von Archiv | 22.06.2006
Die Theatergruppe des Greifswalder Humboldt-Gymnasiums hatte in den „Tussi-Tempel“ geladen und zahlreiche Zuschauer kamen dieser Aufforderung nach. Das Theater Vorpommern stellte seine Räumlichkeiten zur Verfügung, während für Schauspiel, Gestaltung und Inszenierung die Gymnasiasten verantwortlich waren.
Aufgeführt wurde ein Theaterstück mit dem viel versprechenden Titel „Tussi-Tempel“, dem es an inhaltlichen Schwerpunkten nicht mangelte. So geht es nicht nur um eine Lehrerin, die unter massiven Alkoholproblemen leidet und von Schülern unter Druck gesetzt wird, sondern auch um eine weitere Pädagogin, die eine lesbische Beziehung mit ihrer Schülerin Christina führt. Des Weiteren werden Mobbing unter Schülern und unter Lehrerkollegen sowie Gewalt an Schulen thematisiert. Der Journalist Herr Fritz gibt sich als Referendar aus, um all diese Probleme aufzudecken und in einer Fernsehsendung, die zugleich die Schlussszene der Aufführung bildet, zu präsentieren. Letztlich stellt das Stück viele Fragen, die weitgehend unbeantwortet bleiben. Wie entstehen Gewalt, Neid und Missgunst? Ist Mobbing ein Problem der Gesellschaft oder des Einzelnen? Wie lässt sich das Schulsystem verbessern? Und vor allem: Wie lassen sich all die Probleme vermeiden? Doch nicht nur solche Denkanstöße, sondern auch Amüsantes und Witziges wusste die Aufführung zu bieten. Originelle Dialoge, viel Musik und gute schauspielerische Leistungen ermöglichten den überwiegend jungen Zuschauern einen gelungenen Abend. Keiner der Anwesenden hatte bereut , den „Tussi-Tempel“ betreten zu haben und so fiel der Applaus für die jungen Schauspieler überaus herzlich aus.
Geschrieben von Grit Preibisch
von Archiv | 22.06.2006
Der Begriff Rechtsextremismus ist in aller Munde, aber was beinhaltet er eigentlich? Der Term setzt sich aus zwei facettenreichen Wörtern zusammen.
Unter politischem Extremismus versteht man Einstellungen, die dem modernen Verfassungsstaat, der Demokratie, ablehnend gegenüberstehen. Dabei sind das Mehrheitsprinzip und die Volkssouveränität sowie deren Anbindung an eine auf den Menschenrechten basierende Verfassung die Elemente, die besonders kritisiert werden. Alle Formen des politischen Extremismus verfügen zudem über strukturelle Gemeinsamkeiten: Sie vertreten Absolutheitsansprüche, Freund-Feind-Stereotype, Fanatismus und ein antipluralistisches Politik- und Gesellschaftsverständnis. Es liegt somit auf der Hand, dass eine Überwindung
der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und folglich auch die Beseitigung der jetzigen Verfassung angestrebt werden. Diese Merkmale sind allen Formen des Extremismus gemein.
Als weiterer begriffsbestimmender Bestandteil kommen jedoch noch die spezifisch rechten Inhalte hinzu: Die ethnische Zugehörigkeit zur deutschen Nation wird überbewertet, was sich in Nationalismus und Rassismus äußert. Eine Ideologie der Ungleichheit weist allen Nichtdeutschen einen minderen Rechtsstatus mit eingeschränkten Ansprüchen zu. Gleichzeitig wird eine Volksgemeinschaft ohne Interessenwettbewerb angestrebt, in der Regierende und Regierte eine Einheit bilden. Ein politischer Autoritarismus schließlich verlangt nach der Willenseinheit von „führender“ Regierung und Volk – der Staat soll die Gesellschaft dominieren. Oberstes Ziel ist es hier, die Homogenität des Volkes zu realisieren, und auch hier zeigt sich ein klarer Konflikt mit dem Grundgesetz.
Vor diesem Hintergrund muss der Rechtsextremismus, anders als Rechtsradikalismus und Rechtspopulismus, die sich oft genug noch im Rahmen der Legalität bewegen, ganz klar als eine Bedrohung für das politische System der Bundesrepublik angesehen werden.
Geschrieben von Katja Staack
von Archiv | 22.06.2006
Wer hätte es gedacht: nach fünf Jahren Pause und diversen Nebenprojekten der Bandmitglieder melden sich Tool wieder zurück. Und wie! Die 2001er-Scheibe „Lateralus“ galt vielen als der Höhepunkt der Band – sowohl schöpferisch als auch finanziell. Trotz ihrer zunächst befremdlich anmutenden und schwer ins Ohr gehenden Musik schafften sie es mit ihren Titeln sogar auf Spitzenplätze der europäischen und US-amerikanischen Charts, die bekannterweise ja eher easy-listening-dominiert sind.
Mit dem neuen Album „10000 Days“ sollte Tool dies wieder gelingen, denn – und das ist die zweite Überraschung – Maynard James Keenan und seine Kollegen halten das hohe Niveau der Vorgängerplatten. Die insgesamt 11 Songs sind sehr gut produzierte Perlen der Gitarren- und Perkussionshochkultur, tooltypisch sehr komplex und mehrerer Durchläufe bedürftig.
„Vicarious“ ist die Overtüre zu einer Reise durch ihre Klangwelt, in der wieder alle Register gezogen werden. „Wings for Marie (Pt.1)“ und „10000 Days (Pt. 2)“ sind die ersten Höhepunkte der Platte. Etwas später folgt mit „The Pot“ eines der eingängigeren Stücke der CD. Das fulminante Ende markiert „Right in two“, flankiert vom rätselhaften „Viginti Tres“. Dass bei Tool nichts dem Zufall überlassen wird, merkt man nicht nur an den brilliant gespielten Stücken, sondern auch an der Aufmachung der CD. Gitarrist Adam Jones höchstpersönlich gestaltete wie schon bei den anderen Veröffentlichungen ein aufwändiges Artwork für das Booklet; ein Booklet, das diesen Namen auch verdient.
Soll man dieses Album nun empfehlen oder nicht? Wer Tool-Fan ist, hat es sowieso längst. Aber auch die anderen Leute, die eine Schwäche für die härterte Gangart haben, sollten zwecks Probehören den Weg zum Musikalienhandel ihres Vertrauens ruhig einschlagen und sich auf das bandgewordene Rätsel Tool einlassen.
Geschrieben von Robert Heinze
von Archiv | 22.06.2006
Das Problem von Ueckermünde sind nicht die Landschaften, die nicht blühen wollen.
So sieht es Benjamin Fischer, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte. Vielmehr sei es eine ideologisch motivierte Rechte, die sich im Mittelpunkt der Gesellschaft zu etablieren versucht. Fischer hat dazu ein Büchlein geschrieben, sauber recherchiert und kein bisschen verstockt geschrieben.
Am Beispiel des öffentlich tolerierten Spielplatzes für Rechtsextreme Ueckermünde beschreibt Fischer eingehend die Vorgehensweisen und Strukturen, in denen „Kameradschaften“ und völkische „Kulturgruppen“ arbeiten.
Jedem, der an Einblicken in das rechte Spektrum hier im Land interessiert ist, sei dieses Buch ans Herz gelegt. Keine wissenschaftliche Arbeit, aber eine konsequente Beschreibung der Situation in Ueckermünde.
Das Buch „Ueckermünde – ein Refugium des Rechtsextremismus?“ ist das zweite Heft in der Reihe „DemokratiePolitik“ des Lehrstuhles für Politische Theorie und Ideengeschichte am Institut für Politikwissenschaft der Universität Greifswald.
Geschrieben von Stephan Kosa
von Archiv | 22.06.2006
Prof. Dr. Hubertus Buchstein hat am Institut für Politikwissenschaft die Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte inne. Der moritz sprach mit ihm über seine Arbeiten zum Thema Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern.
moritz: Wie kommt es zu Ihrem Forschungsinteresse auf dem Gebiet des Rechtsextremismus?
Prof. Buchstein: Die Gründe sind zweierlei. Zum einen habe ich ja thematisch schon immer in Teilen in diesem Bereich gearbeitet: Ich habe Politische Theorie der Weimarer Republik, Demokratiekritik in der Weimarer Republik, Faschismustheorien sowie die Selbstbeschreibung des Dritten Reiches gemacht, und hatte insofern aufgrund dieser ideengeschichtlichen Arbeiten schon immer ein Interesse auch an rechtsextremistischen Ideologien und Demokratiekritik. Das zweite ist: Jetzt bin ich hier in der Region, da sieht man gewisse Dinge geschehen, und wenn man nun gleichsam auch ein bisschen politisch wirken möchte als Politikwissenschaftler, schaut man sich nach Themen um, die wichtig sind für diese Region. Ich habe den Eindruck, dass das Thema Rechtsextremismus hier im Bundesland, vor allen Dingen in Vorpommern, eines ist, das wissenschaftlich noch nicht adäquat genug bearbeitet wurde. Es gibt in der überregionalen Presse viele grobe, holzschnittartige Beschreibungen, es gibt bei den politischen Akteuren hier vor Ort, gerade auch in den Kommunen, eine erschreckende Hilflosigkeit, und es gibt drittens bei der politischen Regierung hier im Bundesland immer wieder beschwörende Appelle, man weiß aber nicht so recht, wo und wie man da anklopfen kann. Die Politikwissenschaft kann hier versuchen weiterzuhelfen, zusammen mit Soziologie, Erziehungswissenschaften und anderen Fächern. Insofern glaube ich, dass mit diesen beiden Strängen – der eine: wo ist tatsächlich politikwissenschaftlicher Beratungsbedarf hier im Land? und der andere von meinen eigenen theoretischen Interessen her – zwei Dinge so ein bisschen zueinander kommen.
Sie setzen also eher einen politikberatenden Schwerpunkt?
Es sind zwei Arbeiten, die wir jetzt machen. Die eine ist: Wir forschen ganz konkret über die Kommunalpolitik der NPD hier im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Das ist hervorgegangen aus einem Seminar vor zwei Jahren, in dem es sehr aktive Studierende gab, die dazu Hausarbeiten geschrieben, eigenständig geforscht, recherchiert und Interviews gemacht haben. Daraus ist dann die Idee entstanden, ein mit Studenten bestücktes Forschungsprojekt zu machen. Da ist das Ziel einerseits, wissenschaftliche Aufarbeitung überhaupt zum ersten Mal zu machen: Was macht die NPD eigentlich wirklich in den Kommunalparlamenten? Aber es gibt auch hier einen Teil, der überlegt, auch vergleichend in andere Bundesländer schauend, was die „best practices“ im Umgang mit der NPD in Kommunalparlamenten sind.
Das zweite Projekt ist genereller, es untersucht den Rechtsextremismus im ländlichen Raum. Auch hier die Antwort auf die Frage: Es ist ein Forschungsthema, und es hat eine Beratungsdimension. Das Forschungsthema ist: Es gibt viel zum Thema Rechtsradikalismus, sehr viel zum Thema Rechtsextremismus, aber sehr wenig oder fast nichts zum Thema Rechtsextremismus im ländlichen Raum – gar nicht mal ostdeutsch, sondern im ländlichen Raum. Und dazu wollen wir speziell arbeiten, aber, und das ist von der Forschung her neu und anders als bisher, wir wollen nicht nur auf den Rechtsextremismus im ländlichen Raum schauen, sondern auf die Interaktion dieser rechtsextremistischen mit den demokratischen, zivilgesellschaftlichen Strukturen: Was macht die Verwaltung, was machen Bürger? Wir betrachten das Verhältnis beider Strukturen also gleichsam als kommunikative Röhren. Und auch da ist die Idee, zunächst einmal für verschiedene ländliche Regionen, die wir uns hier ausgesucht haben, zu beschreiben, welche Strukturen Rechtsextremismus hat – wann es Parteien, wann Kameradschaften sind, wie stark sie sind, wie agieren – und daraus dann, auch hier unter Rekurs auf Dinge, die schon in anderen Bundesländern gemacht wurden, „best practices“ zu entwickeln: wo man mit den Gemeinden, mit den Kommunen vor Ort besser die zivilgesellschaftlichen Akteure stärkt, und wo man ein bisschen die politischen Akteure stützt, die doch recht hilflos agieren. Wie in Ueckermünde zum Beispiel, dort denkt die Politik, das Problem Rechtsextremismus könne sie dadurch lösen, dass sie einfach für die gesamte Innenstadt ein Demonstrationsverbot errichtet. Wir wollen also wirklich helfen, nicht einfach daneben stehen und beraten. Mit den Akteuren zusammen wollen wir diese Dinge entwickeln.
Wie muss man sich Ihre Arbeit vorstellen?
Wir arbeiten natürlich mit Literaturanalysen, denn man muss erstmal einiges gelesen haben, um den Stand der Forschung zu kennen. Dann aber machen wir vor allen Dingen Forschung vor Ort. In dem NPD-Projekt ist es geradezu vorbildlich, wie hier Studierende geforscht haben. Sie haben Interviews gemacht, mit NPDlern, die Kommunalparlamentarier sind, mit Personen aus den Verwaltungen, mit Bürgermeistern, mit Vertretern der anderen Parteien. Wir haben Fragebögen an sämtliche Abgeordnete in den untersuchten Kommunen ausgeteilt um zu erheben, wie sie auf die NPD reagieren, wie sie sie wahrnehmen, was sie besser und was sie schlechter finden im Umgang der eigenen Partei mit der NPD. Teilnehmende Beobachtung in Sitzungen diente dazu zu schauen, wie die Abgeordneten agieren, ob geklatscht wird, wenn ein NPDler spricht, wie er sozial wahrgenommen wird. Die vierte Quelle ist die klassische Dokumentenanalyse. Da werden Protokolle durchgearbeitet, Anträge der NPD und anderer Parteien angeschaut. Insofern: Wir betreiben empirische qualitative und quantitative Sozialforschung, denn wir werten das ganze ja auch quantitativ aus. Das Literaturstudium spielt hier eine geringere Rolle, alldieweil es zu dem Thema nicht so viel gibt.
Wie ist denn die Kooperationsbereitschaft auf Seiten der NPD?
Kooperationsbereitschaft ist vielleicht das falsche Wort. Es haben sich NPDler bereiterklärt, interviewt zu werden – ja, und das ist es.
Wie schätzen Sie generell die Situation in MV, in Vorpommern, in Greifswald ein?
Fangen wir mit dem einfachsten an: In Greifswald ist Rechtsextremismus kein großes Problem mehr. Es war ein Problem, als es hier eine starke Figur, den Maik Spiegelmacher, gab, der um sich herum Personen scharen konnte, die Mitte, Ende der 1990er die Rechtsextremisten sehr stark agieren lassen haben. Das ist gleichsam implodiert, ganz wesentlich auch aufgrund massiver Proteste, der großen „Bunt statt braun“-Demonstration, wo von der Uni-Leitung bis zum Bürgermeister alle demonstriert haben. Das hat sehr viel geholfen. Es gibt in Greifswald eine Schwachstelle bzw. eine Problemzone. Das sind zwei Burschenschaften, bei denen Einige offensichtlich Verbindungen zu NPD-Personen haben und sich nicht davon absetzen, sondern ganz im Gegenteil mit geschichtsrevisionistischen Thesen versuchen, eine Nische besetzen zu können. Das ist nicht großartig gelungen, aber ich halte das für einer Universität unwürdig und generell für einen Skandal, dass es ausgerechnet im akademischen Milieu überhaupt Schwierigkeiten mit Rechtsextremismus gibt. Ansonsten hat Greifswald als Universitätsstadt, aber auch aufgrund der zivilgesellschaftlichen Aktivitäten zurzeit kein rechtes Problem. Ostvorpommern und Mecklenburg-Vorpommern kann man gemeinsam abhandeln: In den ländlichen Räumen ist Rechtsextremismus ein Problem. Die NPD ist in einigen Regionen im Augenblick nicht gerade stark, eher ein bisschen „anverankert“. Sie hat ja nur 200 aktive Mitglieder zurzeit. Die so genannten freien Kameradschaften sind in anderen Regionen ein bisschen stärker, sie arbeiten teilweise mit der NPD zusammen. Zahlenmäßig hat sich das Potenzial nicht verstärkt, es sind nur einige tausend, teilweise einige hundert Personen im Kern. Aber unsere Sorge ist, dass über die NPD, wenn sie in den Landtag kommt, eine Art Normalisierung eintritt. Was für Mecklenburg-Vorpommern ja generell ein Problem ist, sind die 30% rechtsextremistisches Einstellungspotenzial, egal, wie sauber die nun gemessen sind. Das ist eine vergleichsweise hohe Zahl, insofern sehe ich das Land in einer Situation, in der man aufpassen soll. Und jetzt das optimistische: Ich glaube, dass Mecklenburg-Vorpommern nicht nur Krisenregion, sondern ein Bundesland ist, das sich recht gut entwickeln wird in den nächsten Jahren. Zweitens zeigt die demografische Situation, dass die Zahl der jungen Leute aufgrund des Nachwendegeburtenrückgangs gesunken ist. Ich glaube ganz fest, dass sich die Situation in den nächsten vier, fünf Jahren deutlich entspannt, wenn man es schafft, den Rechtsextremismus weiterhin zurückzudrängen . Was nicht heißt, dass es dann nicht rechtspopulistische Parteien gibt, aber das wird eher von der Bundesebene ausgehen. Also insofern: Man sollte etwas alarmiert blicken, aber keinen Alarmismus betreiben, vor allem nicht à la Spiegel oder Tagesthemenberichterstattung: Andrejewski wird vor der Kaufhalle gefilmt, zwei Alkoholiker rufen ihm etwas zu, und das wird dann als in der Mitte der Gesellschaft verankert dargestellt.
Die Demografie wird also das Problem lösen?
Ich glaube, dass sich die wirtschaftliche Lage in diesem Land über die nächsten Jahre verbessern wird, und das wird einen gewissen Problemdruck nehmen. Ich glaube zweitens, dass sich die demografische Lage mit Blick auf Rechtsextremismus insofern ja weiterentwickelt, als dass die Zahl der jungen Leute, die arbeitslos werden, unter denen der Rechtsextremismus besonders starke Resonanz erzeugt hat auf dem Land, aus demografischen Gründen etwas zurückgeht, sodass sich das Problem etwas entspannen könnte. Aber ein Punkt ist noch wichtig für unser Bundesland: In Mecklenburg-Vorpommern gibt es – Brandenburg ist da ganz ähnlich und eigentlich alle neuen Bundesländer – gerade auf lokaler Ebene zuweilen geballte Hilflosigkeit im Umgang mit dem Rechtsextremismus. Das gibt zusätzlich Anlass, da etwas genauer zu schauen und aus wissenschaftlicher Sicht vielleicht etwas begleitend helfen zu können.
Was sind die Ursachen dafür, dass Menschen sich dem Rechtsextremismus zuwenden?
Die Ursachen sind komplex. Was wir wissen ist, dass die subjektive wirtschaftliche Lage nicht allein entscheidend ist. Es spielen kulturelle Dinge eine große Rolle. Gerade in Lehrlingsmilieus in bestimmten Berufen gibt es sehr viel mehr Rechtsextremismus, der propagiert wird unter diesen jungen Leuten als etwa in Arbeitslosenmilieus. Insofern gibt es nicht eine Korrelation die lautet: Dort, wo die sozioökonomische Krise am stärksten ist, ist der Rechtsextremismus am höchsten. Kulturelle Faktoren spielen wie gesagt eine große Rolle, und die hängen mit verschiedenen Dingen zusammen. Zum einen, dass hier in diesem gesamten Bundesland mit dem Thema Ausländer noch keine Auseinandersetzung stattgefunden hat, es vielleicht auch nicht diese alltäglichen Erfahrungen gibt, die anderswo zu einer Normalisierung geführt haben. Dazu gibt es offensichtlich noch gewisse ethnische Vorurteile, die stärker sind als in anderen Teilen der Bundesrepublik, auch das spielt sicher eine Rolle. Ich würde es zuspitzen daraufhin, dass der Rechtsextremismus, den wir hier haben, sich aus zwei Quellen speist: Das eine ist Fremdenfeindlichkeit, und das zweite sind Sicherheits- und Ordnungsorientierungen. Diese beiden Dinge müssen nicht automatisch immer sofort bedeuten, dass jemand rechtsextremistisch sein muss. Aber das sind stark latent vorhandene kulturelle Orientierungen, und die sind mobilisierbar vom Rechtsextremismus.
Haben wir in MV denn einen Nachholbedarf im Umgang mit Ausländern?
Ich glaube, wir brauchen ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass das Konzept Bundesrepublik Deutschland nicht ethnisch definiert ist. Es geht also nicht darum, den Umgang zu üben, freundlicher, netter zu sein, sondern darum, klipp und klar in den Köpfen zu verankern, dass es keine ethnisch-völkische Definition dessen gibt, und auch laut Grundgesetz nicht gibt, wer deutsch ist.
Macht es Sie betroffen, wenn Sie inzwischen auch namentlich und mit Bild auf rechten Internetseiten auftauchen, wo gegen Rechtsextremismusforscher gehetzt wird?
Das geht nicht völlig an mir vorbei, aber ich fühle mich nicht aktuell gefährdet.
Zum Schluss: Haben Sie einen Rat an Studenten, was man als einzelner tun kann, um Rechtsextremismus zu begegnen und vorzubeugen?
Bei uns an der Universität gibt es Rechtsextremismus, soweit wir ihn als Strukturen wahrnehmen können, nur in Teilen dieser beiden Burschenschaften. Insofern die Bitte an Studierende, dass sie, wenn sie Studierende aus Burschenschaften kennen, diese zunächst einmal fragen, aus welcher Burschenschaft sie kommen, ob es vielleicht die Markomannia oder die Rugia mit den NPD-Verbindungen ist. Sollte sich herausstellen, dass es eine der beiden ist, gilt es, die Betreffenden klar zu informieren, wie stark diese beiden Burschenschaften mit der NPD vernetzt sind. Das kann man ja im Netz alles runterladen. Dann sollte man als aufrechter, wehrhafter Demokrat fragen, ob sie tatsächlich weiterhin in dieser Burschenschaft agieren wollen, oder ob sie sich nicht distanzieren wollen. Denn zur demokratischen Toleranz gehört ja nicht, dass man toleriert, wenn jemand menschenverachtende Positionen vertritt, sondern zur demokratischen Toleranz gehört, dass man die Grundwerte von Toleranz vertritt.
Geschrieben von Katja Staack