Interview: Nach der Sommerpause

Ein Doppelinterview mit Kathrin Berger,Präsidentin des Studentenparlaments (StuPa) und Alexander Gerberding, Vorsitzenden des Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) über Greifswalder Hochschulpolitik, die baldige Immatrikulationsfeier und Gremienwahlen.

moritz: Wie sieht die Bilanz der bisherigen Amtszeit aus?
Alexander Gerberding (AG): Summa summarum positiv.
Kathrin Berger (KB): Das StuPa hat sich im April konstituiert und wir haben seither neunmal getagt, das StuPa war also fleißig. Wir haben alle wichtigen Entscheidungen getroffen, die zu Beginn einer Legislatur zu treffen sind.
AG: Hochschulpolitisch ist es seit der Zielvereinbarung im Land ruhiger geworden. Projekte wie die Klage gegen die Rückmeldegebühr und die Verhandlungen zur Umzugskostenbeihilfe laufen natürlich weiter. In diesen Wochen werden wir versuchen uns in den laufenden Koalitionsverhandlungen Gehör zu verschaffen, dabei geht es vor allem um eine von uns angestrebte Änderung des Landeshochschulgesetzes für mehr Hochschulautonomie und die Verhinderung der Einführung von Studiengebühren.

Welche Ziele und Pläne gibt es für die kommende Zeit nach der Sommerpause?

AG: In Stichworten: Fortführung des Projektes „gemeinsame Kita“ mit Uni, Studentenwerk und Klinikum, Mitgestaltung der Pläne für einen Neubau der Mensa, Beeinflussung der Koalitionsverhandlungen in Schwerin, die Durchführung der Wahlen und der traditionellen 24-Stunden-Vorlesung Mitte Januar, Intensivierung des Austauschs zu den Studierenden in Stettin, Etablierung der regelmäßigen Evaluation der Lehre an der ganzen Uni und die Bereicherung des kulturellen Lebens der Stadt und der Uni.
KB: Die Aufstellung des Haushalts ist für die Zeit bis Weihnachten wichtig. Ich denke, das StuPa sollte dafür möglichst eine eigene Sitzung einplanen, um  darüber zu beraten und beschliessen zu können. Es geht ja doch um eine ganze Menge Geld.

Wie sind die Arbeitsbedingungen seit dem Umzug in die Domstraße 12?
AG: Das neue Büro ist größer. Es sind mehr Arbeitsplätze vorhanden. Es ist mehr Platz zum Arbeiten.
KB: Übrigens: Die StuPa-Sitzungen finden dennoch wie bisher 14-täglich dienstags im Hörsaal 1 in der Rubenowstraße (Audimax) statt.

Was ist bitte aus der Anfrage des StuPa-Präsidiums beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages geworden? Gab es eine Antwort?
KB: Der AStA hatte, ursprünglich ausgearbeitet vom BAFöG-Referenten Mirko, einen Beschluss gefasst, das BAFöG an die jährliche Inflationsrate anzupassen. Dieser wurde ins StuPa eingebracht. Das StuPa hat darüber entschieden und wir als Präsidium (Philipp Kohlbecher und ich) haben beschlossen, in dieser Frage den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages zu ersuchen. Wir haben eine Antwort erhalten, worin uns mitgeteilt wurde, dass nach einer Stellungnahme aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung dieses Begehren als erledigt abgetan wird. Es hatte also keine Aussicht auf Erfolg. Wir prüfen gerade, ob wir dagegen Widerspruch einlegen. Wir als Präsidium müssen darüber in Ruhe entscheiden und vielleicht muss dazu auch das StuPa noch einmal gehört werden.

Gibt es eine Diskussion über die Beteiligung von AStA-Referenten bei der diesjährigen Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern?
AG: Es kann nicht sein, dass AStA-Referenten sich nicht an hochschulpolitischen Aktionen beteiligen, weil sie dann durch ein Arbeitsverhältnis mit einer Partei befangen wären. Das gilt es zu klären, für die Vergangenheit und für die Zukunft.  
KB: Ja, im letzten Sommer vor der vorgezogenen Bundestagswahl, kam dieses Thema auch schon mal hoch, weil dort einige Referenten im AStA Wahlkampf gemacht haben. Das StuPa hatte dann nach Antrag im Oktober letzten Jahres angefangen, darüber zu beraten. Es hat leider erst in der letzten Sitzung der letzten Legislatur einen Beschluß dazu gefällt. Die Gültigkeit beschränkte sich aber nur auf die endende Legislatur. Damit wurde er mit der Neukonstituierung des StuPa im April unwirksam. Das heißt, dass AStA-Referenten jetzt Wahlkampf machen oder jetzt Wahlkampf auf der Landtagswahl machen, ist bei der jetzigen Beschlusslage durchaus möglich. Das ist nicht verboten. Andererseits muss man sich natürlich im Einzelfall fragen, inwieweit diese Personen loyal gegenüber der Studierendenschaft sind. Ich würde mir wünschen, dass das Studierendenparlament diesmal einen etwas grundsätzlicheren Entschluss fasst und dabei zügig zu einem Ergebnis kommt.
AG: Meines Erachtens muss es eine Diskussion darüber geben. Das Studierendenparlament ist dafür der richtige Ort.

Wie bewertest ihr die Verschiebung der Immatrikulationsfeier durch das Rektorat?
KB: Durch das Unijubiläum in der Festwoche vom 16.Oktober an ist es dem Rektorat persönlich nicht möglich, die Immatrikulationsfeier am ersten Tag des Semesters, also am 16. Oktober, zu organisieren. Es gab Bestrebungen das Ganze während der Verleihung der akademischen Grade im November abzuhalten. Dazu gab es dann seitens der Studierendenschaft Proteste. Nun organisiert der AStA mit Zustimmung des Senats der Uni Greifswald die Feierlichkeit.
AG: Es handelt sich nicht um eine Verschiebung, sondern die Universitätsleitung wollte die Veranstaltung erst gar nicht durchführen. Das ist eine Schande. Vor allem dann, wenn man in der Ostsee-Zeitung liest, das läge am durch das Jubiläum ausgeschöpften Budget. Vielmehr wurde uns erklärt, es seinen keine personellen Kapazitäten für die Planung einer weiteren großen Feier frei. Zumindest aufrichtig könnte die Uni-Leitung sein.
KB: In einer Sitzung des Senats im August brachten der AStA und auch vom Senat mit der studentischen Senatorin, die Feierstunde am 23. Oktober stattfinden zu lassen. Die Organisation übernimmt nun der AStA. Das Rektorat ist von der Idee begeistert, übernimmt auch die Miete, bekundete dennoch keine personelle Unterstützung bei der Vorbereitung. In Senatssitzung im September gab es die Bestätigung, dass sowohl der Senat als  das Rektorat gemäß der bisherigen Tradition bei der Immatrikualtionsfeier einziehen werden. Also am 23. Oktober um 14 Uhr. Es bleibt aber zu hoffen, dass dies ob des Unijubiläums ein Einzelfall bleiben wird.

Wie gestaltete sich bisher die Zusammenarbeit mit dem Rektorat?

KB: Den Rektor sehe ich in den Senatssitzungen. Zum Rektoratsbericht darf ich Fragen stellen. Ich bin da als StuPa-Präsidentin rede- und antragsberechtigt.  Mehr habe ich mit dem Rektor eigentlich nicht zu tun.
AG: Freundlich. Die Rektoratsmitglieder, insbesondere der Kanzler, haben ein offenes Ohr, wenn es um studentische Interessen geht. Leider ist es nicht die optimale Zusammenarbeit, wenn die Studierendenschaft mancherlei Entwicklung erst sehr oder gar zu spät seitens des Rektorats erfährt.
KB: Nach dem Landeshochschulgesetz (LHG) übt das Rektorat die Rechtsaufsicht über das StuPa aus. Das heißt, die genehmigungspflichtigen Änderungen in unserer Satzung und Finanzordnung legen wir dem Rektorat zur Genehmigung vor. Das einziges Manko daran ist, dass es so lange dauert. In der letzten Legislatur haben wir neun Monate darauf gewartet, dass Satzungen genehmigt wurden, und in diesem Jahr hat es bei einer unbedeutenden Änderung in den Finanzordnungen über zwei Monate gedauert. Wir arbeiten ja auch damit. Wenn das so lange dauert, ist das nicht möglich. Es ist schade, wenn unsere Arbeit solch eine niedrige Priorität genießt. Das StuPa hat sich im Übrigen gegen eine Wiederwahl Professor Westermanns als Rektor ausgesprochen.  
AG: Der AStA hat eine Position zu einer möglichen Wiederwahl Westermanns und diese hat sich auch nicht geändert. Nachdem die Befragung des Kandidaten im Juli für wenig Interesse gesorgt hat, bleibt uns nur, unsere Bedenken bezüglich der vergangenen Amtshandlungen und das daraus entstandene enttäuschte Vertrauensverhältnis weiter zu artikulieren und unsere Bedenken den Senatoren zur Kenntnis zu geben.

Sind Greifswalder Studenten politikmüde?
AG: In den letzten Jahren haben viele Studierende unserer Universität gekämpft. Vor allem gegen die jährlichen Kürzungsrunden. Das macht müde.
KB: Das möchte ich ganz klar verneinen. Wir haben in allen Gremien (in den Fachschaften, im AStA, im StuPa, in den Fakultätsräten etc.) Vertreter der Studierendenschaft sitzen. Das heißt, es gibt viele engagierte Studierende.
AG: Politikmüdigkeit ist dennoch eine bundesweite Erscheinung. Solange nicht ein zeitnahes Thema auf der Agenda steht, das die Mehrheit der Studierenden betrifft, rühren sich nur Wenige. Vieles, was in der Landespolitik oder innerhalb der Universität passiert, ist nicht hinreichend protestwürdig und den Wenigsten zu vermitteln.
KB: Wir können das nicht pauschalisieren. Ja, es gibt Studierende, die sich dafür nicht interessieren und die wir auch nicht erreichen. Das muss man auch hinnehmen. Man kann sich dann aber weder zurücklehnen und noch die Flinte ins Korn werfen.

Wie sieht eine mögliche Zukunft der hiesigen studentischen Hochschulpolitik aus?
KB: Ja, was wird die Zukunft bringen? Wir müssen unsere Arbeit fortsetzen, am Ball bleiben, also Öffentlichkeitsarbeit immer aktiv weiter betreiben, die unsere Tätigkeiten publik machen. Gleichzeitig sollten wir uns im StuPa hin und wieder einmal an die eigene Nase fassen: Wir haben in jeder Sitzung Gäste, die immer willkommen sind. Da muss es – bei aller Berechtigung zu längeren konstruktiven Diskussionen – auch möglich sein, effektiv zu arbeiten und ein gewisses Diskussionsniveau zu halten. Die Gäste sollen ja schließlich wieder kommen und vielleicht sogar selbst einmal im StuPa sitzen.
AG: Die zukünftigen Aufgaben der Greifswalder Hochschulpolitik liegen in der Sicherung und dem Ausbau der Hochschulautonomie ohne Schwächung der universitären Gremien, im Kampf um eine gerechte Mittelverteilung zwischen den Hochschulen in M-V und innerhalb der Universität und der stetigen und umfassenden Berücksichtigung studentischer Interessen.

Trotzdem steht Bachelor- und Masterstudenten nicht mehr soviel Zeit für Dinge neben dem Studium zur Verfügung.

KB: Das ist richtig und eine Herausforderung. Magisterstudierende haben zwar mitunter ein bisschen mehr Zeit, sich zu engagieren. Aber ich denke, wenn wir deutlich machen, was wir tun, wird sich sicher die eine oder der andere dafür entscheiden. Wir müssen einfach am Ball bleiben.

Welches Fazit zieht ihr aus der Vollversammlung?
KB: Die Vollversammlung Anfang Juli war leider nicht beschlussfähig, man kann jetzt nach Gründen suchen. Ich möchte sie nicht nur in der gleichzeitig stattfindenden Fußball-WM finden.
AG: Trotz der sehr geringen Beteiligung war es unser Anliegen und unsere Pflicht, über das Thema Mensaneubau zu informieren und eine entsprechende Legitimation der Studierenden zu herbeizuführen. Das Feedback auf der Versammlung hat uns indes bestärkt, das Projekt weiter aktiv mitzugestalten.

Welche Ziele gibt es für die Wahlen im Januar?

KB: Die Senatssitzung im August hat ergeben, dass die Wahlen der universitären Gremien Mitte Januar stattfinden werden. In diesem Jahr haben wir die Wahlen des Studierendenparlaments in den gleichen Zeitraum gelegt. Das StuPa täte gut daran, sich wieder dafür zu entscheiden. Ich würde das auch gerne so vorschlagen. Dann könnten wir nämlich parallel dazu unsere Werbung für Wahlen der studentischen Gremien machen – sprich die Fakultätsräte, den Senat und das StuPa.
AG: Eine deutlich zweistellige Wahlbeteiligung ist unser Ziel. Es wäre gut, wenn jeder Fünfte wählen ginge. Das möchten wir durch eine enge Zusammenarbeit mit den studentischen Medien und durch unsere neuen Broschüren zu den beiden studentischen Selbstverwaltungen (AStA, StuPa), die in unserem Büro ausliegen, erreichen.
KB: Dank der zusammengelegten Termine für alle Gremien lag die Beteiligung bei den letzten Wahlen bei über 12%. Das klingt vielleicht wenig, ist aber immer noch mehr als in den Vorjahren. Dort blieb sie immer unter 10 Prozent.

Welche Stellen suchen noch einen Kandidaten?
AG: Das Referat für Hochschulpolitik und das autonome Referat für Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten sind ab sofort und ab 1. November das autonome Referat für Ausländerfragen zu besetzen.
KB: Gleichzeitig sucht das Studentenwerk Greifswald ein studentisches Mitglied im Vorstand und eine Vertretung. Bei den studentischen Medien wird eine Chefredaktion für den Webbereich und eine neue Geschäftsführung gesucht. Diese ganzen Stellen sind nicht besetzt und werden auch weiter ausgeschrieben. Dafür werben wir auch.

Was passiert am Tag der offen Tür? Wann findet er statt?
AG: Unser Tag der offenen Tür findet am Freitag, den 10. November in unseren Räumlichkeiten der Domstraße 12 statt. Es wird neben Essen, Getränken und Musik vom radio 98eins Infos zur studentischen Selbstverwaltung und unseren Projekten geben. Außerdem wird es eine historische Führung durch das Haus in der Domstraße 12, übrigens das älteste Haus der Universität, und eine Versteigerung von AStA-Referenten für einen guten Zweck geben.

Geschrieben von Uwe Roßner

Arndt des Monats

„Die Juden als Juden passen nicht in diese Welt und in diese Staaten hinein, und darum will ich nicht, daß sie auf eine ungebührliche Weise in Deutschland vermehrt werden. Ich will es aber auch deswegen nicht, weil sie ein durchaus fremdes Volk sind und weil ich den germanischen Stamm so sehr als möglich von fremdartigen Bestandteilen rein zu erhalten wünsche.“

[zitiert nach: „Weltgeschichte im Aufriß“, Bd. 2, Verlag Diesterweg, Frankfurt/Main 1978, Seite 191]

Geschrieben von Ernst Moritz Arndt

Der AStA ist umgezogen

Die Sanierung stand vor der Tür, der Umzug war schon seit längeren anvisiert. Im August verließ der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) sein altes Domizil in der Rubenowstr. 1 und zog in die Domstr.12 um.

„Wir haben jetzt eine größere Fläche zur Verfügung“, so AStA-Vorsitzender Alexander Gerberding. „Es ist nicht mehr so eng wie in den alten Büros. Man steht sich nicht mehr auf den Füßen.“ Die nahegelegene Augenklinik stand zur Diskussion. Im Dachgeschoss sollten dort ursprünglich die Büros eingerichtet werden. Dann stellte sich heraus, das Dachgeschoss sei nicht nutzbar.
Da bereits vor einem halben Jahr ein Teil der AStA-Referenten in das Dachgeschoss der Domstraße 12 umsiedelten, zeichnete sich daraufhin ein weiterer Nachzug ab. Neben dem AstA hat auch das StuPa-Präsidium und die Vorsitzenden der Fachschaftsratskonferenz (FSK) ihren neuen Platz in der Domstraße 12 gefunden.
Ab 2008 steht dem AStA möglicherweise das gesamte Haus zur Verfügung. Zur Zeit befindet sich ja noch die Abteilung für Technik in der ersten Etage des Hauses.
 
Mehr Arbeitsfläche

„Wir haben den Umzug an einem Augustwochenende gemacht.“ Alle Referenten, die vor Ort waren, packten mit an. Nicht die Strecke von 50 Metern zwischen der Rubenowstraße  1 zur Domstraße 12 sei ein Problem gewesen. „Das Schwierigste war das Auseinanderbauen der Möbel“, so Alexander Gerberding. „Die Räume sind hier ganz anders aufgeteilt“, sagt der AstA-Vorsitzende. „Früher waren sie auch höher.“ Jetzt kann das Mobiliar ganz gestellt werden. Ein paar Schreibtische sind dazu gekommen. Ansonsten zog die komplette Einrichtung und Technik mit. Eine Teeküche gibt es allerdings im Vergleich zu früher bisher noch nicht.

Bessere Beratung

Für den Publikumsverkehr ist es günstiger geworden. Die Referenten begrüssen die Fragenden von der neuenTheke aus, die Räume sind frisch gestrichen, Informationsmaterial liegt gut sichtbar aus. „Hier können wir auch besser beraten“, meint Alexander Gerberding. Eine Sache sieht er mit einem etwas weinenden Auge: „Früher waren wir im Audimax und damit dichter an den dortigen Studierenden.“ Zwar war der Weg für sie kürzer zum AstA-Büro, dennoch gibt er zu Bedenken: „Wir konnten damals nicht Studierende aller Fachrichtungen erreichen.“ Aber das lag und liegt eher an der Lage des Büros und der Verteilung der Institute quer über das Stadtgebiet. Ein unschlagbarer Vorteil ist unabhängig davon der neue Beratungsraum. Dank des separaten Eingangs können dann alle anstehenden Fragen zu beispielsweise Studium, BaföG und Wohnen in Ruhe geklärt werden. „Das verbessert die Atmosphäre“, so Alexander Gerberding. Wer sich von all dem gern selbst überzeugen möchte, sollte einmal in der Domstraße 12 oder am Tag der offenen Tür vorbeischauen. Der findet am10. November statt.

Geschrieben von Uwe Roßner

Schokocroissant rettet Universitätsbibliothek

Bäckerei verwechselt Spendenbüchse mit Werbetrommel – Eine Polemik

Kann so unsere chronisch unterfinanzierte Universitätsbibliothek gerettet werden? Jeder, der in der Stadtbäckerei Junge ein Schokocroissant für 95 Cent kauft, spendet davon zehn Cent der Universitätsbibliothek. Was auf den ersten Blick kreativ und wohltätig aussieht, ist auf den zweiten Blick nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein. Überlegt man sich, dass ein normales Lehrbuch im Schnitt 100 Euro kostet, braucht man mindestens 1000 verkaufte Schokocroissants, um damit ein einziges Buch zu finanzieren. Um sich diese Menge mal vor Augen zu führen: 1000 Croissants hintereinander gelegt ergibt eine Strecke von 184 Metern. Diese könnte man locker um die gesamte Universitätsbibliothek legen.
Wer glaubt, er tut der Bibliothek mit dem Kauf dieses Gebäcks etwas Gutes, der irrt fatal. In erster Linie profitiert die gute Stadtbäckerei davon. Sie erhöht den Umsatz der teuren Schokocroissants und kann sich gleichzeitig „ortsverbunden“ und „großzügig“ geben. Denn mit über 140 Filialen und, laut eigenen Angaben, „führender Marktstellung im Norden Deutschlands“ braucht die Bäckerkette diese „lokale Verankerung“ und „Glaubwürdigkeit“. So ist die Kampagne für die Stadtbäckerei nicht nur günstig, sondern sogar profitabel, da die eigentliche Zehn-Cent-Spende als Aufschlag voll auf den Kunden umgeschlagen wird.
Im ersten Aktionszeitraum von Mai bis Ende Juli kam die teure Schoko-Verführung trotzdem gut an.  Die elf beteiligten Filialen verkauften nach Angabe Marketingchefs Herrn Hofrichter 9000 Croissants. Zur Vorstellung: Aufeinander getürmt, erreichen sie die schwindelerregende Höhe von 486 Metern und würde locker das ehemalige World Trade Center überragen. Zur feierlichen Stunde rundete man die Spende auf 1000 Euro auf und übergab sie medien- und werbewirksam in der Greifswalder Verkaufsstelle dem Bibliotheksdirektor. Seine Stellvertreterin Frau Sigrid Hornei erklärte gegenüber moritz, dass sie die Aktion prima fände. Man werde jetzt zehn Bücher davon kaufen. Ein großer Aufkleber der Bäckerei auf der ersten Innenseite natürlich inklusive. Erstaunlich ist das Bündnis trotzdem: immerhin sind jegliche Lebensmittel – inzwischen auch Wasser – in der Bibliothek verboten.
Das einzige Gute an der Kampagne ist, dass sie eindringlich verdeutlicht, wie groß die Not der Bibliothek sowie der Universität insgesamt bereits ist. Offenbar ist man inzwischen im Fundraising- und Alumnibüro bereit, für ein paar hundert Euro die Seele und den Namen der Universität für jeden Marketing-Ramsch zu verkaufen. Die nächste Studentendemonstration steht wohlmöglich unter dem Motto: „Unsere Bildung ist auf Hörnchen gebaut“. Vielleicht kann die Initiative auch andere anstiften, aktiv zu werden: Kindergärten stricken Buchumschläge, Aldi sammelt für die Stromrechnung, und für jeden verkauften Volkswagen in Harrys Autohaus wird ein neues Buch der UB geschenkt. Wie wäre es mit der AOL-Universität für 20 kostenlose Bücher pro Jahr? Schöne neue Welt!

Wer wirklich will, dass neue Bücher in der Bibliothek angeschafft werden, der sollte einfach fünf Titel ausleihen und sie nur eine Woche verspätet zurückbringen. Das kostet über zwölf Euro und entspricht bereits 120 Croissants. Denn das Geld aus Verspätungen fließt direkt dem Kauf neuer Bücher zu, ohne den Umweg durch Bäckerkassen.

Geschrieben von Sebastian Jabbusch

m. trifft … Volker H. Altwasser

Volker H. Altwasser, gebürtiger Greifswalder, wuchs im Ostseeviertel auf und debütierte 2003 mit „Wie ich vom Ausschneiden loskam“. Das zweite Werk ist in Vorbereitung.

Name:
Volker Harry Altwasser

Alter:
36 Jahre

Geburtstag:
31. Dezember, der Tag, an dem die ganze Welt feiert und mich regelmäßig Anrufe erreichen, man schaffe es zu meiner Geburtstagsfeier gerade nicht mehr.

Größe:
186 cm

Gewicht:
74 kg

Berufsbezeichnung:
Schriftsteller

Schriftsteller kann sich jeder nennen und dies auf unterschiedlichem Wege erreichen. Wie kamen Sie dazu?
Aus purer Not heraus. Ich borgte mir schon als Kind wöchentlich Bücher aus, mit 17, 18 Jahren beschloß ich dann, selbst Welten zu erfinden. Nebenher arbeitete ich als Elektronikfacharbeiter, Heizer, Bürokaufmann, Montagearbeiter, Matrose, doch ich lebte da schon lange in meinen Welten. Die Realität, denke ich, ist lange nicht die beste aller Möglichkeiten, gerade auch, wenn sie einem permanent die Beine weghaut. – Die Sau, die!

Wie haben Sie ihre literarischen Fähigkeiten entwickelt?
Am Deutschen Literaturinstitut zu Leipzig studierte ich drei Jahre lang und darf mich jetzt Diplom-Schriftsteller nennen. Mein Hauptfach war Lyrik, Prosa und Drama meine Nebenfächer. Der wichtigste Teil war aber das praktische Schreiben und das fundierte Kritisieren.

Wie wählen Sie die Themen Ihrer Texte aus?
Heute entwerfe ich zuerst Konzepte, Exposés. Zu einem Anfangsthema kommen so häufig andere Themen dazu. Da bin ich wohl Lyriker geblieben. Ich verbinde, verdichte und betrachte alles aus verschiedenen Sichtweisen. Beim ersten Buch habe ich zum Beispiel mit den  Augen eines Westdeutschen auf meine Kindheit geschaut. Es erfordert aber viel Zeit, mit den Augen eines Fremden sehen zu können. Dieser Fremde taucht dann aber nicht mehr auf. Das Buch, an dem ich jetzt arbeite, braucht die Blickwinkel eines Hochseefischers, einer Hubschrauberpilotin, eines Studenten und einer asiatischen Piratin. Nicht leicht, das eigene Leben soweit zu vergessen, es macht aber süchtig.

Wie ist Ihr Arbeitsalltag?
Gegen acht Uhr stehe ich auf, esse etwas und setze mich für zwei bis drei Stunden an den Computer und schreibe. Dann ist die Kreativität weg und ich habe so fünf Seiten herausgeholt. Nachmittags bis abends lektoriere ich dann, verbessere, und permanent grübele ich.

Wie viele Bücher möchten Sie schreiben?
Weiß ich nicht. Auf jeden Fall genau drei für mich wichtige. Vermutlich das erste, eins in der Mitte und das letzte. – Die dazwischen sollen „nur“ Geld bringen.

Was machen Sie, wenn Sie nicht am schreiben sind?
Spazieren gehen und grübeln. In der Mensa essen und grübeln. Fahrrad fahren und grübeln. Als Call-Agent arbeiten und grübeln. Am liebsten bin ich in Lubmin, da grübelt die See für mich und schenkt mir laufend Antworten.

Welches Laster haben Sie?
Die Einsamkeit, nach ihr bin ich süchtig. Immer häufiger muß ich mich nach ganz normalen Gesprächen wie diesen erstmal ausruhen. – Kommunizieren strengt ja so an! Allein das Nonverbale.

Welche Bedeutung hat Vorpommern für Sie?

Die Frage nach der vorpommerschen Identität beschäftigt mich sehr. Ich bin in Greifswald geboren, damals noch im Bezirk Rostock, habe die Wende miterlebt und danach Station in Leipzig, der Schweiz und Berlin gemacht. Währenddessen stellte ich mir immer die Fragen: Was sind und wie denken Vorpommern? Was ist Heimat für einen Vorpommer? Aufgrund der jahrhundertelangen Fremdherrschaft Schwedens, Dänemarks, Polens, Russlands, Brandenburgs und Mecklenburs über diesen Teil der jetzigen Bundesrepublik sind die Vorpommern für mich die (wirklich) ersten Europäer. Die Idee von der EU, das waren wir doch! Dem Vorpommer ist das Regieren egal geworden. Nach dem Motto, je weiter weg, um so besser. Der Europäer von morgen ist der Vorpommer von heute, kein Witz. – Darum geht’s auch in meinem ersten Buch.

Wie sieht Ihr Verhältnis zur Ernst-Moritz-Arndt Universität aus?
Auch für mich zwiegespalten. Für mich ist die Universität zu autark. Greifswald trägt seit diesem Jahr den Zusatz ?Universitätsstadt?. Warum ändert nicht endlich auch dieser Wissenschaftsbetrieb seinen Namen in Universität Greifswald um? Es wird Zeit, daß die Uni der Stadt den Rücken stärkt, sonst fehlt ihr eines Tages der Standort. Bspw. auch das internationale Studentenfestival, warum gab’s da keine Veranstaltungen für die Kinder Greifswalds? Es gibt wohl knapp zehntausend Hartz-IV-Empfänger und elftausend Studenten, also ich schlage Patenschaften vor. Im Kleinen, nicht immer im Großen, das Große ist uns eh egal.  So würde die Verbundenheit mit dem Heimatort klarer sein und der Name von Arndt verschwinden. Ausgerechnet in der Stadt, in der niemand weiß, was Heimat ist, gibt’s eine Uni mit dem Namen eines Freiheitskämpfers.

Worüber lachen Sie?

Tja, über Fragen wie diese. Und über unsere vorpommersche Bauernschläue, die man auf dem platten Land findet. Regelmäßig werden die neusten Herren dort abserviert, ohne daß sie es merken. – Otto von Bamberg mußte damals auch zweimal kommen, um zu christianisieren. Das erste Mal hatte er sein Schwert nicht dabei.

Lebensmotto?

Das Leben findet täglich statt.

Was liegt auf Ihrem Nachttisch?
Ich habe keinen. Ich schalte das Licht aus und verschwinde sofort aus dieser Schwere. Immer wieder gerne. – So, ich muß, tut mir leid!

Geschrieben von Björn Buß

17. Juli 2014: Foto wurde gelöscht.