Die bewegte Seele

?Nach langer Zeit habe ich es gewagt, wieder zu malen, und die Freude gehabt, dass es gegen meine Erwartung gut angefangen hat. Ich bin begierig, wie das Bild vollendet erscheint.? Die Zeilen stammen aus einem Brief Friedrichs an seinen Petersburger Freund und Förderer Wassilij Shukowski.

 Es ist das Jahr 1835. Der Arzt und Maler Carl Gustav Carus spricht von dem angesprochenen Werk als einer ?großen Landschaft mit Gewitterhimmel bei Nacht an der See?. Als ?Meeresufer im Mondschein? hängt das zwischen 1835/ 36 entstandene Werk in der Hamburger Kunsthalle.
Es ist ein Vermächtnis Friedrichs. Trotz seiner, vom einem Schlaganfall herrührenden rechtsseitigen Lähmung gelingt sein letztes Gemälde. Die Maße der Leinwand sind dabei von ungewöhnlicher Größe: 134 x 169,2 cm. Die auf dunkle Tonwerte beschränkte Palette erfüllt die Leinwand. Todesahnung erfüllt es.
?Caspar David Friedrich gilt als einer der bedeutendsten und typischsten deutschen Romantiker?, sagt Dr. Birgit Dahlenburg.  In seinen Landschaftsbildern artikuliert sich symbolisch die Sehnsucht des endlichen Menschen nach der Unendlichkeit und der Freiheit, die in der wirklichen Welt nicht mehr erreichbar schien. Todesangst und Todessehnsucht sind im Werke vieler Romantiker untrennbar miteinander verbunden. ?Caspar David Friedrich hebt sich aber auch von den zeitgenössischen Künstlern ab: in der Prononciertheit, wie Tod und Vergänglichkeit eine künstlerische Umsetzung finden und in der Radikalität seiner Landschaftsdramaturgie. Wohl kaum ein Künstler hat es vermocht, emotionaler die Themen Einsamkeit, Tod und Isolation des Menschen in der Landschaftsmalerei darzustellen?, so die Kunstwissenschaftlerin und Kustodin unserer alma mater.
Aus der Sicht der Psychologie ist Friedrich ein eindeutiger Fall. ?Hinsichtlich vieler Aspekte kann der Verlauf von Friedrichs depressiver Störung geradezu als prototypisch bezeichnet werden?, konstatiert Dr. med. Carsten Spitzer, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ernst-Moritz-Arndt Universität im Hanseklinikum Stralsund. Die Anzeichen liegen für ihn klar auf der Hand: die Erstmanifestation liegt mit 25 Jahren innerhalb  der Mitte bis zum Ende des dritten Lebensjahrzehnts, der Suizidversuch und die Wiederkehr von depressiven Phasen lässt sich innerhalb einer jeweils dazwischenliegenden Zeitspanne von 3 bis 10 Jahren ausmachen. Nicht unerheblich ist dabei der frühe Verlust der Mutter, seiner Schwester und Christoffers. Letztgenannter ertrank bei der Rettung des im Eis eingebrochenen Caspar David. Der Tod des Lieblingsbruder hinterließ lebenslange Selbstvorwürfe. Zudem sahen Zeitgenossen wie beispielsweise der Naturphilosoph G. H. Schubert im Maler den Prototyp eines Melancholikers.
Vor gut drei Jahren trafen die Kunstwissenschaftlerin und der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie auf wissenschaftlicher Ebene zusammen. Anregung für die gemeinsame Arbeit gab Prof. Kessler, der Direktor des Universitätsklinikums für Neurologie. Sein Wunsch bestand in einer interdisziplnären Untersuchung von Friedrichs ?Mondscheinlandschaft? aus dem Jahre 1836. ?Bei Literaturrecherchen zeigte sich allerdings, dass es schon frühzeitiger Hinweise auf eine psychische Erkrankung gab?, so Birgit Dahlenburg.
Archivalien, Briefe und zeitgenössische Literatur zogen beide heran, um Hinweisen auf depressive Anzeichen bei Friedrich zu finden und auszuwerten. In den angenommenen depressiven Phasen wurde zudem das künstlerische Werk näher untersucht. ?Eine zentrale These ist, dass Friedrich in seinem 25. Lebensjahr erstmalig manifest depressiv erkrankte und eine rezidivierende depressive Störung entwickelte?, so die beiden Greifswalder Forscher.
Ihre Position zeichnet sich durch die Feststellung einer seit 1799 bestehenden unipolaren Depression aus. Diese Krankheit verläuft oft im Abstand von mehreren Jahren in sog. depressiven Episoden, die zudem Niederschlag in Friedrichs künstlerischen Schaffen findet.
Anführbar sei dafür die Nutzung einfach ausführbarer malerischer Techniken (Sepia, Aquarell) und die häufige Darstellung bestimmter Todesmotive zu bestimmten Zeiten stehen unter dem Einfluss der Krankheit.
Ruhephasen und Besonderheiten in einigen anderen Schaffensperioden finden so eine Erklärung, die im Zusammenhang mit seinen Depressionen stehen. In der Literatur fand und finden sich immer Hinweise auf den melancholischen Charakter des Romantikers. Abgesehen von zwei medizinischen Aufsätzen seit den 1980-iger Jahren gab es bislang keine wissenschaftliche Untersuchung zu diesem Thema.

Geschrieben von Uwe Roßner

Hans Fallada & Wolfgang Koeppen

Mit Greifswald verbindet Hans Fallada im Grunde genommen wenig. Außer dass er in Greifswald 1893 geboren wurde und 1924 hier kurzzeitig inhaftiert war. Ansonsten ist sein Lebensweg nicht durch Konstanz gekennzeichnet. 1911 tötet er bei einem Duell einen Mitschüler. Was folgt ist eine gerichtliche Untersuchung und die Einweisung in die Psychiatrie.

Hans Fallada

 In den folgenden Jahren verdient er seinen Lebensunterhalt in der Landwirtschaft. Unterbrochen wird seine Berufstätigkeit durch Entziehungskuren wegen seiner Morphiumsucht. 1920 erscheint sein erster Roman ?Der gute Goedeschal?. 1924 ist er kurzzeitig im Gefängnis von Greifswald inhaftiert. Allerdings wird er 1926 wegen Unterschlagung zu über zwei Jahren Haft verurteilt, die er in Neumünster verbringt. Während der Haftzeit entsteht die Idee zu dem späteren Roman ?Wer einmal aus dem Blechnapf frisst?. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis lässt er sich in Neumünster nieder. Dort arbeitet er als Annoncenwerber und Lokalredakteur für den Neumünsteraner ?Generalanzeiger?. In dieser Zeit lernt er seine erste Frau Anna Margarete Issel kennen. In diesen Zeitraum fällt das Aufkommen der Landvolkbewegung in Schleswig-Holstein. Die Ereignisse um dieses Aufkommen bilden den literarischen Stoff für den Roman ?Bauern, Bonzen und Bomben? von 1931. 1932 erscheint der Roman ?Kleiner Mann – was nun??, der ein Welterfolg wird. 1933 zieht er nach Berkenbrück, da er sich dort schon 1931 ein Haus gekauft hat. Von seinem ehemaligen Vermieter in Berkenbrück denunziert, wird er 1933 für 11 Tage von der SA inhaftiert. Er verkauft das Haus und kauft sich bald das Anwesen in Carwitz bei Feldberg. Die nun folgenden Jahre sind trotz Kritik von Seiten der Nationalsozialisten erfolgreich, weil sie Fallada ein beständiges Einkommen ermöglichen. Es erscheinen Romane wie ?Wolf unter Wölfen?, ?Wer einmal aus dem Blechnapf frisst? und  ?Der eiserne Gustav?. Nach der Scheidung von seiner ersten Frau wird er wegen seines Alkoholismus 1944 in die Landesheilanstalt Strelitz eingewiesen. In dieser Zeit entsteht das Manuskript zu ?Der Trinker?. 1945 heiratet er erneut und ist kurzzeitig Bürgermeister von Carwitz. Im selben Jahr zieht er nach Berlin. In dieser Zeit bis zu seinem Tod 1947 entsteht der ?Alpdruck? und ?Jeder stirbt für sich allein?. Aus der Sicht eines normalen Menschen erscheint das Leben von Hans Fallada als ?ungeordnet?. Doch diese Tatsache macht sein literarisches Werk wie auch seine Figuren glaubhaft, sympathisch und menschlich, gerade weil sie ihre Schwächen haben.

Wolfgang Koeppen

Das Schaffen eines Schriftstellers ist Marcel Reich-Ranicki  zufolge immer ein Produkt der zeitlichen Umstände. Ein anschauliches Beispiel dafür ist Wolfgang Koeppen. Er wird 1906 als uneheliches Kind einer Näherin und eines Augenarztes geboren. Nach der Rückkehr aus Ortelsburg 1919 ist er gezwungen aus finanziellen Gründen die Mittelschule zu besuchen. Aus der Abneigung gegen die Schule wie auch der familiären Situation nimmt er eine Stelle als Laufbursche in einer Buchhandlung an. Nebenher ist er Volontär am Stadttheater und besucht Vorlesungen in Germanistik, Theaterwissenschaft und Philosophie an der Universität. Nach dem Tod seiner Mutter im Jahr 1925 verlässt er Greifswald entgültig. Zunächst arbeitet er am Theater in Würzburg. Von 1930 – 1933 arbeitet er für den ?Berliner Börsen- Courier?. In dieser Zeit verfasst er über 200 Kritiken sowie Reportagen, Essays und Prosaskizzen. Anfang 1934 reist er über Zürich nach Italien. Auf dieser Reise basiert sein erster Roman ?Eine unglückliche Liebe?. 1935 folgt der Roman ?Die Mauer schwankt?. Diese beiden Romane fallen in die Zeit der ersten Schaffensphase. 1938 kehrt er aus finanziellen Gründen aus den Niederlanden zurück. Bis 1945 arbeitet als Drehbuchautor bei der Bavaria. Von 1951 – 1954 erscheint die Romantrilogie ?Tauben im Gras? (1951), ?Das Treibhaus? (1953) und ?Der Tod in Rom? (1954). Diese Romane der zweiten Schaffensphase sind charakterisiert durch die aggressive Kritik an den restaurativen Tendenzen  in den frühen Jahren der Bundesrepublik. Die ?Tauben im Gras? machen die Düsternis der Adenauerjahre zum Ausgangspunkt. „Das Treibhaus“ legt die ?tiefen Leiden? und die Zerrissenheit zwischen der jüngeren Vergangenheit und der Gegenwart der 50er Jahre offen. ?Der Tod in Rom? wurde als Zerrspiegel der deutschen Eigenwahrnehmung abgelehnt. Aus diesen Gründen wurde keiner dieser drei Romane zum Verkaufserfolg. In den Jahren bis 1959 unternimmt Koeppen Reisen durch Europa und Amerika.In seinen späteren Jahren werden die Veröffentlichungen weniger und haben einen stärker autobiographischen Charakter. Bei seinem Hauptwerken spiegelt sich eine menschliche Grunderfahrung wider: Es ist die Erfahrung des Reisens. Es ist aber auch die Erfahrung der Vergeblichkeit der Reise, weil der Mensch im Endeffekt doch anerkennen muss, dass die Schauplätze doch alle gleich sind.

Geschrieben von Melchior Jordan

LiteraTour durch Greifswald

Wir treffen uns am Koeppenhaus in der Bahnhofsstraße. Das regnerische Januarwetter der letzten Tage scheint es gut mit uns zu meinen und die Chancen, trocken durch die nächste Stunde zu kommen, stehen gut. Es ist 13 Uhr als wir uns mit unserer Stadtführerin Franziska Klette auf die Spuren Wolfgang Koeppens und Hans Falladas machen.

Beginnend mit dem Geburtshaus des einen und abschließend mit dem des anderen, führt uns unser Rundgang nicht nur durch die Innenstadt Greifswalds, sondern auch durch das Leben und die Literatur der beiden Autoren.
Unser erstes Etappenziel ist Wolfgang Koeppens Geburtshaus, welches heute unter anderem eine Ausstellung, ein Archiv und ein Café beherbergt. Obwohl das Gebäude 2002 renoviert wurde, kann man noch immer ein altes Treppengeländer und einen großen Kachelofen aus Koeppens Zeiten entdecken. Kurz darauf stehen wir in seinem Arbeitszimmer. Es scheint fast als hätte er den Raum nur kurz verlassen und käme jeden Moment zurück. In einer Ecke liegt ein Stapel Zeitungen, die der Literat nicht nur las, sondern mit Randnotizen kommentierte. Der Schreibtisch steht, als warte er nur auf seinen Besitzer. Wolfgang Koeppens Nachlass ging nach seinem Tod an den Suhrkamp-Verlag, welcher Inventarteile, aber vor allem Bücher und Schriften des Autors an das Koeppenhaus weitergab. Sie befinden sich zusammen mit circa 12000 Briefen und Fotos im Archiv des Hauses.
Wir verlassen das Koeppenhaus und machen uns auf in Richtung Wall. Wir bemerken die teilweise noch alten Hinterhöfe der Bahnhofsstraße, so oder ähnlich muss es wohl auch ausgesehen haben als Fallada und Koeppen den Wall entlang spazierten. Wir überqueren die Rubenowbrücke und folgen dem Weg, bis wir freie Sicht auf das Oberverwaltungsgerichts und seinen Hinterhof erlangen. Früher befand sich in einem Anbau des Hauses ein Gefängnis, welches auch zu DDR-Zeiten noch als Stasiuntersuchungsgefängnis diente. Heute steht dort kein Stein mehr, der an einen solchen Anbau erinnert und doch hat selbst ein Hans Fallada ,welcher nach einem misslungenen Selbstmordversuch bereits einige Zeit in der Psychiatrie verbracht hatte, die Mauern des Gefängnisses von Innen gesehen. In seinem Werk ?Strafgefangener Zelle 32? beschreibt er seinen dortigen Aufenthalt, zu dem er aufgrund von Veruntreuung verurteilt wurde. Um an Schreibmaterialien zu gelangen, bespitzelte er seine Mitinsassen, was dazu führte, dass diese ihn schnitten. Letztendlich bescherte ihm gute Führung eine vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis. ?Falladas Buch ‚Wer einmal aus dem Blechnapf frisst‘ bezieht sich jedoch nicht auf seinen Greifswalder Gefängnisaufenthalt sondern auf einen späteren in Neumünster,? erklärt uns Franziska Klette.
Derweil führt sie uns zur alten Uni-Bibliothek in der Rubenowstraße. Noch im Laufschritt, um nicht alt zu lange frieren zu müssen, berichtet sie uns, dass Wolfgang Koeppen hier ein häufig gesehener Gast war, wenn auch illegaler Weise. Er hatte nie die Möglichkeit, offiziell an der Ernst-Moritz-Arndt Universität zu studieren und doch wurde er 1990 zum Ehrendoktor der Universität und später zum Ehrenbürger der Stadt ernannt.
Unser nächstes Ziel ist die Hunnenstraße. Wir stehen auf dem alten Straßenpflaster und blicken auf den Dom als Franziska Klette erwähnt, dass Koeppen diesen Weg regelmäßig gegangen sei. Sie zitiert ein paar Zeilen aus dem Werk ?Jugend?, die eben dieses Pflaster, auf dem wir stehen, beschreiben.
Kurz darauf gehen wir die Lange Straße in Richtung Markt. Unsere Führerin erzählt uns, dass Koeppen stets gut für sein leibliches und geistiges Wohl sorgte. Leibliches Wohl durch gutes Essen und geistiges Wohl durch Bücher. Als James Joyce Ulysses veröffentlichte, Koeppen sich das Buch aber nicht leisten konnte, überredete er einen Händler, ihm das Buch für eine Woche zu überlassen. Die Vorstellung, dass es jemand schafft, innerhalb einer Woche dieses Werk zu lesen, vielleicht sogar mehrmals und es auch noch ,zu verstehen sorgt bei uns für Staunen. Dies könnte jedoch auch darauf zurückzuführen sein, dass Wolfgang Koeppens Stil dem von Joyce aber auch dem Kafkas ähnelte. Er spielte mit Worten und stellte aktuelle Gesellschaftsbilder in den Mittelpunkt seiner Betrachtung. So spiegelt sein Buch ?Das Treibhaus? den Politik-Sumpf der Nachkriegszeit wider. Immer noch in der Langen Straße unterwegs erzählt man uns, dass Koeppen so seine ganz persönliche Meinung zur Literatur Falladas hatte. Er bezeichnete ihn zwar als großartigen Erzähler, aber Literatur sei das seiner Meinung nach nicht. Hans Fallada, der eigentlich Rudolf Ditzen heißt und dessen Künstlername auf Hans im Glück und die Gänsehirtin zurückgeht sei stilistisch eher mit Kurt Tucholsky zu vergleichen, verdeutlicht uns unsere Stadtführerin.
Mit ein paar Anekdoten mehr im Gepäck, erreichen wir den Markt und das ?ratlose Rathaus?, wie Koeppen es in seinem Buch ?Jugend? bezeichnet. Er fühlte sich in Greifswald nie wohl und so zitiert Franziska Klette erneut: ?In meiner Stadt war ich allein.? Wolfgang Koeppen wurde unehelich geboren und obwohl sein Vater die Vaterschaft anerkannte, kümmerte er sich nie um seinen Sohn. Als Kind verbrachte Koeppen ein paar Jahre in Polen, eine Zeit, die er genoss und in der er Greifswald hinter sich ließ.
Als nächstes führt uns unser Rundgang zu Koeppens Schule, die gleich in einer Nebenstraße des Marktes liegt. Koeppen wollte stets das Gymnasium an der Bahnhofsstraße besuchen, musste aber aus finanziellen Gründen auf die Mittelschule gehen. Das sture Auswendiglernen und Wiederholen unterforderte den intelligenten und belesenen Jungen und steigerte seine Unzufriedenheit, was dazu führte, dass er die Schule schließlich verließ.
Vorbei an dem Gymnasium, welches Koeppen so gern besucht hätte, führt uns unser Rundgang zur letzten Station, dem Falladahaus in der Steinstraße. Dieses wurde 2002 renoviert und die Wohnung, in der Fallada 1893 das Licht der Welt erblickte, wurde der Pommerschen Literaturgesellschaft e.V. zur Verfügung gestellt. Die 180 qm dienen heute als Treffpunkt für Literatur- und Kunstliebhaber aller Art. Außerdem beherbergen die Räumlichkeiten eine Ausstellung, die Lebensabschnitte Hans Falladas kennzeichnet. So finden wir die Gefängnistür, hinter der er 1924 ein paar Wochen verbrachte und die Totenmaske des Autors.
Im Falladahaus treffen wir auch auf Isabelle Tirschmann, die vergangenen Sommer das Projekt ?LiteraTour durch Greifswald? ins Leben rief.  Mithilfe des Koeppen-Archives und des Falladahauses wurde eine literarische  Stadtführung vorbreitet, die nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch, Schwedisch und Italienisch angeboten wird. Die Idee war, nicht nur eine Stadtführung sondern einen persönlicheren Einblick in das literarische Geschehen Greifswalds zu ermöglichen: ?Es soll nicht nur vorgeführt werden.? Und so gibt es nach dem Rundgang noch einmal die Möglichkeit bei einer Tasse Kaffee über das Gesehene zu sprechen, Fragen zu stellen und zu diskutieren.

Geschrieben von Anne Schuldt

Umfrage: Kennen Sie Koeppen?

Eine Umfrage unter Greifswalder Studenten

Ulrike Joachim
Biologie


moritz: Welche Persönlichkeiten verbindest du mit Greifswald?

Ulrike: Berühmtheiten oder Künstler? Da fällt mir eigentlich nur Koeppen ein.
Was weißt du über Wolfgang Koeppen und seine Literatur?
Nicht wirklich viel und was ich weiß, ist auch eher vage, aber in der Bahnhofsstraße gibt es das Koeppenhaus. Ehrlich gesagt, habe ich mich nie für regionale Autoren interessiert.
Also waren dir die Namen Koeppen oder auch Fallada bis du nach Greifswald gekommen bist, kein Begriff?
Nein, erst seit dem ich hier studiere sind mir die Namen hin und wieder mal zu Ohren gekommen. Das könnte jedoch auch an meinem Studienfach liegen. Ein Germanist könnte bestimmt besser auf diese Fragen antworten.

Kathleen Viergutz
Anglistik


moritz: Welche Persönlichkeiten verbindest du mit Greifswald?

Kathleen: Soweit ich weiß, waren Hans Fallada und Caspar David Friedrich gebürtige Greifswalder.
Kennst du Werke von Caspar David Friedrich oder hast du schon einmal etwas von Hans Fallada gelesen?
Ehrlich gesagt hab ich noch nichts von ihm gelesen, ich weiß zwar, dass er ?Wer einmal aus dem Blechnapf frisst? geschrieben hat, aber dann hört es auch schon auf. Hier in Greifswald soll es ein Falladahaus geben, aber wo, weiß ich auch nicht so genau.
Und Caspar David Friedrich?
Bilder von ihm habe ich schon gesehen, gleich um die Ecke ist das Caspar David Friedrich Haus, drin war ich leider noch nicht. Aber manchmal hat man in Greifswald das Gefühl, dass das, was man gerade sieht, bereits in einem seiner Bilder verewigt wurde.

Torsten Priem
Geschichte und Geographie auf Lehramt.

moritz: Welche Persönlichkeiten verbindest Du mit Greifswald?
Torsten: In erster Linie den Romantiker Caspar David Friedrich und Wolfgang Koeppen
Bist du schon einmal mit Werken dieser Künstler in Berührung gekommen?
Ja, ich habe mich einmal sehr intensiv mit den Werken Caspar David Friedrichs auseinandergesetzt. Wolfgang Koeppen bringe ich in Verbindung mit der Gruppe 47.
Gruppe 47?
Das ist eine Schriftstellervereinigung die sich 1947 in München unter dem Vorsitz von Hans Werner Richter gegründet hat.
Aha, hast du schon mal etwas von Koeppen oder von Hans Fallada gelesen, der auch hier in Greifswald geboren wurde?
Zwei Werke von Koeppen wurden mir sehr empfohlen, ?Tauben im Gras?, sein Hauptwerk, und ?Das Treibhaus?, allerdings bin ich noch nicht dazu gekommen, sie zu lesen. Also der Name Hans Fallada ist mir auch geläufig.  Rudolf Ditzen, so sein korrekter Name, ist mir in erster Linie durch Kulturabende in der Villa Irmgard in Heringsdorf auf Usedom bekannt.

Geschrieben von Delia Holm, Anne schuldt

Zwischen Apollon und Dionysos

„Für die Ewigkeit“, so steht es seit dem 16. Dezember 2004 am Eingang des „IfA“. Die Worte des griechischen Geschichtsschreibers Thukydides haben, in den dunklen Stein gefasst, etwas sepulkrales an sich; als wollte man sagen: „Hier ruhen einige der ältesten und traditionsreichsten Lehren unserer Universität – zum Tode verurteilt im beginnenden 21. Jahrhundert …“.

Doch Totgesagte leben bekanntlich länger. So ist es nicht verwunderlich, dass die Neugründung des Instituts für Altertumswissenschaften 1994 zu ihrem 10jährigen Jubiläum mit großen Festlichkeiten gefeiert wurde. Neugründung daher, da man in der DDR-Kulturpolitik der 1960er Jahre radikal auf Studiengänge verzichtete, die hier teilweise bereits seit der Gründungszeit der Alma Mater existierten. Erst nach der Wende konnten diese „wiederbelebt“ werden.
Die Lehrstühle für Alte Geschichte, Klassische Archäologie, Latinistik und Gräzistik haben seit dem einen respektablen Stellenwert erlangt, sowohl innerhalb der Uni, als auch teilweise im internationalen Bereich. Es sei nur an die spektakuläre Ausgrabung auf der Mittelmeerinsel Pantelleria im Sommer 2003 erinnert, bei der vor laufender ZDF-Kamera die besterhaltenste Cäsar-Büste entdeckt wurde, die bisher bekannt ist. Heute ist der Lehrstuhl für Klassische Archäologie vakant. Nicht nur dessen Neubesetzung sondern die Zukunft des gesamten Instituts wird seit einiger Zeit diskutiert.
Vor diesem Hintergrund war die Feier in der vorweihnachtlichen Zeit ein Akzent, den man nicht so leicht übergehen sollte. Der Abend wurde mit einem Festvortrag von Prof. Dr. Wulf Raeck in der UB eingeleitet, der seinerzeit zu den Erstberufenen des Instituts gehörte. Seinen Ausführungen zu den Darstellungen von Emotionen in der Antike wurde in andächtiger Weise gelauscht, während man den eigenen Emotionen im Anschluss erheblich mehr Spielraum geben konnte: In der knapp 100 Jahre alten und mühsam sanierten Villa in der Petershagen-Allee, welche heute alle Lehrstühle unter ihrem Dach vereint, wartete bereits ein vielgestaltiges Buffet auf die große Anzahl der Gäste. Sowohl Professoren und Dozenten, als auch Studenten der verschiedensten Fachrichtungen fanden sich zu lebendigen Gesprächen und Scherzen (begeleitet von dezenter Live-Musik) in den Räumlichkeiten ein, die schon im alltäglichen Lehrbetrieb an ihre Grenzen gehen und nun „aus ihren Nähten platzten“.
Doch zuvor wurde in Fackellicht die erwähnte Tafel enthüllt. Der eisige Wind kam einem dabei wie ein böses Omen vor und man entsann sich der Worte, die der Institutsdirektor Prof. Dr. Gregor Vogt-Spira kurz zuvor in seiner Laudatio vorgetragen hatte: „Das gezielte Eliminieren wichtiger Bestandteile unserer Universität ist durchaus mit den Abrißplänen für die Greifswalder Innenstadt vergleichbar. Mein kunsthistorische Kollege, Prof. Dr. Bernfried Lichtnau, hat uns kürzlich eindrucksvoll vorgeführt, wie die Altstadt nach diesen Plänen im Jahre 2000 ausgesehen hätte: Sie wäre bis zum Bahnhof hin abgerissen worden und hätte alles verloren, was ihre Besonderheit und Vielfalt ausmacht, die sie heute so anziehend wirken läßt. Dies sollte uns Mahnung sein, einen die Geschichte negierenden Diskurs scheinbarer Rationalität nie wieder zuzulassen!“

Geschrieben von Arvid Hansmann