrea Reimann, Pressesprecherin der Stadt Greifswald, mitteilt, wird am kommenden Montag das erweiterte Präsidium der Bürgerschaft zusammentreten, um über eine gemeinsame Strategie gegen die Neonazis zu diskutieren. In der kommenden Woche möchte der Oberbürgermeister Vereine, Verbände und Initiativen ins Rathaus einladen, um gemeinsam Pläne für eine Gegenaktion zu schmieden. Bei den Vorbereitungen wolle man auch auf die Erfahrungen der Gegendemonstration von vor zehn Jahren zurückgreifen. Institutionen und Vereine, die Aktionen gegen den Aufmarsch der neuen Nazis unterstützen wollen, können sich an die Koordinatorin des Präventionsrates Dr. Christine Dembski wenden.
NPD möglicherweise nicht im kommenden Landtag vertreten
Ob die NPD erneut im Schweriner Landtag residieren wird, ist bislang fraglich.
In den vergangenen Monaten sind Neonazis in Greifswald vorwiegend durch Graffitis in der Innenstadt aufgefallen, mit denen sie gegen Homosexuelle hetzten und für die Mitgliedschaft in einer angeblich existierenden Nationalsozialistischen Hochschulgruppe warben. Zudem beschädigten Greifswalder Rechtsextremisten in der Vergangenheit Banner des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Universität Greifswald und besprühten oder beklebten an mehreren Orten und Gebäuden der Stadt die Adresse ihres Internetportals.
Die NPD, welche am 1. Mai mit möglichst vielen ihrer Kameraden durch die Stadt Greifswald marschieren will, zog vor vier Jahren erstmals in den Mecklenburg-Vorpommerschen Landtag ein. Neuere Umfragen sehen die NPD jedoch nicht mehr im kommenden Landtag vertreten. Nach einer Spiegel-Online Befragung liegt die rechtsextreme Partei gegenwärtig bei 4 Prozent. In Greifswald holte die NPD bei der vergangenen Landtagswahl fünf Prozent der Stimmen, während im angrenzenden Landkreis Ostvorpommern die NPD mehr als doppelt so viele Stimmenanteile (zirka 12 Prozent) holte. An den vergangenen Bürgerschaftswahlen beteiligte sich die rechtsextremistische Partei nicht.
Foto: Torsten Heil (Udo Pastörs, Aufmacher), Erik Jalowy/ jugendfotos.de (Schweriner Schloss)
von Marco Wagner | 16.03.2011
Kinder gedenken mit Kerzen den Opfern der Fukushima-Katastrophe.
„Fukushima ist überall“ war das Motto von bundesweit über 450 Mahnwachen und spontanen Versammlungen, zu denen Vertreter der Anti-Atom-Bewegung aufgerufen hatten. Auch in Greifswald fand eine Mahnwache unter diesem Motto statt. Zwischen 150 und 200 Teilnehmer versammelten sich auf dem Marktplatz und gedachten „eine Minute, nicht in Trauer, sondern in Liebe“ den Opfern der mit dem Erdbeben in Japan einhergehenden Zerstörungen im Kernkraftwerk in Fukushima.
Explosionen und Brände im Kraftwerk
Nach Angaben der ARD fanden in drei von sechs Reaktoren des Kernkraftwerkes in Fukushima Explosionen statt, die jüngste ereignete sich am 15. März im Block zwei. In allen von Explosionen betroffenen Reaktorblöcken wird eine Kernschmelze befürchtet. Wie die Nachrichtenagentur dapd berichtet, liegen in den betroffenen Einheiten die Kernbrennstäbe zum Teil frei, in Reaktor 1 sind 70 Prozent der Brennstäbe beschädigt. Sebastian Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz teilte in der Tagesschau mit, dass von einer Kernschmelze ausgegangen werden müsse. Die zuletzt 50 verbliebenen Techniker haben inzwischen das Kraftwerk aus Sicherheitsgründen verlassen.
Während Bundeskanzlerin Angela Merkel vor zwei Tagen noch vor „Panikmache“ warnte und zu beschwichtigen versuchte, reagiert sie mittlerweile auf die jüngsten Mahnungen und Proteste der Anti-Atom-Bewegung. Auf einer Pressekonferenz sagte die Bundeskanzlerin, dass die Regierung „angesichts der Lage eine Sicherheitsüberprüfung aller Kernkraftwerke“ durchführen wolle. „Und zwar dergestalt, dass die Kernkraftwerke, die vor 1980 in Betrieb gegangen sind, für die Zeit des Moratoriums außer Betrieb sind“, so Merkel weiter. Zudem wolle man das Moratorium nutzen, die Energiewende zu beschleunigen. Außenminister Guido Westerwelle wollte bis vor einigen Tagen eine Abschaltung der ältesten Deutschen Reaktoren Biblis A und B nicht ausschließen.
„Bundesregierung spielt auf Zeit“
Florian Geyder
Florian Geyder von der Grünen Hochschulgruppe Greifswalds begegnet den Äußerungen der Bundesregierung mit Skepsis. „Die Regierungsparteien spielen mit dem Moratorium nur auf Zeit und wollen sich damit über die Landtagswahlen retten. Wenn Sicherheit oberste Priorität hätte, wie es Angela Merkel sagt, dann würden die Kernkraftwerke nicht mehr am Netz sein“, meinte Geyder gegenüber dem webMoritz.
„Sie müssen handeln, werden aber nur minimal einlenken, um Luft raus zu nehmen“, bewertet der Hochschulpolitiker das Verhalten der Bundesregierung. „Mit dieser Regierung wird es keine großen Veränderungen in diesem Bereich geben“, erklärte Geyder abschließend.
Merkel will Frage der Endlagerung erneut diskutieren
Zudem wolle die Regierung, so Merkel, im Rahmen des Moratoriums auch die Frage der Endlagerung neu diskutieren. Bereits im Dezember vergangenen Jahres sowie im Februar demonstrierten in Greifswald, Lubmin und Umgebung mehrere hundert Menschen gegen die Einlagerung von Castoren im Zwischenlager Lubmin. Als Grund wurden Sicherheitsbedenken sowie eine Befürwortung des Ausstiegs aus der Atomenergie genannt. In einem im Februar mit Stefanie Lemke (Bundesgeschäftsführerin von Bündnis 90/ Die Grünen) geführtem Interview erklärte sie: „Was wir brauchen ist eine ehrliche und offene Suche nach einem Endlager, dass allein wird schon schwierig genug. Vielleicht muss man auch noch hinterfragen, ob der Begriff Endlager überhaupt verwendbar oder nutzbar ist, weil keine Bundesregierung und keine Partei, keine öffentliche Institution wirklich Verantwortung dafür übernehmen kann, dass dieser Müll für Millionen von Jahren sicher gelagert werden kann. Von daher muss man generell eher sagen, dass der Müll eher zwischengelagert wird.“
Endgültige Abschaltung der Atommeiler gefordert
Jochen Stay vom Aktionsbündnis .ausgestrahlt-Gemeinsam gegen Atomenergie hält die dreimonatige Pause in einer Pressemitteilung für Wählertäuschung. „Wir verlangen von der Bundesregierung noch vor den Landtagswahlen die endgültige Stilllegung der Atomkraftwerke. Alles andere ist unglaubwürdig. Angesichts der Ereignisse in Japan ist es nicht nachvollziehbar, wieso nur sieben Reaktoren abgeschaltet werden. Auch die anderen Kraftwerke sind 25 bis 30 Jahre alt und nicht geschützt vor einer Kernschmelze“, erläutert der Pressesprecher der Kampagne. Zudem werden weitere Proteste für die sofortige Abschaltung von Atommeilern am 26. März in Köln, Hamburg und Berlin angekündigt.
Wie von Sara Schlühr, Mitorganisatorin der Mahnwache, zu erfahren war, soll eine weitere am kommenden Montag, den 21. März um 18 Uhr auf dem Marktplatz stattfinden. Sie hebt dem webMoritz gegenüber hervor, dass die Mahnwachen nicht benutzt werden sollten, „um die schrecklichen Ereignisse in Japan für die eigene Atompolitik zu instrumentalisieren. Die Mahnwachen sollten immer im Zeichen des Gedenkens an die Katastrophe stattfinden.“ Damit widerspricht sie den Vorwürfen von Kritikern der Mahnwache, die im Kommentarbereich des webMoritz den Organisatoren Eigennutz unterstellten. Angesichts der derzeitigen Ereignisse in Japan soll nun jeden Montag eine Mahnwache auf dem Greifswalder Marktplatz stattfinden.
Fotos: Christine Fratzke (Kinder mit Kerzen), Florian Geyder (Florian Geyder), KEI/ ja.wikipedia (Kraftwerk Fukushima)
von Marco Wagner | 04.03.2011
Eine Reportage
Wenn Manuel Bauer von seinem zwölfjährigen Leben als glühender Neonazi erzählt, scheint es, als erzähle er von seiner Kindergartenzeit. Und gerade dieser Erzählstil ist es, der die 50 Besucherinnen und Besucher des St. Spiritus, die seinen Worten lauschten, in den Bann zieht. Für vermutlich die meisten Anwesenden ist es unfassbar, wie man es fast als Selbstverständlichkeit sehen kann, dass man, um das sogenannte „Ausländerproblem“ zu beseitigen, bei „den kleinen Ratten“, bei dem Verprügeln indischer Kinder anfangen müsse.
„Ich hab eine Familie malträtiert.“
Manuel Bauer berichtet sehr anschaulich von seinem Lebensabschnitt in einer Kameradschaft
„Ich hab eine Familie malträtiert“, resümiert er nachdenklich über die nächtliche Prügelei mit der indischen Familie auf dem Bahnsteig und in seinen Worten schwingt Reue mit. Der ständige Wechsel von Erinnerung und gegenwärtiger Bewertung derselben ist es, was seinen Vortrag außerordentlich spannend und anschaulich macht.
Er erzählt davon, wie er zunächst Jungpionier und Thälmannpionier in der DDR war. „Danach nichts mehr. Und wenn ich meine Eltern sah, sahen sie aus wie ein Häufchen Elend“, erinnert sich Manuel Bauer an die Zeit nach 1990. Damals war „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“ ein weit verbreitetes Motto an Schulen in und um das sächsische Torgau, strahlte doch die Losung im Kontext der damaligen sozialen und wirtschaftlichen Lage, so Bauer, durchaus Faszination aus. Schließlich wanderten nach 1990 zunehmend Ausländer in die neuen Bundesländer ein, die zudem an den Schulen häufig bevorzugt wurden. DVU und NPD plakatierten damals großflächig – nicht nur – in Sachsen und taten somit ihr übriges.
Kameradschaft bekam Waffen aus Polen
Das Besingen sozialer Probleme in den Liedtexten rechtsextremer Rockbands brachte Manuel Bauer schließlich vollends in die Fänge der rechtsextremen Szene. Während er von seinem Leben vor dem Ausstieg aus dem Nähkästchen plaudert, wird immer deutlicher, dass die Kameradschaftsszene nicht nur lokal oder regional, sondern auch international vernetzt ist.
Der ehemalige Neonazi berichtet von Ausbildungslagern in der Tschechischen Republik, wo sie auf Gewalt getrimmt wurden. Zugleich strahlten die Lager aber auch Ferienlagerfeeling aus. Durch Polen sind Bauer und seine Kameraden damals auch an Waffen gekommen. „Verbotene Früchte schmecken immer besonders gut“, wirft der Aussteiger aus der Neonaziszene immer wieder zwischendurch ein, um zu begründen, warum er all das damals so faszinierend fand. Er erzählt von Ausbildungslagern in Namibia, ständigen Prügeleien in Diskotheken und räuberischer Erpressung.
„Dieser neue Lebensstil war einfach nur geil!“
„Ich fand Regeln immer blöd. Dieser neue Lebensstil war einfach nur geil!“, lässt Manuel Bauer seine Erinnerungen aus der Vergangenheit wieder aufleben, macht aber immer wieder deutlich, dass er mit dieser Zeit abgeschlossen hat. „Früher habe ich Sie, wie Sie hier sitzen, alle für Zivilversager gehalten. Heute meine ich, dass ich damals ein Zivilversager war“, erzählt er nachdenklich.
Entscheidend für seinen Ausstieg aus der Szene waren zahlreiche Schlüsselereignisse. Betrug und Diebstahl unter den Kameraden ließen ihn immer wieder daran zweifeln, dass allein in der Kameradschaft die wahre Freundschaft zu finden sei. „Solange du machst, was sie wollen, bist du ihr Freund. Sobald du aber dein eigenes Ding machst, wirst du fallen gelassen und bist Verräter der Szene“, resümiert Bauer. Im Gefängnis folgte dann eine Reihe von Enttäuschungen. Er war Mitglied einer neonazistischen Rechtshilfegesellschaft, der „Hilfsgemeinschaft für Nationale Gefangene“, die politische Häftlinge unterstützte. Und Bauer galt nach neonazistischer Vorstellung als politischer Häftling. Er bekam keine Unterstützung.
Vom „Helden“ zum Verräter
Rund 60 Menschen besuchten die von den Jusos und Endstation Rechts organisierte Veranstaltung.
Auch von Kameraden kamen keine Briefe, keine Besuche. Als er einige inhaftierte Kameraden daran hindern wollte, mit Joints zu dealen, kam es zu einer Schlägerei zwischen ihnen. Und Bauer bekam Hilfe „vom Feind“, von türkischen Inhaftierten. Von da an war er im Gefängnis der Verräter der Szene, einer, der türkische Freunde hat. Als die Neonazi- Aussteigerorganisation Exit auf ihn aufmerksam wurde und ihn beim Ausstieg half, sammelte sie Informationen über den einstigen Neonazi. Er war in der Szene inzwischen als Verräter verschrien. Auf ihn ist bis heute ein Kopfgeld in Höhe von 5.000 Euro ausgesetzt.
Im Anschluss der Veranstaltung zeigt Manuel Bauer dem webMoritz noch zahlreiche Fotos aus seinem vergangenen Leben, zeigt uns Argumentationshilfen für NPD-Mitglieder. Diese Argumentationshilfen werden angefertigt, um es Betreuenden von NPD-Ständen leichter zu machen, durch geschickte Wortverdrehung die eigenen Ziele zu verschleiern. So heißt es darin unter anderem: „Wir sind keine ausländerfeindliche Partei. Wir sind nur eine einwanderungsfeindliche Partei.“ Solcherlei Verdrehungen gibt es in dem weit über zehn Seiten umfassenden Manuskript noch viel mehr.
RAF, islamistischer Terrorismus und Wehrsportgruppe Hoffmann als politisches Vorbild
Mitglied der NPD war der damalige Rechtsextremist zu keinem Zeitpunkt. „Für mich waren die von der NPD auch bloß Politiker, die man nicht ernst nehmen konnte“, erzählte er dem Publikum und verwies auf seine politischen Vorbilder aus der Jugendzeit: den islamistischen Terroristen, der Roten Armee Fraktion (RAF) sowie die Wehrsportgruppe Hoffmann aus den 70iger Jahren der Bundesrepublik.
Ob er, wenn er heute mitbekommen würde, dass Neonazis Ausländer überfallen wollen, dazwischen gehen würde? „Auf jeden Fall. Ich würde laut schreien, zum Telefon greifen und die Polizei anrufen“, antwortete er. Für den Verfassungsschutz hat Manuel Bauer, so wie einige andere Aussteiger, jedoch nicht gearbeitet. „Das kam für mich nie in Frage. Ich habe zu keinem Zeitpunkt so eine Liebe zum Staat entwickelt, dass ich mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeiten würde.“ Seit 2006 hat er sich offiziell von der Neonaziszene verabschiedet, inoffiziell bereits seit 2003.
„Wenn Sie heute an diese Zeit zurückdenken, an das, was Sie damals taten, empfinden Sie Reue?“, fragt eine Teilnehmerin aus dem Publikum. „Auf jeden Fall empfinde ich Reue für das, was ich damals tat“, antwortete er und hebt hervor, dass er mit seinen Vorträgen wenigstens ein bisschen von dem wieder gut machen wolle, wessen er sich damals schuldig machte. Heute arbeitet Manuel Bauer als Künstler. Er hat eine kleine Firma, die Auftragswerke, Wandmalereien und Lichtinstallationen herstellt. „Früher war ich eine Marionette, heute fange ich an zu leben!“
Fotos: Marco Wagner
von Marco Wagner | 26.02.2011
Manuel Bauer war über mehrere Jahre hinweg mitten drin in der neuen braunen Szene. Er hörte rechstextreme Musik, marschierte bei Demonstrationen mit, gründete die Wehrsportgruppe „Racheakt“ und die Kameradschaft Dommitzsch in Sachsen. „In meinen Augen die geilste Gemeinschaft überhaupt“, kommentierte der Skinhead seinerzeit die Kameradschaftsszene. Vor zehn Jahren musste er, unter anderem aufgrund räuberischer Erpressung, ins Gefängnis.
Seitdem wandelte sich seine Einstellung zu Kameradschaften, Wehrsportgruppen und der rechtsextremen Szene. Die Aussteigerorganisation „Exit Deutschland“ half dem damaligen Neonazi die Szene zu verlassen. Seitdem lebt er irgendwo in Deutschland, gibt seinen Wohnort keinesfalls Preis, weil er sich von der rechtsextremen Szene bedroht fühlt. Schließlich gilt er, nicht zuletzt aufgrund seiner zeitweiligen Tätigkeit für den Bundesverfassungsschutz unter Braunhemden als Verräter. Zudem leistet er seit mehreren Jahren bei „Exit Deutschland“ Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus.
Am 28. Februar 2011 kommt Manuel Bauer für einen Vortrag und eine anschließende Diskussion zum Thema Rechtsextremismus unter dem Motto „Vom Verbrecher zum Künstler“ ins soziokulturelle Zentrum St. Spiritus nach Greifswald. Los geht es um 18 Uhr. Die Veranstaltung wird von den Jusos Greifswald-Ostvorpommern und „Endstation Rechts“ organisiert. Die Veranstalter weisen auf ihrem Flyer darauf hin, dass Mitglieder rechtsextremer Parteien sowie Menschen, die mit fremdenfeindlichen oder antisemitischen Äußerungen in Erscheinung getreten sind, als Gäste unerwünscht sind.
Flyer: Veranstalter
Anmerkung der Redaktion (13.02.2011): Auf Wunsch des auf der Person, die auf dem Veranstaltungsflyer abgebildet war, haben wir die Publizierung des Flyers rückgängig gemacht.
von Marco Wagner | 26.02.2011
Eine Reportage
Kerzen und Kreuze vor dem Gebäude des Historischen Instituts
Es ist ruhig auf dem Innenhof des alten Campus der Greifswalder Universität. Die Lichter sind in den meisten Gebäuden schon erloschen. Im hinteren Teil des Geländes, vor dem Gebäude des ehemaligen Historischen Instituts, versammeln sich zwischen 50 und 70 Menschen in Eiseskälte. An der Wand sind links und rechts des Eingangs Kreuze positioniert. Unter den Teilnehmenden sind neben Studierenden des Historischen Instituts auch Studentinnen und Studenten aus anderen Studiengängen, Referenten des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA), Hochschulgruppenmitglieder der Jusos (Jungsozialisten), JU (Junge Union) des RCDS (Ring-Christlich-Demokratischer Studenten), der GHG (Grüne Hochschulgruppe) und des SDS (Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband) auszumachen.
Sie halten alle eine Kerze in der Hand und mahnen. Anne Lorentzen, AStA-Referentin für Studium und Lehre, positioniert Kerzen auf die Kreuze. Sie erinnern mit ihren Lichtern daran, dass das alte Historische Institut in der Domstraße 9a seit über einem halben Jahr wegen Baufälligkeit geschlossen ist. Zwar ist das Institut bereits an einem anderen Standort untergebracht, die Institutsbibliothek befindet sich jedoch immer noch in dem maroden Gebäude.
„Man konnte sich von dem Historischen Institut nicht richtig verabschieden“, machte Geschichtsstudent und Juso-Mitglied Eric Makswitat auf die Emotionen, die mit dem Gebäude verbunden sind, aufmerksam. Er war zugleich, neben dem AStA, Initiator der denkwürdigen Abendveranstaltung. „Man merkt, dass die Philosophische Fakultät – so scheint es bis jetzt, von der Universität aufs Abstellgleis geschoben wird“, betont er im weiteren Verlauf seiner Rede und verweist in diesem Zusammenhang auch auf die ebenfalls vom Verfall heimgesuchten Gebäude der Kunstwissenschaften und Anglistik. Dabei sind das nicht die einzigen Gebäude, die dringend einer Sanierung bedürften. Innerhalb der Philosophischen Fakultät sind die Gebäude des Germanistischen Instituts und des Instituts für Politik-und Kommunikationswissenschaften die Einzigen, welche saniert wurden und nicht vor sich hin bröckeln.
Solidarität mit maroder Fakultät
Juso und Geschichtsstudent Eric Makswitat und StuPa-Präsident Erik von Malottki (v.ln.r)
Aus diesem Grund ist die Mahnwache, wie Initiator Eric im Folgenden betont, nicht nur allein der Bibliothek des Historischen Instituts gewidmet: „Wir solidarisieren uns auch mit den anderen Instituten, gerade der Anglistik.“ Das genannte Institutsgebäude ist bislang am stärksten vom Verfall betroffen. Das – scheinbar – frisch eingedeckte Dach scheint das Einzige zu sein, welches in einem halbwegs intakten Zustand ist. Doch wer sich einmal mit Komilitonen der Anglistik unterhalten hat, weiß, dass auch das nur Makulatur ist. Denn im Dachstuhl knirscht und kracht es nur so vor sich hin. Ganz zu schweigen von der Treppe, die nur drei bis fünf Personen betreten , je nachdem welcher Statiker gerade den Aufstieg begutachtet hat.
Dennoch, so Makswitat weiter, zeichnen sich jetzt „unterschiedliche Impulse ab“, um das Problem der Institutsbibliothek zu beheben. Andererseits kritisiert er, dass die Infos, die von Seiten des Rektorats und der Universität den Studierenden und Lehrenden des Instituts übermittelt werden, nur sehr spärlich fließen. Erik von Malottki, Präsident des Studierendenparlamentes bedankt sich zu Beginn der Veranstaltung bei allen Anwesenden und erinnert daran, dass das Historische Institut nicht die einzige bedrohte Einrichtung sei. Dennoch ist Bewegung um die Umlagerung der Bestände der Institutsbibliothek gekommen.
Historisches Institut zieht in Alte Augenklinik um
Wie dem webMoritz von verschiedenen Seiten zugetragen wurde, habe man dem Institut eine Einlagerung von Teilen der Bestände in den neuen Räumen in der Soldtmannstraße angeboten. Allerdings wäre eine damit einhergehende Zersplitterung der Bibliotheksbestände der Anfang vom Ende der Bücherei gewesen, weshalb man diese Überlegungen nicht weiter verfolgt hat. Zudem stünden in den Kellerräumen bereits jetzt Raumentfeuchter, was auf Hausschwamm schließen lässt. Das sind gewiss keine günstigen Umstände für zum Teil über zweihundert Jahre alte Bücher und Unterlagen.
Teilnehmer der Mahnwache vor dem Historischen Institut.
Wie der StuPa-Präsident auf der Mahnwache den Anwesenden mitteilte, soll nächste Woche ein Treffen zwischen ihm und dem Dekan der Philosophischen Fakultät, Professor Alexander Wöll, stattfinden, um eine Lösung zu finden. Von Seiten des Historischen Instituts wurde den Studierenden des Bachelor- und Masterstudienganges Geschichte eine Verlängerung der Abgabefristen für ihre Hausarbeiten bis zum 28. März eingeräumt. Wie auf der vergangenen Senatssitzung bekanntgegeben wurde, soll das Institut in den kommenden Monaten von der Soldtmannstraße in die renovierten Gebäude der ehemaligen Augenklinik in die Rubenowstraße zwei umziehen.
Grund hierfür dürfte nicht zuletzt der bevorstehende Umzug der Botanik in die Soldtmannstraße sein. Die bisherigen Räume der Botanik befinden sich derzeit ebenfalls in einem eher miserablen als ansehnlichen Zustand, wenn man bedenkt, dass der Hörsaal der Botanik eher einem Gewächshaus gleicht und der Efeu sich immer bedrohlicher an den roten Backstein des Gebäudes klammert. Bleibt zu hoffen, dass alle beteiligten Akteure am Endeffekt noch eine zukunftsfähige Lösung, nicht nur für die Institutsbibliothek und das Historische Institut, sondern auch allgemein für die marode Philosophische Fakultät finden werden.
Fotos: Christine Fratzke