von Eric Wallis | 25.10.2008
Der Famila-Markt auf Sylt hat eine Wursttheke. Dort bietet man dem Kunden nicht nur Fleisch in allen möglichen Erscheinungsformen sondern auch „Hackfleisch-TV“.
Was zum Teufel ist das? Auf den ersten Blick scheint es sich dabei um eine sonderbare Ausdifferenzierung des althergebrachten Fernsehens zu handeln. Aber es ist mehr. Es ist die Liebeserklärung des Fernsehens an die Schlachtkammer. Es ist eine Art Liveübertragung genau jenes Geschehens, das sich abspielt, wenn das Hackebeil zum Einsatz kommt.
Da der normale Fleischfresser genau dieses Geschehen gar nicht mitansehen will bzw. kann, belästigt Hackfleisch-TV seine Zuschauer nicht mit Blutbächen und Knochenknacken, sondern zeigt nur und immer wieder, aber vor allem live, wie frisch doch alles ist – bei Famila. Dem erstaunten Kunden bleibt nur die mittlerweile fast alltägliche Frage: In was für einer Gesellschaft leben wir hier eigentlich?
Es ist also geschehen: Das Fernsehen hat sich in die letzte und intimste Zone der deutschen Gesellschaft vorgewurschelt: hinter die Fleischtheke. Diese ist nun live verbunden mit dem nicht minder heiligen Ort unseres ganzen großen Wurstlandes. Gemeint ist jene geheime Welt, die hinter den wurstverhangenen Kachelwänden liegt. Eine Welt, die dem Fleischlüsternen bisher nur durch seine eigene schmutzige Phantasie zugänglich war und durch die eine oder andere versteckte Kamera.
Doch diese Zeiten sind vorbei. Nach den erschreckenden Bildern von essenden Fernseh-Reportern, die jeden Tag die gleiche Mahlzeit bestellten, um die am Tag zuvor mühselig in die nicht geschafften Steaks eingearbeiteten Holzstäbchen wiederzufinden. Und das nach all den Gammelfleischskandalen, deren Nachgeschmack kaum erst einem sauren Aufstoßen gewichen ist. Nach allen Querelen, die das Deutsche Fernsehen dem Deutschen Fleisch gemacht hat, hat es nun bei Famila beschlossen, dem Hackepeter die Haxe zu reichen.
Und das Produkt dieser jungen Liebe trägt den wohlklingenden Namen Hackfleisch-TV. Dass die Wahl nicht auf Wurst-TV fiel, liegt auf der Hand. Salami-TV klang derweil zu undeutsch für eine so deutsche Sache, wie die Wurst. Und da es bei Fleisch nicht nur um die Wurst geht, entschied man sich bei Famila nach langen Abstimmungsrunden für Hackfleisch-TV. Dann schickte man noch schnell einen Azubi in die Elektrogeräteabteilung, um den allergrößten Flachbildfernseher zu holen und schwuppdiwupp gab’s Hackfleisch-TV.
Seitdem leistet dieser merkwürdige Sender die Überzeugungsarbeit bezüglich Frische und Qualität. Hackfleisch-TV schafft Vertrauen, weil es auf einem Flachbildschirm erscheint. Überall gibt es sie schon, diese Riesen-Flachbildschirme, die Vertrauen schaffen. Der Bürger kennt das sehr gut, der Bürger vertraut dem Fernsehen. Darum sieht der Bürger ja durchschnittlich dreieinhalb Stunden am Tag fern. Das Fernsehen kümmert sich um die Talente, um die Sozialfälle, um die Bildung und um Kochrezepte. Der Bürger weiß das zu schätzen, dass sich jemand kümmert. Der Bürger vertraut dem Fernsehen und nun vertraut er zumindest bei Famila auch der Wurst.
Diese Art des Vertrauens zu schaffen, war den unterbezahlten Kräften – von Wurstfachkräften kann ja keine Rede mehr sein – schon lange nicht mehr möglich. Diese armen Würstchen werden nämlich so schlecht bezahlt, dass sie kaum mehr verantwortlich zu machen sind für ihrer Hände Arbeit. Ohne Verantwortung lässt sich aber kaum das bei Famila so dringend benötigte Vertrauen gewinnen. Vertrauen hat man hierzulande nur in jene, denen diese Verantwortung auch bezahlt wird. Diese Leute arbeiten übrigens nicht hinter der Theke oder in den Lokomotiven, sondern die sitzen auf Stühlen in Räumen, in denen man sich noch nicht einmal das Mittagessen selber holen, geschweige denn bezahlen muss.
Kurzum man hat auch hinter der Wursttheke erkannt, wozu das Fernsehen in der Lage ist. Den von ihrer fleischlichen Verantwortung enthobenen Mitarbeitern bleibt nur das Abwiegen und die ewig gleichen Fragen „Geschnitten oder am Stück“ oder „Darf es ein bisschen mehr sein?“.
Manchmal aber, wenn wieder mal jemand ganz und gar gefesselt vor dieser Theke steht und nicht glauben kann, dass es Hackfleisch-TV tatsächlich gibt; wenn er sieht, wie das nur mit den saubersten Geräten gehandhabte Gehackte gerührt wird und wie ihn, den Käufer, dieses Gehackte dann selber ganz tief drinnen rührt und bewegt; dann kommt es vor, dass dieser Mensch ein Foto machen möchte, nur um später zu Hause begreifen zu können. Und genau dann sagt die Verkäuferin ihren dritten Standardsatz. Jenen Satz, der ihr erst vor kurzem vom Management empfohlen wurde auswendig zu lernen: „Fotografieren ist hier verboten!“
Und spätestens dann weiß man auch, was man bei Famila wirklich unter Transparenz versteht.
Autor: EdeWalletzky
Link: Hack-TV
von Eric Wallis | 15.12.2004
Dem Deutschen Volke eine Jahresabschlussbilanz
Wir Deutschen sind schon ein tolles Völkchen. Ein Volk, das seine besten Zeiten gehabt zu haben scheint. Wir hatten Dichter, Denker, Demagogen, den Dreißigjährigen, Den Ersten und Den Zweiten (Welt)Krieg. Wir hatten alles, was es gibt, sogar Demokratie und Durchbruch.
Ja Leute, ich will ehrlich sein, der Drops ist wohl oder übel gelutscht. Den Blick ostwärts gerichtet stelle ich fest, „Jetzt sind andere am Zuge“.
Vorbei die Zeit der üppigen Industrienation mit einer handvoll Arbeitslosen. Jeder Aufschwung, und sei er noch so schön, ist irgendwann vorbei. Und für uns scheint dieser Zeitpunkt gekommen zu sein. Lange angekündigt, aber nun erst so richtig in Rollen gebracht, beginnt heute die Zeit der deutschen Zurückentwicklung. Oder anders: Jetzt fängt es an Spaß zu machen.
So doof wie Hundert Meter Feldweg
Da haben wir den ersten Indikator: Die gesamtdeutsche Verblödung. Pisa hin Pisa her, blöd zu sein ist gar nicht schwer. Das Beste daran ist ja noch, dass es den Leuten egal ist, was sie nicht wissen. Doch mal ehrlich, Hand auf Herz: Wie und Wo lernen wir denn heute überhaupt noch etwas? Ist es nicht so, dass ein Großteil der Bürger ihr Wissen bei Galileo und Barbara ?Ich will keine Schokolade? Salesch empfängt. Wo ist der Fünfzehnjährige, der den Namen des deutschen Umweltministers weiß? Wo bist du, Oh Herr?
Mal ganz abgesehen davon, dass das niemanden wirklich interessiert, sind wir damit schon bei Bergab-Indikator Nummer Zwo. Politik. Denn wenn einer Schuld am Niedergang dieses unseres Landes zu tragen hat, dann ja wohl dieser unfähige Haufen alter S[zensiert]e im Bundestag. Ach wie fühlt man sich da an Heines Wintermärchen erinnert und möchte am liebsten ein paar Strophen hinzudichten oder zumindest auswendig lernen. Prost Pisa übrigens. Unsere Regierung, dieses Sammelsurium menschlich bedauernswerter Geschöpfe, die sich in dubiosen Machenschaften ergehen jenseits von veruntreuten Parteigeldern. Ach wie haben wir sie lieb.
Doch Leute, in einem Punkte, da bin auch ich glücklich über unsere Regierung, da kann sich einfach fast jeder freuen. Das ist der Punkt, da sage auch ich ?Ja? zu deutschen Größen wie Fischer, Schröder, Trittin und natürlich auch zu Hans ?Ich bin kein Teil des Gliedes? Eichel. Das liegt allein daran, dass nur wegen denen dieses Land nicht von den anderen, der Opposition, gelenkt wird. Wenn es dann doch irgendwann mal die erste schwarze Kanzlerin gibt, na dann Prosit Merkel, äh, Mahlzeit. Wenigstens würde sich der Bush freuen, denn dann ist Deutschland endlich wieder mit dabei, wenn es heißt, ?Endlich Krieg?. Und was das Beste daran ist: Am Ende sind wir Schuld. Und in den Geschichtsbüchern, sofern es noch welche geben wird, wohl aber in der BILD-Zeitung, wird stehen: ?Deutschland! Schuld am dritten Weltkrieg?. Aber vielleicht geht’s dann ja mal wieder bergauf. Kennt doch jeder Geschichtsstudent den Leitsatz: Krise, Krieg Aufschwung.
Abgesehen von stupidem Machtgerangel, Bürgerschwindel, Stasiaktenherauskramen von unbequemen Nachfragern, Magenkuhleboxen, ________________, (Platz für eigene Kreationen) haben unsere Politiker also alles andere zu tun, als dieses Land zu regieren.
Nichtsdestotrotz aber sind sie doch nur unser, der Bürger, verlängerter Arm. Unsere Repräsentanten. Und wenn man bedenkt, dass man von den Leuten regiert wird, die man verdient, dann wird man erkennen, dass sie eigentlich alles richtig machen beim Repräsentieren.
Wir Deutschen selber sind also Indikator Nummer drei. Ein verstrittenes, verbohrtes, jammerndes Häufchen Elend im Herzen Europas. Man mag kaum glauben, dass wir zu einer friedlichen Einigung im Jahre 90 fähig waren. Dass das wir selber, wir das Volk, waren. Unglaublich! Schaut uns doch an. Es kümmert doch keine Sau, wenn selbst dieser unser Feiertag, der Tag des deutschen ?Wir sind ein Volk? Volkes abgeschafft werden soll. Feige, und ranzig wie alte Butter, die mit ihrem gelben, zerlaufenen Fett unsere Küche verpestet warten wir auf das Jungle-Camp und die obligatorischen Scheißhausfliegen in Gestalt vergilbter Prominenter. Puh, wie es stinkt! Ein bisschen Spaß muss sein…
Wer auf die Straße geht wird ausgelacht. Wer nicht auf die Straße geht, guckt Salesch und Jungle-Camp. Nur meckern tun wir alle. (Außer Herr Esser.) Man hat mittlerweile gelernt immer die anderen für das eigene Elend zu hassen. Das befreit und ist einfach zu machen. So sind irgendwie alle Schuld, nur ist sich dessen keiner bewusst. Haha.
Wir graben uns das eigene Grab, verschrumpeln langsam zu einem widerwärtigen Volksgeschwür. Wenn so zusammenwächst, was zusammengehört, na dann Prosit Neujahr Herr Brandt. Das hätten sie nicht gewollt. Doch wer macht uns so träge, so ängstlich, so dumm? Sind es Existenzängste, die gescheut durch Arbeitsplatzerpressung hervorgerufen werden? Eine gute Frage, die uns den vierten Indikator auf dem Weg zum Postentwicklungsland näher bringt. Die gute alte deutsche Industrie. Unsere Zwei Kriege gingen auch auf deren Rechnung, vor allem aber ging die Rechnung für diese auf.
Da sind unsere Konzerne, die die Manager mit Geldern bezahlen, die 100 andere zusammen nicht in zwanzig Jahren erwirtschaften.
Da sind die Forderungen nach der 50- und 60- bald auch noch 100-Stunden Woche. Man droht ganz einfach mit Kündigung und Standortwechsel. Oder man kürzt Zusatzleistungen mit den Worten: ?Seid froh, dass ihr noch arbeiten dürft.? Da muckt doch keiner mehr auf, hierzulande. Ob die Gewerkschaften ein weiterer Bergab-Indikator sind, steht auch noch zur Debatte, beweisen doch sie, dass Organisationen ab einer bestimmten Größe irgendwann nur noch zum Selbstzweck wirtschaften.
O ja, wie ineffizient wir arbeiten, wir Deutschen. Wenn es eines gibt, was hier noch günstig ist, dann sind es wohl die Managergehälter. Denn die kriegen sogar bei Rauswurf die Millionen nur so nachgeworfen.
Mähh!
„Wir sind ein Dummes Volk. Mähhh.“ Das habe ich 1992 an einem der Wohnblöcke meiner Heimatstadt gelesen. Von Jahr zu Jahr habe ich mehr das Bedürfnis dem Sprayer für diese Aussage die Hand schütteln zu müssen. Ich ging jeden Morgen daran vorbei, zur Schule. Ich musste lachen. Heute kann ich nicht mehr lachen. Heute mache ich nur noch Mähhh.
Ja und sehen sie, wie einfach es geht! Probieren sie es aus: Mähhh. Mähhh. Mähhhh. Arztpauschale 10 Euro! Mähhh! Geht halt keiner mehr zum Arzt der, keine Kohle hat, steigen halt die verschleppten Grippen, kostet halt 3 Milliarden. Mähh! Senken wir eure Löhne! Und wenn ihr streikt – Mähh. Bauen wir halt ein Werk in der Ukraine! Mähh. Benzin muss teurer werden! Mähh. Das Geld stecken wir uns in den Hintern! Mähh! Zahlt Krankenversicherung! Mähh! Und zahlt eure Medikamente selber! Mähh. Zahlt, Zahlt und macht Mähh, und geht doch zu Hause.
Ja so könnte ein jeder von uns diesen Schafschor um ein bis tausend Beispiele ergänzen. Mähh! Es ist schon traurig, nicht wahr? Wenn man es sich so vor Augen hält. Fehlt eigentlich nur noch, dass Gott unserem Kanzler erscheint, um ihn von der Richtigkeit seiner Kanzlerschaft zu überzeugen.
Es ist, als würden wir bergab rollen, leider noch nicht schnell genug, darum müssen wir treten und treten. Alle Hand in Hand, bringen wir dies Land so richtig die Abfahrt runter, wieso auch nicht: Runter geht ja besser als hoch. Ich bin nur mal gespannt, was unten auf uns wartet.
Vielleicht ja wieder mal eine Mauer. Oder ist das alles gar nicht wahr? Bauschen wir diese ganzen Dinge nur auf, um was zum Meckern zu haben oder zum Mähen? Möähh! Geht es uns noch viel zu gut, uns Deutschen?
Sind wir nicht noch viel zu klug für Pisa? Sind nicht unsere Politiker die Besten? Sind wir nicht ein Volk? Haben wir nicht die netteste Industrie der Welt?
Und nun? Was jetzt?
Nein, ich schreibe hier keine Zusammenfassung, keine belehrenden Worte, die mit Basta enden, ich will nur noch eine Frage stellen, obwohl ich schon viel zu viel gefragt habe.
Glaubt ihr im Osten etwa immer noch, dass ihr irgendwann auf Hundert Prozent kommt? Da zumindest eure 100 Prozent den Wessis so was von egal sind, und da es euch Ossis nur um Gleichberechtigung geht, wird zumindest dieses Problem schon seit Monaten gelöst.
Stichworte wie Opel, Mercedes, Minus Weihnachtsgeld, Minus Urlaubsgeld… reichen doch wohl aus, um zu erkennen, dass man nicht bestrebt ist den Osten auf Westniveau zu bringen, sondern den Westen auf Ostniveau. So hat der Osten seine Gleichberechtigung und dem Westen war es ja eh egal. Mähh!
Ja genau EGAL. Ist es womöglich jenes EGAL, dass uns geißelt? Das Kifferwort EGAL! Egal ist 88 erklärt dann ja wohl auch die Landtagswahlen in Sachsen Anhalt. Macht das EGAL, die Deutschen so schwach. Lässt sie zwar meckern, aber egal (Mähh!).
Vielleicht sollte es uns nicht egal sein, wenn Feiertage abgeschafft werden sollen, Menschen für ihren Rauswurf 30 Millionen. kassieren, Lohn gekürzt und Abgaben erhöht werden. Vielleicht sollte uns Deutschen im Neuen Jahr 2005 einfach nicht mehr soviel egal sein. Aber egal.
Geschrieben von Eric Wallis