Chronik 2005 – Was bisher geschah

14. Januar
Tagung der SPD-Landtagsfraktion zur Hochschulentwicklung bis zum Jahr 2020 in Rostock-Warnemünde. Bildungsminister Metelmann fordert die Hochschulleitungen auf, ein gemeinsames Konzept zu entwerfen.

28. Januar
Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern beschließt ihr Personalkonzept. Es sieht vor, bis zum Jahr 2020 insgesamt 10 500 Stellen im Öffentlichen Dienst abzubauen. Davon entfallen 600 Stellen auf die Hochschulen.

22. Februar
Die Rektoren Westermann und Wendel legen ohne den Rückhalt ihrer Senate ihr gemeinsames Diskussionspapier vor. Das heißt, sie bekunden nur als Amtspersonen ihre Meinung, ohne dass sie stellvertretend für ihre Alma Mater sprechen.

23. März
Erste Konferenz in Hasenwinkel bei Wismar. Die Rektoren Wendel und Westermann stellen dem Land ihren gemeinsamen Vorschlag vor. Zielsetzung ist die Stärkung der Universität, die Konzentration von Fächern und der Abbau von Doppelungen.

11. März
Die Rektoren der Fachhochschulen legen trotz nachhaltiger Aufforderungen des Bildungsministeriums kein eigenes Konzept zur Umsetzung der Kürzungen vor.

22. Februar – 16. März
Beispiellose Proteste von Studenten, Mitarbeitern und Wirtschaft gegen das vorgestellte Konzept der Rektoren. Nach Rücktrittsforderungen an den Greifswalder Rektor wird schließlich seine Abwahl vorbereitet. Der Rostocker Rektor Wendel wird wiederholt und scharf durch Vertreter des Akademischen Senats gerügt. Sein Vorgehen wird als zutiefst undemokratisch charakterisiert. Die zahllosen Protestaktionen führen schließlich zum Rückzug des Konzepts durch Rektor Wendel am 16. März 2005.

21. März
Auf der zweiten Klausurtagung in Hasenwinkel beschäftigen sich die Rektoren, Kanzler und Vertreter des Bildungsministers in Gesprächen mit der Verbesserung der Qualität an den Hochschulen. Protestierende studentische Vertreter werden eingeladen unter Ausschluss von den Hauptverhandlungen ihre Position zu artikulieren. Sie bemängeln die fehlende Transparenz und Ausklammerung der Studenten bei den Verhandlungen.

14. April
Vollversammlung der Greifswalder Studierendenschaft zur Debatte um die Kürzungspläne an den Hochschulen des Landes. Motto: Zeit für Taten!

Für Ergebnisse zu früh

Bildungsminister Prof. Dr. Dr. med. Hans-Robert Metelmann über Studenten, Rektoren und Hasenwinkel

moritz: Sehr geehrter Herr Bildungsminister, wie ist der Stand der Debatte um die Hochschulen im Land?

Hans-Robert Metelmann: Ergebnisse im Augenblick zu erwarten, ist sicherlich noch zu früh. Wir sind in einer Phase, wo man sehr viel einsammeln muss, damit das Nacharbeiten nicht unerträglich lang wird.

Welche Bedeutung haben die Universitäten aus Sicht der Landesregierung?

Unstrittig ist: Die Hochschulen stellen insgesamt nicht nur einen Wert an sich dar, sondern sie haben etwas Wesentliches mit der Entwicklung des ganzen Landes zu tun.

Die Universitäten im Lande würden nicht mehr in der ersten Liga spielen – Was heißt das eigentlich oder was verbirgt sich dahinter?

Wenn sie mir zusagen, dass sie nicht alles das glauben, was von mir in der Zeitung steht, dann versichere ich ihnen, dass ich auch nicht alles glaube, was von den Universitäten in der Zeitung wieder rüber kommt.
Wir haben zu kleine Institute: Genau das ist unser Problem. Wir haben zu viele zu kleine Einrichtungen, die die Lehre vollständig abdecken müssen. Von ihrer zeitlichen Beanspruchungen und ihrer Kapazität sind sie gelegentlich nahezu erschöpft und dann sollen sie auch noch Forschung betreiben. Aber wenn wir keine Forschung betreiben, dann fehlt eine unserer wichtigsten Unterscheidungspositionen – die Differentia Specifica. Sie wird doch nicht in erster Linie an der Lehre – die ist in deutschen Universitäten mehr oder weniger vergleichbar und standardisiert – sondern gerade an den Forschungsschwerpunkten festgemacht. Wir müssen gucken, dass wir in der Forschung so stark sind, dass wir auch im DFG-Ranking und im CHE-Ranking höher rutschen.

Welche Bedeutung haben die Tagungen in Hasenwinkel?

Wir stehen, grundsätzlich gesprochen, im Moment vor zwei Aufgaben. Die eine Aufgabe ist: Wir müssen mit dem Geld, was wir im Haushalt haben, auskommen. So die Haushaltsaufgabe. Eine ganz andere Aufgabe ist die Frage ?Qualität der Hochschulen?. Wie sind wir für den Wettbewerb im europäischen Hochschulraum gerüstet? Das hört sich ein bisschen nach Quadratur des Kreises an: Die Finanzaufgaben und die Hochschulentwicklungsaufgaben in Übereinstimmung zu bringen. Um das hinzubekommen, brauchen wir ein geordnetes Verfahren. An diesem Verfahren gibt es jetzt heftige Kritik in der Öffentlichkeit. Im Februar dieses Jahres war ?Hasenwinkel 1? das erste Treffen. Damals haben die Hochschulen ihre eigenen Vorstellungen vorgelegt. Die wurden zunächst durch ihre Rektoren vertreten, was ganz legitim ist. ?Hasenwinkel 2? war dann im März. Da haben die Fachhochschulen ihre ersten Entwürfe – wesentlich weniger konturiert als das, was die Universitäten vorgelegt haben – auf den Tisch gelegt. Jetzt schauen wir auf ?Hasenwinkel 3? Ende März/ Anfang April. Da geht es darum, dass das Land seine eigenen Vorstellungen auf den Tisch legt. Denn das Land hat einige Bedürfnisse, die wir ansprechen müssen.

Wie beurteilen Sie das Diskussionspapier der beiden Rektoren?

Völlig richtig. Es ist immer ausgesprochen schwierig, so einen Prozess weiter voran zutreiben. Und das, was die Rektoren auf den Tisch gebracht haben, ist nicht völlig aus der Luft gegriffen. Schließlich haben sie die selbst gegossene Grundlage vom Winter 2003 vor Augen gehabt. Ich glaube, es ist die Pflicht eines Rektors in so einem Prozess ein Papier auf den Tisch zu legen, dem man dann als Senat und als Konzil entweder hundertprozentig zustimmt oder das man hundertprozentig in der Luft zerreißt. Aber dazwischen wird man rauskommen. Wenn die Rektoren ein Papier auf den Tisch gelegt haben, in eigener Verantwortung – zunächst einmal als Diskussionspapier – dann halte ich es nach wie vor als einen recht entschlossenen Schritt. Respekt beiden, dass sie erst einmal einen Stein ins Wasser geworfen haben.

Was sagen Sie zu dem bisherigen Studentenprotesten?

Völlig legitime Aktionen. Auffällig ist, dass der Informationsstand allerdings aus verschiedensten Gründen – das ist auch Selbstkritik – gelegentlich gering war. Zweite Auffälligkeit: Der Verfahrensweg ist sicherlich vielen nicht bewusst gewesen. Es ist ein Prozess, der sich sicherlich noch eine ganze Weile erstrecken muss und wird. Wir wollen bis 2020 zum Ende kommen. Es ist aber auch schon eine ganze Menge Zeit verstrichen. Ich sage nur September 2003. Vielen Studierenden ist offensichtlich nicht bewusst, dass wir bereits ein Kernaussagenpapier haben, und dass das ganz öffentlich (Landtagsdrucksache 4/784 [d. Redaktion]) ist. Da hätte gelegentlich ein Blick in dieses Kernaussagenpapier gereicht, um zu sagen, die Beschlusslage ist im Moment eine andere.

Stichwort Landesuniversität.

Eine Landesuniversität birgt immer die Gefahr einer Erbsensuppe. Alle kommen in einen Topf und es wird eine unkenntliche Einheitsmasse daraus. Das brauchen wir ganz sicher nicht. Was wir brauchen, ist eine bessere Abstimmung der Hochschulen untereinander. Das Problem der Rektoren und überhaupt der Gremien ist, dass sie eigentlich nicht in der Lage sind, über die Grenzen des eigenen Campus hinweg zu agieren.

Wie entstand die Zusammenarbeit von Prorektor Classen von der Greifswalder Universität mit der Landesregierung?

Da muss ich den Prorektor ausdrücklich in Schutz nehmen. Ich habe ihn selbst gebeten, die Landesregierung an dieser Stelle zu beraten. Er ist erstens auf diesem Gebiet als Fachmann versiert, zweitens kennt er die Situation der Hochschulen als Prorektor bestens. Drittens er ist einfach ein Mann, der mir immer wieder auffällt als jemand, der versucht Lösungen zu finden, der nicht in der Konfrontation festfriert und sagt, das machen wir nie, sondern der sagt: ?Hier ist ein Problem.? Mit diesen drei Eigenschaften schien er mir persönlich ideal geeignet zu sein für diese Aufgabe. Deshalb nehme ich es gerne auf meine Kappe und werde es auch dem Greifswalder Senat in seiner Sitzung am 13. April auch noch einmal sagen. Es ist in der Tat so, dass wir juristische Beratung brauchen.

Wie kam es zu Ihrer Entscheidung, das damalige Rektorenamt niederzulegen und nach Schwerin ins Bildungsministerium zu wechseln?

Ich kann nur das sagen, was mir in den Tagen, nachdem mich der Ministerpräsident gefragt hat, durch den Kopf gegangen ist. Der Ministerpräsident hat einen durchaus mutigen Schritt an dieser Stelle getan. Er hat an allen Parteikarrieren vorbei einfach einen Parteilosen angesprochen. Wohl wissend, dass er sich in der eigenen Partei mit Sicherheit nicht sehr viele Freunde macht und der Öffentlichkeit deutlich macht, die Hochschulentwicklung in die Hand von Leuten zu geben, die sich damit auch auskennen. Das ständige Auskämmen an den Hochschulen des Landes hat uns all die kleinen Institute beschert, über die wir heute die Stirn runzeln und uns fragen, warum sie nicht stärker in der Forschung etc. sind. Meine Intention war, auch in 10 bis 15 Jahren im Lande Hochschulen haben zu wollen, die auf ihren Gebieten exzellent sind.

Geschrieben von Uwe Roßner

Das Rektorenduell

Die Rektoren der Unis in Greifswald und Rostock spielen die entscheidende Rolle im Kürzungskrimi der letzten Wochen. Hier treffen ihre Ansichten aufeinander. Der heuler hat in Rostock mit Rektor Hans Jürgen Wendel gesprochen, der moritz war bei Rektor Rainer Westermann in Greifswald zu Gast.

heuler: Wie ist das Positionspapier der beiden Rektoren entstanden?

Hans Jürgen Wendel: Als das Kabinett zu Beginn des Jahres beschlossen hat, 600 Stellen bis 2017 zu streichen, haben die Gespräche mit Greifswalds Rektor Westermann begonnen. Die Wahl der Fachbereiche Jura, BWL und Politikwissenschaften war kein willkürliches Herausreißen. Die Diskussion um Doppelungen an den Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern laufen seit 1996. Das Rektorenkonzept stellt lediglich Vorschläge, keine Entscheidungen dar! Natürlich sind wir gegen die Kürzungspläne und haben gehofft, dass wir mit dem Konzept eine Diskussion auslösen.

Trotz der Kürzungen sollen alle Hochschulstandorte in Mecklenburg-Vorpommern erhalten bleiben. Ist das überhaupt möglich?

Rechnerisch ist das möglich. Die Standorterhaltung ist viel mehr eine Frage der Qualität. Schließlich reicht eine Person aus, um einen Standort zu erhalten.

Welche Rolle spielt die Berichterstattung der Medien in der gegenwärtigen Situation?

Die Medien spielen eine entscheidende Rolle. Sie zeigen der Öffentlichkeit, wie wichtig die Universität ist. Ohne die Medien hätte die momentane Lage der Universität eine viel geringere politische Bedeutung.

Wie wichtig war der Bildungsminister bei den bisherigen Plänen?

Der Bildungsminister hat nur eine indirekte Rolle gespielt. Er hat klar gemacht, dass die Konzepte für die Einsparungen ohne eigene Vorschläge der Hochschulen über deren Köpfe hinweg verordnet werden würden.

Wieso haben Sie sich kurz nach Vorlage des Papiers wieder davon distanziert?

Das Papier sollte eine Diskussion in der Öffentlichkeit anregen und zeigen, welche Bedeutung die Hochschulen haben. Dabei wollten wir keine anonymen Zahlen auftischen, sondern ein durchschaubares Konzept vorlegen. Die Hoffnung war es, die Politiker dazu zu bewegen, die Einsparungsvorgaben nicht einfach in Kauf zu nehmen.

Was wäre passiert, wenn die heftigen Reaktionen und Diskussionen in der Öffentlichkeit ausgeblieben wären?

Die Kürzungen wären durchgestellt worden.

Wie bewerten Sie die Proteste der Studenten?

Die Proteste zeigen, wie sehr sich Studierende und Mitarbeiter einsetzen und für den Erhalt der Leistungsfähigkeit kämpfen. Das ist ein sehr positiv aufzunehmendes Engagement. Es war sehr eindrucksvoll, wie die Studierenden gerade in Schwerin trotz des Regens demonstriert haben.

Wie können sich Studenten konstruktiv an den Planungen beteiligen? Inwieweit würden Sie auf die Studenten eingehen?

Alle Vorschläge werden ernsthaft diskutiert, das war auch beim Hochschulentwicklungsplan der Fall. Die Meinung der Studierenden ist sehr wichtig. Schließlich findet für sie ein Großteil unserer Aktivitäten statt. Aber in meiner Position als Rektor kann ich nicht nur Wünsche erfüllen. Ich muss dabei auch die Realisierbarkeit beachten, das ist natürlich eine große Beschränkung.

Welche Rolle spielen die Universitäten in Mecklenburg-Vorpommern noch?

Die Universitäten spielen nur noch eine nachgeordnete Rolle. In den Worten der Politiker werden sie allerdings immer noch hervorgehoben. Bei der feierlichen Immatrikulation vor einem Jahr in Greifswald hat die Finanzministerin gesagt, die Universität sei eine der modernsten Bildungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern. Ich hätte erwartet, dass das auch eingehalten wird.

Was halten Sie von den Rücktrittsforderungen gegen Herrn Westermann?

Diese Forderung ist undurchdacht. Herr Westermann will ja nicht sparen, er versucht lediglich das Beste aus der Situation zu machen und den Schaden zu minimieren. Herr Westermann wird für etwas verantwortlich gemacht, was andere angezettelt haben. Ein Nachfolger könnte auch nichts besseres machen.

Was schätzen Sie an der Universität in Rostock?

Wir haben sehr engagierte Hochschullehrer und Mitarbeiter, die versuchen, mit eingeschränkten Ressourcen ein Maximum an Lehre und Forschung zu realisieren. Sie Lassen sich trotz schlechter Rahmenbedingungen nicht entmutigen.

Sie haben bei Ihrem Amtsantritt davon gesprochen, dass Sie den Studierenden in Rostock ein Top­angebot an Studienfächern bieten wollen.

Ich will schon, aber ob ich es kann, ist die Frage. Ich halte es für sinnvoller, einige Studiengänge aufzugeben, als alle auf ein schlechtes Niveau zu bringen.

Wenn Sie sich in die Lage der Studierenden versetzen, wie viel Vertrauen würden Sie Ihrem Rektor entgegenbringen?

Man darf nicht nur auf einen Punkt schauen, sondern muss auf einen größeren Zusammenhang achten. Ich zeige permanenten Einsatz für die Universität. Wenn ich nur hier wäre, um Applaus zu ernten, würde ich aufstehen und mit lauter Stimme gegen alles sein. Dabei sind es andere, die über die Universität entscheiden. Es wird Zeit, dass die Politiker sich zur Universität bekennen. Sie sollten die Universität als Chance sehen und nicht als etwas lästiges, das bezahlt werden muss.

moritz:Wie beurteilen Sie die Diskussion um die Kürzungen an den Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern?

Rainer Westermann: Es ist eine sehr komplexe Diskussion, in der viel Richtiges, aber auch viel Falsches gesagt wird. Die momentane Lage ist etwas verworren. Letzten Endes hoffe ich aber, dass wir uns irgendwann in den nächsten Monaten in den Standpunkten annähern und dass wir auch gemeinsam zu einem sinnvollen Vorschlag kommen.

Bedurfte es des Drucks aus Schwerin?

Aus Schwerin bekommen wir zu wenig Geld. Wir haben, unabhängig von den Kürzungen, zu wenig Geld, um alle vorgeschriebenen Lehrveranstaltungen anbieten zu können und um alle notwendigen Bücher, Zeitschriften, Geräte und Materialien kaufen zu können.

Wie beurteilen Sie die Äußerung des Bildungsministers, die Universitäten des Landes spielten nicht mehr in der ersten Liga?

Wir gehören nicht unbedingt zu den Spitzenuniversitäten Deutschlands. In der Lehre schon, da haben wir viele gute Bewertungen bekommen. In der Forschung haben wir aber noch sehr viel aufzuholen. Wir müssten mehr Drittmittel einwerben, wir müssten mehr Graduiertenkollegs und Sonderforschungsbereiche haben, wir müssten besser in den Gutachterkommissionen der Deutschen Forschungsgemeinschaft vertreten sein.

Wie war die Ausgangssituation vor der Erarbeitung des Diskussionspapiers?

An dem Papier selbst haben wir nach dem Kabinettsbeschluss Ende Januar gearbeitet. Wir haben schon sehr viel länger Überlegungen und Diskussionen gehabt. Von Seiten des Landtags und der Landesregierung stehen wir seit langem unter einem enormen Druck, unsere Strukturen zu vereinheitlichen, insbesondere die so genannten Doppelungen zu reduzieren. Außerdem wird uns vorgeworfen, dass die beiden Universitäten zu wenige Absolventen haben und von daher wenig effizient arbeiten. Auf der anderen Seite konkurrieren wir in allen Fächern mit anderen Universitäten, die wesentlich mehr Personal und wesentlich mehr Sachmittel haben. Der unmittelbare Anlass für den Strukturvorschlag war der Beschluss des Kabinetts Ende Januar, 600 Stellen im Hochschulbereich zu streichen. Parallel dazu kam die Drohung des Bildungsministers: Wenn ihr euch nicht auf eine gemeinsame Struktur der Hochschulen innerhalb des Landes einigt, dann machen wir das. Und das hat uns ziemlich geschreckt.

Wie sah dieser Prozess innerhalb der Uni aus?

Seit gut einem Jahr haben insbesondere Herr Classen (1. Prorektor der Greifswalder Universität [d.Red.]) und ich intensiv Überlegungen zur künftigen Struktur der Universität angestellt. Wir haben auch regelmäßig mit Dekanen und ASTA diskutiert, mehrfach auch im Senat. Die Behauptung, keiner sei eingebunden gewesen, stimmt einfach nicht.

Welches Bild von Wissenschaft vertritt der Vorschlag?

Erstens habe ich eine Vorstellung von Wissenschaft, die umfassend ist. Ich bin dezidiert der Meinung, dass auch kleine Universitäten Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften umfassen müssen. Zweitens ist universitäre Wissenschaft im Wesentlichen Grundlagenwissenschaft. Es gibt Anwendungswissenschaften, der Transfer von Wissen in den Alltag ist sehr wichtig, aber der Kern ist die Grundlagenforschung. Wir betreiben Wissenschaft, weil wir etwas Neues wissen wollen, unabhängig von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen.

Wie bewerten Sie Distanzierung Herrn Wendels nach der Vorlage des gemeinsamen Diskussionspapiers?

Herr Wendel hat sich davon explizit distanziert oder hat es zurückgezogen. Das bedeutet, er hält das Papier nicht mehr für richtig. Ich distanziere mich nicht davon, denn das würde heißen, ich hätte etwas Falsches vorgeschlagen.

Warum fällt Ihr öffentlicher Protest anders als bei Herrn Wendel aus?

Herr Wendel ist jemand, der eine sehr scharfe Position in Interviews und öffentlichen Reden gegenüber der Landesregierung vertritt. Ich war in der Sache immer sehr hart, überhaupt nicht auf Schmusekurs, aber ich lehne es ab, auch im Ton beleidigend zu werden.

Wie beurteilen Sie die bisherigen Proteste der Studierenden?

Ich halte es für gut, wenn Studierende sich über ihre Universität Gedanken machen und sich für ihre Universität engagieren. Ich finde es auch gut, wenn die Studenten ihre Proteste mit einer gewissen Kreativität und einem gewissen Witz machen. Die Beteiligung war trotz der vorlesungsfreien Zeit hoch. Das war schon erstaunlich. Ich hätte es jedoch besser gefunden, wenn sie sich vorher genauer informiert hätten. Vieles, was dort geäußert worden ist, war falsch, falsch verstanden oder hat sich gegen die falschen Personen gerichtet.

An meiner Universität schätze ich besonders …

… die Kombination aus einer langen Geschichte, aus einer aktiven Gegenwart und aus einer nicht zu erschütternden Zukunftshoffnung.

Geschrieben von Judith Mielke (heuler): Rektor Wendel / Uwe Roßner (moritz): Rektor Westermann

CD: Rachmaninov – Schostakowitsch: Piano Trios – Kniazev-Trio (Warner Classics)

Der Brauch ist ein russischer. Es ist einer, der sich in der jüngeren Musikgeschichte des Landes langsam festsetzte. Komponisten entschieden mittels eines Werkes einem verstorbenen Freund oder Kollegen ein musikalisches Denkmal zu setzen. Als Form wurde das Klaviertrio bevorzugt.

Mit diesem Anliegen verfassten Sergei Rachmaninov und Dmitri Schostakovitsch ihre Opera 9 und 67. Das unerwartete Verscheiden des von ihm verehrten Pjotr I. Tschaikowski erschütterte Rachmaninov, der am Todestage beginnend seine Referenz nach zwei Monaten vorlegte. In einem Brief an einen Freund heißt es: „Dieses Werk ist eine Komposition auf den Tod eines großen Künstlers. Es ist nun abgeschlossen, deshalb kann ich zu Dir sprechen. Während ich daran arbeitete, gehörten all meine Gedanken, Gefühle und Kräfte ihm, diesem Gesang … Ich habe um jede Phrase gezittert, manchmal alles ausgestrichen und von vorne begonnen.“
Ähnlich erging es Dmitri Schostakowitsch nach dem Tod Ivan Sollertinskijs. Der Gedanke an ein Klaviertrio bewegte ihn seit langem, erste Skizzen gab es bereits es dafür. Zehn Tage nach dem Tod seines engen Freundes griff er diese Idee wieder auf und führte sie mit ganz neuem musikalischem Material zu Ende.
Beiden Werken widmet sich das Kniazev-Trio in seiner neuesten Einspielung. Der Violinist Dmitri Makhtin, der Cellist Alexander Kniazev und der Pianist Boris Berezovsky nehmen sich mit Inbrunst den Tonschöpfungen ihrer Landsmänner an. Der Zugriff ist musikantisch und spannungsreich. Entsprechend der kompositorischen Anlage lassen die drei Instrumentalisten bei Rachmaninov das Klavier und bei Schostakovitsch ein abgestimmtes Miteinander den musikalischen Fluss beherrschen. Manchmal stellt sich allerdings ganz vorsichtig die Frage, wie viel spielerische Lebensgier dem Andenken angemessen ist.

Geschrieben von Uwe Roßner

NMUN 2005 – Das kleine Einmaleins der UN

Greifswalder Studenten spielen libanesische UNO-Delegation

Vom 22. bis 26. März 2005 fand die „National Model United Nations Conference“ (NMUN), eine Simulation der Vereinten Nationen für Studenten aus aller Welt, in New York statt. Unter den rund 3.200 hauptsächlich US-amerikanischen Teilnehmern befand sich auch eine vierzehnköpfige Delegation der Ernst-Moritz-Arndt Universität. Dabei vertraten die Studierenden unterschiedlichster Fachrichtungen von Politik über Jura bis zu Psychologie die Republik Libanon.

Eine nicht ganz einfache Aufgabe, wenn man die aktuelle politische Lage im Zedernstaat kennt: Wie man den Nachrichten entnehmen konnte, ereignete sich vor einigen Wochen ein Mordanschlag auf den syrienkritischen Ex-Premier Hariri. Daraufhin folgten sowohl pro- als auch antisyrische Demonstrationen im ganzen Libanon und schließlich kam es zu mehreren tödlichen Anschlägen auf Christen in den letzten Tagen. All dies rückte den nördlichen Nachbarn von Israel in den Fokus der Weltöffentlichkeit. Unter diesen Umständen war es für jeden einzelnen Delegierten aus Greifswald eine große Herausforderung fünf Tage lang den Libanon in verschiedenen UN-Komitees als Diplomat zu vertreten.
Damit die Simulation so realistisch wie möglich stattfinden konnte, wurden fast alle Prozeduren den realen der Vereinten Nationen angepasst. Auf diese und auf die Verhandlungssprache Englisch hatte sich unsere Delegation seit Ende Oktober letzten Jahres in Greifswald vorbereitet.
Am 22. März gegen 21 Uhr Ortzeit ging es dann in den Konferenzräumen des New Yorker Hilton Hotels endlich los. Nach einer kurzen Sondierung der Lage wurde recht schnell die Reihenfolge der Tagesordnungspunke in den einzelnen Komitees der Generalversammlung oder der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegt. Dort versuchten dann alle Delegierten nach bestem Wissen ihren Staat zu vertreten und sich Gehör zu verschaffen.
Dies geschah zum Einen durch Redebeiträge, die leider manchmal recht langatmig und inhaltsleer waren. Zum Anderen wurden aber auch zahlreiche informelle und teils hochbrisante Gespräche zwischen einzelnen sehr unterschiedlichen Staaten und Organisationen geführt. Die Delegationsmitglieder nahmen an späteren Resolutionen Einfluss, indem sie an der Ausformulierung mithalfen.
Nicht nur dabei musste man mit besonderem Verhandlungsgeschick, überzeugenden Argumenten und präzisen englischen Formulierungen seinen Standpunkt deutlich machen und verteidigen. Eben das kleine Einmaleins der UN. Zusätzlich waren Eigenschaften wie Ausdauer und Zähigkeit bei den Marathonsitzungen bis tief in die Nacht gefragt. Außerdem trafen sich einige Delegierte noch extra zwischen den offiziellen Sitzungen, um Pläne und Koalitionen zu schmieden, Resolutionen zu überarbeiten oder eine Mehrheit für ihre Resolution zu beschaffen. Da sage noch einer, Politiker arbeiten zu wenig für ihr Geld!
Als Belohnung für unsere fünftägige, unermüdliche Arbeit hielten wir am Ende unsere Resolutionen in den Händen. Am letzten Tag, während der Abschiedszeremonie im UN-Hauptquartier, wurden dann die Preise verliehen. Leider hat unsere Delegation davon keinen gewonnen, dafür aber einen riesigen Schatz an persönlichen Erfahrungen und Eindrücken von New York und den Vereinten Nationen.
Übrigens, NMUN 2006 wird vom 11. bis 16. April stattfinden – hoffentlich wieder mit einer Delegation aus Greifswald.