EU_Debate_530pxEin Belgier, ein Luxemburger, ein Grieche, eine Schwedin und zwei Deutsche wollen für die nächsten fünf Jahre Präsident der Europäischen Kommission werden. Da es nur einer von ihnen sein kann, ist für die kommenden Wochen transkontinentaler Wahlkampf angesagt. In Maastricht werden die Spitzenkandidaten am 28. April bei einer Podiumsdiskussion aufeinandertreffen, der webMoritz überträgt live ins Audimax. Professor Philipp Harfst wird den Abend mit einem Vortrag einleiten.

Die Europäische Kommission ist als gewählte Exekutive vergleichbar mit einer Regierung, ihr Präsident verfügt über die Richtlinienkompetenz. Der derzeitige Amtsinhaber José Manuel Barroso (EVP) kann nach zehn Jahren und zwei Amtszeiten nicht noch einmal antreten. Durch die Wirtschafts- und Eurokrise ist womöglich in Vergessenheit geraten, wie die Europäische Union in der letzten Dekade auch versuchte, den Integrationsprozess seiner Mitgliedstaaten voranzutreiben, indem man sich eine gemeinsame Verfassung geben wollte. Das Vorhaben scheiterte, so dass letztendlich nur der abgeschwächte Reformvertrag von Lissabon zustande kam, der 2009 in Kraft trat. Unter anderem sollte mit ihm die Rolle des Europäischen Parlaments gestärkt werden, dessen 750 Abgeordnete vom 22. bis 25. Mai neu gewählt werden.

Parlament bekommt mehr Einfluss

Das Parlament ernennt schon immer den Präsidenten der Europäischen Kommission, allerdings geschieht dies auf Vorschlag des Europäischen Rates. Im Gestrüpp der EU-Gremien ist dieser Rat das Zusammentreffen der 28 Staats- und Regierungschefs, also der wirklichen Machthaber. Auch künftig soll sich daran nichts ändern, jedoch zielt eine Neuerung darauf ab, dass bei dem Vorschlag das Ergebnis der Europawahlen „berücksichtigt“ (Art. 17, Abs. 7, EU-Vertrag) werden muss. Verbindlich ist das zwar noch nicht, dennoch soll folglich der Kandidat auch aus der Europapartei stammen, die die meisten Stimmen gewinnen konnte und somit die größte Fraktion stellt.

Folgende Kandidaten wurden von ihren Parteien nominiert und werden an der Debatte teilnehmen. Zwei Parteien haben eigentlich eine Doppelspitze: Für die Piraten tritt weiterhin noch Peter Sunde an, für die Grünen José Bové.

Diese Kandidaten wurden von ihren Parteien nominiert und werden an der Debatte teilnehmen. Zwei Parteien haben eigentlich eine Doppelspitze: Für die Piraten tritt weiterhin noch Peter Sunde an, für die Grünen José Bové.

Aus diesem Grund haben die Europäische Volkspartei (EVP), die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE), die Europäische Demokratische Partei (EDP), die Europäische Grüne Partei (EGP), die Europäische Linke (EL) und die Europäische Piratenpartei (PPEU) erstmals Spitzenkandidaten nominiert. Für die fast 400 wahlberechtigten Unionsbürger soll auf diese Weise der Wahlkampf präsenter werden, die Europäische Union näher in den Alltag der Bevölkerung heranrücken. Zu den letzten Wahlen im Jahr 2009 betrug die Beteiligung europaweit und auch in Deutschland 43 Prozent.

„Wenn uns es uns gelingt, das glaubwürdige Kandidaten, mit einem Konzept sichtbar und gegeneinander antreten, hat die Europawahl zum ersten Mal etwas was ihr fehlt: ein Spannungsmoment“ erhofft sich der Sozialdemokrat Schulz. Kritiker wie der Cicero-Autor Christoph Seils bezeichnen das neue Verfahren hingegen als „Farce“, bei dem ein demokratisches Verfahren nur vorgegaukelt werde. Seils geht nicht davon aus, dass sich Angela Merkel, François Hollande und David Cameron, die drei mächtigsten Regierungschefs im Europäischen Rat, vom Ergebnis der Europawahl beeindrucken lassen sondern eher eigene Pläne durchsetzen wollen. Seiner Ansicht nach kommen die beiden Favoriten Juncker und Schulz dabei nicht vor. Dies läge auch an der „schwammigen Formulierung“ aus Vertrag von Lissabon, auf dem das neue Verfahren fußt.

Nach Song-Contest endlich neues europaweites TV-Ereignis

Am 28. April veranstaltet die Universität Maastricht gemeinsam mit dem Europäischen Jugendforum und weiteren Förderern die einzige Podiumsdiskussion, bei der die sechs Spitzenkandidaten aufeinandertreffen. Da nur 700 Studenten in das örtliche Theater am Vrijthof passen, wird die Debatte per Livestream übertragen und soll somit im ganzen Kontinent in 30 teilnehmenden Universitäten verfolgt werden können. Die Greifswalder „debate watching party“ findet zeitgleich ab 18 Uhr im Audimax (HS 5) statt. Philipp Harfst, Juniorprofessor am Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaft wird einem einleitenden Vortrag die neue Stellung des EU-Parlaments erläutern und dabei der Frage nachgehen: „Jetzt noch demokratischer?“

Die Themen der eigentlichen Debatte sollen vorwiegend die Perspektiven jüngerer Wähler bedienen. In den letzten Wochen gab es einen Aufruf, bei dem sie ihre eigenen Fragen einsenden konnten.

Weitere Informationen gibt es auf eudebate2014.eu sowie mit dem Hashtag #EUdebate2014 auf Twitter oder Facebook.

Portraits: Tsipras – Karin Desmarowitz für Bündnis Umfairteilen via Flickr; Verhofstadt – Alberto Novi via Flickr; alle anderen sind Pressebilder