Mit bloßen Händen

„Vier Minuten“ ist ein ungewöhnlicher Film über Musik, Freiheit und den respektvollen Knicks. In hochkarätiger Besetzung. Hannah Herzsprungs Debüt in Chris Kraus zweiten Kinospielfilm hinterlässt einen gewaltigen Eindruck.

Zwei Frauen, ein Gefängnis, eine Passion: die Musik. Die Pianistin Traude Krüger (Monica Bleibtreu) findet an der Insassin Jenny (Hannah Herzsprung) eine selten begabte Schülerin. Für deren Vorbereitung auf den Endausscheid eines Klavierwettbewerbes fühlt sie sich verpflichtet. Eine Sensation für das trostlose Frauengefängnis. Denn hier wird weder an den Erfolg des Vorhabens geglaubt noch entpuppt sich Jenny als umgängliche Schülerin. Schwer lasten die Spuren zweier Biografien auf dem Lehrerin-Schülerin-Verhältnis.

Mit seinem zweiten Film gelingt Chris Kraus ein erschütternder Musikfilm, der sich gegen die triebhafte Selbstgefangenheit des Individuums auflehnt, die hochnäsige Herabsetzung von Kunst eisern verlacht und die verpflichtende Aufrichtigkeit der Liebe in zartem Leinwandgrün einfordert. Auf ganz einmalige Weise wird dabei ein schwarzer Flügel rockend auf einer holprigen Landstraße eingeführt, liebevoll geschundene Hände gepflegt oder bildgewaltig der Klavierdeckel zugeknallt. Und sei es bis der Atem stockt.  

Geschrieben von Uwe Roßner

Hingehen heißt mitgestalten

Bemerkungen zur studentischen Mitgestaltungskraft der Greifswalder Hochschulpolitik

Interesse erregte die mittwochabendliche Vollversammlung. Zweifelsohne. Denn im Vergleich zur Veranstaltung im letzten Semester konnte die Teilnehmerzahl gehalten werden. Und dies bei einer von sozialen Themen beherrschten Tagesordnung. Gewiss. Die Verbindlichkeit der gefassten Beschlüsse konnte nicht erreicht werden. 140 Studierende genügten nicht. Die durchgeführten Abstimmungen gelten als Empfehlungen. Dennoch handelt es sich um einen beachtlichen, wenn auch bescheidenen Erfolg für die Veranstalter. Denn Eines zeigte die abendliche Veranstaltung in der kleinen Mensa am Schießwall deutlich: Hochschulpolitik lebt von Partizipation. Von beiden Seiten. Wer zu Hause bleibt, soll sich nicht beschweren, nicht mitentscheiden zu können. Denn die per Urnengang legitimierten studentischen Vertreter der akademischen Gremien benötigen das Feedback ihrer Wähler. Nicht nur einmal im Semester. Nicht allein zur Vollversammlung. Die Sitzungen des Studierendenparlaments, (StuPa), des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA), der Fachschaften, jeder Fakultät und des Senates sind ebenfalls hochschulöffentlich. Es sind Gelegenheiten zur Nachfrage und Anregung. Nicht erst, wenn die Struktur einer Fakultät unwiderruflich beschlossen, eine neue Prüfungsordnung eingeführt ist oder eine langfristig festgezurrte Stellenplanung maßgeblich Forschung und Lehre beeinflusst. Dass hochschulpolitische Mitbeteiligung funktioniert, bekräftigten alle Versammelten. In insgesamt außerordentlich effektiver Weise.

Geschrieben von Uwe Roßner

Konstruktive Empfehlungen

140 Studierende nahmen am vergangenen Mittwochabend an der Vollversammlung in der kleinen Mensa am Schießwall teil. In den Berichtspunkten informierten die verantwortlichen Referenten des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) nach der Abstimmung der Tagesordnung über das ab Beginn des neuen Jahres für sozial bedürftige Studierende geltende Freitischkartenmodell, warben für Beteiligung an den Gremienwahlen im Januar und luden zum dafür vorbereitenden hochschulpolitischen Wochenende am 8. und 9. Dezember nach Binz auf Rügen ein. Die nach konstruktiver Diskussion in den Themenfeldern Wohnraumsituation, Mieten, Familienfreundlichkeit und gegenwärtige Studienbedingungen gefassten Beschlüsse besaßen aufgrund der geringen Teilnehmerzahl nur empfehlenden Charakter. Ebenfalls traf dies für den unter dem Tagesordnungspunkt „Sonstiges“ von einem Studenten kurzfristig eingebrachten Antrag zur Umbenennung des Namens der Universität zu.Geschrieben von Uwe Roßner

Prächtiger Festivalausklang

Bewährt groß besetzt endete am vergangenen Samstag der Greifswalder November im Dom St. Nikolai. Die Musikreihe des Instituts für Kirchenmusik und Musikwissenschaft der Ernst-Moritz-Arndt Universität bot nach romantischer Originalmusik für Harmonium und Klavier, einem Chorkonzert mit dem Motto „Peace and Joy“, einem Vortrag zur Wirkung von Paul Gerhardts Schaffen und einer daraufhin abgestimmten Orgelnacht zum Finale eine überraschende Programmtrias. Denn dessen Seltenheitswert speiste sich nicht allein aus der Abfolge von Cesar Francks, Giacomo Puccinis und Georges Bizets als Komponisten. Mit Puccinis „Messa di Gloria“ und Bizets „Te Deum“ stellten der Greifswalder Domchor, die Sänger der Kantorei Demmin und das Philharmonische Orchester Vorpommern unter der Leitung von Kirchenmusik-direktor (KMD) Prof. Jochen A. Modeß geistvoll zwei frühe Werke der Komponisten vor. Allein der Franzose Cesar Franck (1822 – 1890) durfte neben den späteren Opernkomponisten als Kirchenmusiker gelten. Dessen bewegende Vertonung des Psalms 150 aus dem Alten Testamentes eröffnete die klangschöne Konzertstunde. Mit der 1880 entstandenen „Messa di Gloria“ Giacomo Puccinis (1858 – 1924) errangen die Aufführenden bereits zwischen einzelnen Teilen des vertonten Messzyklus die Gunst vieler Zuhörer im sehr gut besuchten Dom. Liebenswert gestalteten Gabriele Czerepan (Sopran), Reinhard Ginzel (Tenor) und Johanes Happel (Bass) in ihren Partien mit Puccinis hinreißenden Belcanto. Dennoch entfalteten sich die Sopranistin und der Tenor bei Georges Bizet stärker als bei Puccini. Mit deutlich weit tragender Stimme füllten sie zusammen mit den jubelnden Chören und dem geschmeidigen Orchester beim 1859 komponierten „Te Deum“ des 20-jährigen Franzosen mit feierlichem Lob das Kirchenschiff aus. Langanhaltender Applaus dankte für die begeisternde Mußestunde in der kalten Novembernacht.

Geschrieben von Uwe Roßner

Klangvolle Scarlattiana

Mit dem zweiten Kammerkonzert des Theater Vorpommerns gedachten Katja Pfeifer und Johannes Gebhardt des vor 250 Jahren verstorbenen italienischen Virtusoen und Komponisten Domenico Scarlatti.

Neben Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel und Antonio Vivaldi scheint Domenico Scarlatti (1685 – 1757) heute fast in Vergessenheit geraten zu sein. Zu Unrecht. Mit seinen über 550, meist einsätzigen Sonaten schuf der italienische Komponist ein umfangreiches Werk für das Chembalo. Nicht allein als glänzender Virtuose seiner Zeit, sondern auch als Veredler der Spieltechnik für Tasteninstrumente und als Formentwickler der heutigen Sonate wirkte Scarlatti. Anlässlich seines 250. Todesjahres widmeten ihm Katja Pfeifer und der Johannes Gebhardt am vergangenen Sonntagnachmittag das 2. Kammerkonzert des Theater Vorpommerns in der Museumshalle des Pommerschen Landesmuseum. Dabei verwoben die Aufführenden gewinnend die durchsichtigen Sonaten für Cembalo mit einer Auswahl italienischen Sonetten aus zwei Jahrtausenden. Denn gemäß der Wortwurzel liegt dem Sonett und der Sonate der Klang zugrunde. In der mit Bedacht zusammengestellten Programmabfolge verfolgten die aufmerksam lauschenden Zuhörern beispielsweise den Jacopo da Lentini als Meister des Wortspieles, den vor Liebe hin und her gerissen Francesco Petrarca und einen empfindlich getroffenen Nicolò Machiavelli. Katja Pfeifers zweisprachige und bewegende Rezitation der kunstreichen Verse fügte Johannes Gebhardt Scarlattis mal heitere, mal stillere Klangbilder mit der zarten Klarheit des nussfarbenen Cembalos hinzu. Eine gelungene Verbeugung vor dem alten Meister, ohne dass das spätere Sonatenschaffen Ludwig van Beethovens nicht denkbar wäre.

Geschrieben von Uwe Roßner