von Archiv | 15.04.2005
Gedanken zu einem Jubiläum
Schon vor der offiziellen Eröffnung zum 200. Todestag am 9. Mai, gelang Anfang März mit einer 24-stündigen Schiller-Lesung in Berlin ein beeindruckender Auftakt. Deutschlandweit sind unzählige Projekte geplant.
Zwei große Ausstellungen entstehen in Weimar (?Die Wahrheit hält Gericht – Schillers Helden heute?, 9.5.-10.10.) und Marbach (?Götterpläne und Mäusegeschäfte: Schiller 1759 – 1805?, ab 23.4. im Schiller-Nationalmuseum).
Auch Bühnen wagen sich wieder an Schillers Werke. Das Stuttgarter Staatstheater plant eine mobile Inszenierung an Orten von Schillers Jugend. Am Mannheimer Nationaltheater inszeniert Thomas Langhoff den Wilhelm Tell. Die Räuber laufen in Köln, Münster, Dessau, Neustrelitz und Heilbronn. Kabale und Liebe in Heidelberg und Weimar. Don Karlos in Leipzig, Meiningen, Hamburg und Aachen. Die Jungfrau von Orleans in Landshut, Bauerbach und Bonn. Highlight: Das Wiener Burgtheater hat für 2006 den als unaufführbar geltenden Wallenstein im Programm.
Eine Tagung in Weimar widmet sich dem ?unterschätzten Theoretiker Schiller? (23.6.-26.6.). Das Kongressthema in Jena: ?Der ganze Schiller? (21.9.-29.9.). Dem Philosophen Schiller nähert sich die Vortragsreihe ?Philosophische Spaziergänge: Schiller und seine Folgen für den Diskurs der Moderne? in Marbach (September). ZDF, 3sat und Arte begleiten mit Programmschwerpunkten. Hinzu kommen etwa 100 Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt.
Empfehlungen:
Sigrid Damm
Das Leben des Friedrich Schiller. Eine Wanderung
Als gemütlicher Einstieg sei ?Das Leben des Friedrich Schiller. Eine Wanderung.? von Sigrid Damm empfohlen. Der Mensch Schiller, seine Familie, Schulden, Krankheiten, Beziehungen, natürlich die Freundschaft zu Goethe sind Mittelpunkt der Biographie. Keine Interpretation der Werke, sondern die Umstände ihrer Entstehung. Dabei setzt sich die Hälfte des Buches aus Zitaten zusammen, Briefen in originaler Orthographie, die, gebunden durch den originellen Stil der Autorin, eine nahezu lückenlose, persönliche und authentische Perspektive gewähren. Eine Entdeckungsreise. Der Weg über gängige Vorbehalte gegen und Kritik an Schiller hinweg, über langsame Annäherung, bis zur Verehrung. Damm lädt ein, führt, vermittelt, entstaubt. Das gelingt, man begleitet gerne. Von Seite zu Seite wächst die Neugier auf mehr.
Rüdiger Safranski
Schiller und die Erfindung des Deutschen Idealismus
Das Theater, das neben Staat und Religion zur dritten Gewalt im gesellschaftlichen Leben erklärt wird, bestimmt Schillers Handeln. Safranski beschreibt dies in seinem Buch „Schiller und die Erfindung des Deustschen Idealismus“ bildhaft. Während sich diese Biografie zu Beginn noch schleppend liest, wird es von Seite zu Seite spannender, ausführlicher, tiefgründiger. Der Autor legt großen Wert auf die Interpretation und Analyse der schillerschen Dramen und Tragödien. Diese Tiefgründigkeit setzt sich auch in Schillers philosophischen Ansichten fort, die nicht nur angerissen sondern sehr ausführlich, wenn nicht sogar etwas in langatmig. Exkurse in Schillers und Gedankenwelt liefern Hintergründe für seine Persönlichkeit und seine Dramenfiguren. Der Leser spürt, was in Schiller vorgegangen sein müsste, als diese entstanden. Dazu gibt es dann natürlich noch die äußeren politischen, sozialen und familiären Umstände. Ausführliche Personenanalysen gibt es beispielsweise zu „Die Räuber“ und „Fiesco“. In Don Carlos aus dem gleichnamigen Theaterstück verkörpert sich die idealistische Haltung Schillers, die langsam von „Sturm und Drang“ ablässt. Der Roman liest sich wie das Who´s Who der literarischen „Szene“; zu Schillers „Clique“ lässt Safranski bedeutende Figuren wie Johann Gottfried Herder, Christian Gottfried Körner, Novalis, Friedrich Hölderlin, Wilhelm von Humboldt und Immanuel Kant (wenn auch nur im Geiste, so doch sehr präsent) hinzutreten. Es dauert ein paar Seiten bis man sich in die Zeit und Lage Schillers hinein findet, denn am Anfang fehlen politische Zusammenhänge ebenso wie zeitliche Umstände. Die gedankliche Grundlage besonders für die reiferen Werke Schillers bildete die Kantsche Philosophie (der Mensch soll nicht von der Sinnlichkeit, sondern von Sittengesetz regiert sein). So sind seine hauptagierenden Personen meist mit einem Hang zur Gerechtigkeit ausgestattet (Karl Moor in „Die Räuber“, Maria in „Maria Stuart“, Wilhelm Tell im gleichnamigen Stück) Das letzte Drittel des Buches ist dann der Freundschaft zwischen Schiller und Goethe gewidmet. Beide feuern sich gegenseitig an, Schiller ist begeistert von „Wilhelm Meister“ und Goethe gibt Impulse für „Wallenstein“. Goethe berät, gibt Ratschläge, kritisiert, ermuntert, fordert auf und steht dem Freund bei. Das alles ist zumeist durch Briefstellen belegt. Viel erfährt man über die Männerfreundschaft der beiden, doch wenig über das private Familienglück oder aus dem Leben mit den Kindern und seiner Frau Charlotte von Lengefeld. Aufgrund der ausführlichen Darstellung von Schillers Werken und deren Entstehungsgeschichte eignet sich diese Biografie auch als Nachschlagewerk, hierbei helfen die Überschriften mit ihrer knappen Inhaltszuordnung sowie eine Zeittafel und ein Register seiner Werke im Anhang. Schiller gilt als führender Dramatiker des Sturm und Drang („Die Räuber“), bedeutender Geschichtsschreiber („Der Dreißigjährige Krieg“) und maßgeblicher Kunstphilosoph (Aufsatz „Über Anmut und Würde) in Deutschland. Fazit: Während und nach dem Lesen möchte man sich regelrecht selbst ein Stück von Schiller ansehen.
Geschrieben von Judith Küther und Manuel Nüsser
von Archiv | 15.04.2005
Einer fehlt. Die Rektoren der Universitäten Greifswald und Rostock legten am 22. Februar ihr Diskussionspapier vor.
Die Fachhochschulen enthielten sich ganz diplomatisch. Die Studenten vertraten deutlich und bravourös mit ihren Protesten während der vorlesungsfreien Zeit ihre hochschulpolitischen Standpunkte. Interessenverbände gaben medial ihren Senf dazu. Hasenwinkel brachte trotz aufgeschlossener Atmosphäre bisher keine endgültigen Ergebnisse. Dennoch einer fehlt. Es ist das Land, ein Land, das sich jetzt und langfristig ernsthafte Gedanken über die Zukunft seiner Hochschulen machen muss.
Geschrieben von Uwe Roßner
von Archiv | 15.04.2005
Die Rektoren der Universitäten Greifswald und Rostock haben – aufgefordert durch die Landesregierung in Schwerin – Vorschläge gemacht, wie – durch Verlegung bzw. Zusammenlegung von Fächern bzw. Fakultätsteilen – Einspareffekte erzielt werden können.
Als GMD am Theater Vorpommern und Universitätsrat der Ernst-Moritz-Arndt-Universität möchte ich zur vorgeschlagenen Schließung der musikalischen Sparte an der Universität Greifswald bzw. ihrer Verlegung an die Musikhochschule Rostock Stellung nehmen.
Ob die pommersche Kirchenmusik in Greifswald oder in Rostock ?behaust? ist, macht keinen Unterschied für den Landeshaushalt.
Aber: in Greifswald und Stralsund entsteht z. Zt. durch die Restaurierung bedeutender historischer Orgeln ein pommersches Orgelzentrum. Dieser zukunftsträchtigen Entwicklung wird vorab der Sinn entzogen.
Außerdem: Die internationale Greifswalder Bachwoche ist nicht nur Zeichen für die musische Kreativität der Universität, sie ist auch lebendiger Ausdruck der Musikliebe und -pflege der Greifswalder Bürger.
Der ?Nordische Klang? mit seinen vielfältigen Facetten von Literatur, Theater, Malerei, Tanz und Musik ist einzigartig im Ostseeraum. Das Theater Vorpommern arbeitet gern partnerschaftlich mit der Universität zusammen.
Es ist unwahrscheinlich, dass durch die Verlegung der musikalischen Sparte der Universität Greifswald an die Musikhochschule Rostock nennenswerte Einspareffekte erzielt werden können, denn in Rostock müssten erst einmal neue Räumlichkeiten geschaffen werden.
Sicher ist aber, dass das reiche überregional und international ausstrahlende kulturelle Leben der Stadt Greifswald einen empfindlichen Schlag erleiden würde.
Es liegt mir fern, verschiedene geistige Disziplinen gegeneinander auszuspielen, aber Musik ist eine kommunikative Kraft: Bachwoche, Nordischer Klang, und die vielen Universitätskonzerte verbinden die Universität mit den Greifswalder Bürgern auf besondere Weise. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Greifswalder darauf verzichten wollen.
Ich bitte daher den Rektor der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, sich beim zuständigen Minister, der ja auch Greifswalder ist, für den Erhalt und die Entwicklung der Musik an der Universität Greifswald einzusetzen.
Geschrieben von Prof. Mathias Husmann
von Archiv | 15.04.2005
Es hat schon was Komisches, wenn drei Männer denken, sie wären in der Lage, zu entscheiden, was für die Hochschulen in Greifswald und Rostock und damit auch für das gesamte Bundesland Mecklenburg-Vorpommern am besten ist. Doch irgendwie hat bislang noch niemand darüber gelacht. Denn die drei Protagonisten, Bildungsminister Prof. Metelmann und die Rektoren Prof. Wendel (Rostock) und Prof. Westermann (Greifswald) meinen es tot ernst.
Auf einer Fachtagung der SPD Landtagsfraktion in Warnemünde Anfang dieses Jahres stellte sich der Bildungsminister denn auch öffentlich hinter Sigrid Keler, ihres Zeichens Finanzministerin in MV. ?Die 600 Stellen müssen im Hochschulbereich bis spätestens 2017 gestrichen sein, 300 davon bis 2009,? so Metelmann. Das bedeutet für die Ernst-Moritz-Arndt Universität das Wegfallen von 178 Stellen. Senatoren, sowohl studentische wie auch Professoren zeigten sich empört. Doch was tut unser Rektor? Er setzt sich mit seinem Kollegen aus Rostock zusammen und beide erarbeiten ein Konzept, wie mit den Streichungen umzugehen ist. Klingt zunächst ganz vernünftig, doch was dabei herausgekommen ist, könnte sich als Todesurteil für die EMAU erweisen. Anstatt der geforderten 178 wollte Westermann gleich 210 Stellen streichen. Er, wie auch Wendel sprechen von einem ersten Schritt – einem ersten Schritt für beide Unis eine eigenständige Profildebatte zuführen. Die Hochschulen Mecklenburg-Vorpommerns müssen sich im Lehrangebot unterscheiden, wenn sie auch weiterhin bestehen wollen. Das zumindest ist die Ansicht der beiden Rektoren. Doch was würde das nun für unsere Universität bedeuten? Das Konzept sieht die Streichung von Theologie und Kirchenmusik vor. Beides soll nur noch in Rostock angeboten werden. Ebenfalls nach Rostock werden der Diplomstudiengang Mathematik, weite Teile der PhilFak wie die Anglistik/Amerikanistik, die Altertumswissenschaften, die Alte Geschichte, die Ur- und Frühgeschichte, die gesamte Romanistik und die Erziehungswissenschaft gegeben. Das bedeutet, dass es in Greifswald künftig keine Lehrausbildung mehr geben wird, zumindest nicht mehr in der heutigen Form. Dafür soll Greifswald die BWL, Jura und die Politik exklusiv in Mecklenburg-Vorpommern erhalten.
Der Senat der Uni Rostock lehnte das Konzept ab und auch der Greifswalder Senat stellte sich gegen seinen Rektor. Doch nicht nur Senat und Studierendenschaft gehen gegen Westermann vor, auch die Stadt, ihre Bürger und die Bürgerschaft sind endlich aufgewacht. Seit das Konzept auf dem Tisch ist, macht die Protestgruppe. Und das mit durchaus beachtlichem Erfolg: In der ganzen Stadt liegen Unterschriftenlisten aus, auf denen die Greifswalder ihren Unmut über die Pläne zum Ausdruck bringen können. Doch damit nicht genug. So verschickten Studierende mehr als zwanzig Pakete mit Ziegelsteinen an die Landesregierung in Schwerin. Frei nach dem Motto: ?Auch wir wollen unseren Beitrag zum Bau einer Landesuniversität leisten.? Dass die Protestgruppe derzeit aus lediglich sechs Aktiven besteht, grenzt die Handlungsfreiheit natürlich ein, deshalb bitte ich alle Studierenden, sich an den Aktionen zu beteiligen. Ein Protest kann nur dann Wirkung zeigen, wenn möglichst viele Leute auf der Straße sind. Bedanken möchte ich mir hier bei den Theologen, die in den letzten Wochen wirklich malocht haben. Aktionen wie die Transparente auf der Domspitze waren einfallsreich und von guter Wirkung auf die Greifswalder Bürger.
Am 20.04.2005 findet ein Fackellauf von Neubrandenburg nach Schwerin über Greifswald, Stralsund, Rostock und Wismar statt. Im Anschluss soll am 21.April eine Demonstration vor dem Schweriner Landtag stattfinden. Dort werden wir dann auch die Unterschriftenlisten an die Landtagspräsidentin überreichen. Also kommt alle mit, damit wir in Schwerin ordentlich Krach machen können.
Geschrieben von Christian Bäz, Mitglied der Protestgruppe
von Archiv | 15.04.2005
Ein Interview mit Oberbürgermeister Dr. Arthur
König über Uni, Stadt und Landespolitik
moritz: Welche Bedeutung hat die Universität für die Hansestadt Greifswald?
Arthur König: Die Universität ist das Herzstück, ist der zentrale Entwicklungsmotor für die Hansestadt und für die Region Vorpommern. Das war nicht nur in der Vergangenheit so, dies trifft auch für die Gegenwart zu und erst Recht für die Zukunft. Stadt und Universität bilden eine fruchtbare Symbiose. Sie gehören zusammen. Die Universität bildet gemeinsam mit den anderen wissenschaftlichen Einrichtungen in der Hansestadt wie beispielsweise dem Max-Planck-Institut, dem Friedrich-Löffler-Institut, INP die zentrale Entwicklungsachse für die Hansestadt. Und das muss auch in Zukunft so bleiben! Die enge kulturelle Verzahnung von Stadt und Universität, die sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten entwickelt hat (etwa bei der Bachwoche, dem Nordischen Klang, beim Koeppenhaus, bei Benefizkonzerten und Universität im Rathaus) ist beispielhaft.
Welche Rolle spielen Studenten?
Studenten beleben die Hansestadt, geben ihr ein besonderes jugendliches Flair und ich gehe davon aus, dass viele Studenten nach abgeschlossenem Studium mit guten, mit positiven Eindrücken die Hansestadt verlassen und für ihren Studienort werben. Bessere Botschafter für die Hansestadt Greifswald kann ich mir kaum vorstellen. Kurz und gut: Die Universität spielt die zentrale Rolle für die Entwicklung von Stadt und Region, und das in jeder Hinsicht. Insofern trifft wohl auch der Satz zu: Geht es der Universität gut, so geht es auch der Stadt und der Region gut. Allerdings auch die Umkehrung.
Wie ist Ihre Sicht auf das vom Landtag beschlossene Personalkonzept in Bezug auf die Universitäten?
Strukturveränderungen gab es immer und wird es auch in Zukunft an Universitäten geben. Die Universität hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ständig verändert. Strukturveränderungen sollen auch der Wettbewerbsfähigkeit und Anpassung an die zukünftigen Erfordernisse dienen. Ohne Veränderungen bleibt man stehen und kann wohl kaum die Zukunft gestalten. Insofern muss dieser Diskussionsprozess an der Universität geführt werden. Aufgrund der besonderen Bedeutung der Universität für Stadt und Region halte ich es aber für sinnvoll und unabdingbar, wenn in diesem Prozess (Land, Universität) auch die Stadt intensiv einbezogen wird. Stadt und Universitäten gehören zusammen!
Wie ist Ihre Position zum Diskussionspapier der beiden Rektoren Wendel und Westermann?
Das Rektorenpapier fasse ich als Diskussionspapier sowohl für den Diskussionsprozess innerhalb der Universität als auch in Hinblick auf Vorstellungen der Landesregierung auf.
Was meinen Sie mit ?in Hinblick auf Vorstellungen der Landesregierung??
Die Landesregierung ist hier besonders gefordert. Denn Sparen ist das Eine – aber wie sehen die Vorstellungen des Bildungsministers bezüglich der zukünftigen Hochschullandschaft aus? Wo setzt er Schwerpunkte? Wie soll die Attraktivität der Hochschulen erhöht werden? Wie soll sich die zukünftige Hochschulfinanzierung gestalten? Diese Fragen müssen erst geklärt werden. Und ich sage auch hier ganz deutlich: Aus Sicht der Hansestadt wäre eine Entwicklung hin zu einer Landesuniversität an mehreren Standorten pures Gift. Dahin darf es nicht kommen!
Welche Position sollten Stadt und Uni innerhalb der jetzigen Diskussion um die Veränderung der Hochschullandschaft in Mecklenburg-Vorpommern einnehmen?
Universität und Stadt müssen gemeinsam für ?ihre? Belange eintreten, denn es wird kein anderer für uns tun. Dies mit aller Deutlichkeit und mit allem Nachdruck mit der Zielrichtung der Landesregierung in Schwerin! Stadt, Universität und Region müssen mit einer Stimme ihre Vorstellungen artikulieren und diese in Schwerin einfordern. Das dies uns gelingt, davon gehe ich aus! Die Stadt ist dazu bereit!
Geschrieben von Uwe Roßner