Vorspann
Jenseits harter Daten und Fakten über das Alter von Haus und Laden, Vorstellungen über die weitere Zukunft des Gebäudes wurden der Reportage aus der Erinnerung heraus Beobachtungen aus dem Ladenleben beigefügt, die sich nicht in jedem Fall so identisch zugetragen haben müssen wie geschildert. Dies gilt insbesondere für „Jonas“ und „Hertha“, die im Gegensatz zu den übrigen genannten Personen nicht frei erfunden, allerdings auch nicht mit den wirklichen Personen identisch sind. Es geht hierbei vielfach darum, einen Eindruck vom Laden und dem inzwischen zur Vergangenheit gewordenen Leben zu vermitteln.
Jonas
Jonas steht an der Kasse. Er nimmt seinen kleinen Geldbeutel, den ihn seine Oma schenkte und zählt sein Taschengeld. Ein Cent fehlt, um sich den Schokoriegel kaufen zu können, den er für sich und seine Schwester Clara kaufen wollte. Ein kurzer trauriger Blick zu ihr; die Kinderaugen des zwei Jahre jüngeren Mädchens zeigen Ernüchterung und sagen: Dann soll es wohl nicht sein. Warum muss ausgerechnet dieser eine Cent fehlen?, denkt sich Jonas und trabt zögernd zum Ständer, an dem die Süßigkeiten ausliegen, und legt ihn zurück ins Regal. Seine Schwester folgt ihm. Jonas hat bereits die Klinke in der Hand. „Fehlt was?“, fragt plötzlich der Verkäufer hinterm Ladentisch. „Mir fehlt ein Cent.“ – „Das macht nichts. Du kannst ihn Dir trotzdem kaufen“, erwiedert er mit einem freundlichen Lächeln. Die Kinderaugen strahlen. Jonas geht zur Ablage zurück und nimmt den Schokoriegel. „Es ist zwar ein bisschen mehr, als nur ein Cent, aber es stimmt schon.“ Freudestrahlend verlassen die Kinder den Laden in der Brinkstraße 16/ 17.
Die Rindersalami
Wenige Minuten später kommt Hertha in den Laden. Als Hertha das letzte Mal in der Brinke einkaufte; schließlich stand Besuch an; fehlte ihr plötzlich das Geld. Mit EC-Karte kann man hier nicht zahlen. Allerdings hat sie anschreiben lassen. Sie kommt aber nicht nur, um den Fehlbetrag auszugleichen. Schließlich sind gerade Kinder durchaus leidenschaftliche Esser, sodass eben doch genug verbraucht worden ist. „Habt ihr eigentlich wieder Rindersalami?“, fragt sie, schließlich haben die Urenkel von der gut abgehangenen Wurst vom Biobauernhof ordentlich verspeist. Die Wurst hat freilich ihren Preis, 34 Euro kostet sie, doch warum soll man knausrig sein, wenn es die Lütten glücklich macht?! „Nein, die kommt erst am Freitag“; doch auch ohne Rindersalami war der Korb wieder gut gefüllt.
Blick über den Tellerrand
Die Produkte kommen fast alle von den Bauern aus dem Umland. Insgesamt beliefern drei bis vier Gärtnereien den Laden mit frischen Produkten. Überdies ist die Brinke Anlaufstelle für den „Hof Schwarze Schafe“. Von Landwirten, die wissen, dass die Erde ein Geschenk der Erde ist. Und dass wir sie pflegen müssen und dass der Bumerang uns wie ein Samureischwert treffen wird, wenn wir sie ausbeuten oder verspekulieren und Oasen in der Wüste die letzten Reste des Paradieses sind, das einmal war. Wer glaubt, die Verwüstung wäre weit weg, der irrt. Zur Profitmaximierung werden Düngemittel über Düngemittel gekippt und das, was den Boden eigentlich ausmacht, zunehmend zerstört, indem ihm Nährstoffe entrissen werden.
Warum die Brinke bleiben muss. Unter Anderem.
So, wie der Südlichen Mühlenvorstadt in der Brinkstraße 16/ 17 ein zärtlicher, langsam aufwachsender Keim intakten Vorstadtlebens entrissen werden soll, um Platz zu machen, für einen schmucklosen Zweckbau, der genau so gut in jeder anderen Stadt stehen könnte und in dem Eigentumswohnungen zum Verkauf angeboten werden sollen. Dies versucht die Initiative „Brinke 16-17 erhalten!“ zu verhindern und organisierte bereits in der Vergangenheit mehrere Mahnwachen sowie eine Demonstration zum Erhalt des historischen Gebäudeensembles. Die Brinkstraße 16-17 ist kein gewöhnliches Haus, in der irgendjemand lebt, oder irgendein Laden ist. „Das, was Du erzählst, war früher ganz normal“, meint mein Vater, als ich ihm von der Brinke erzähle. Jetzt könnte man meinen: Früher, ja, früher war alles besser. Nein, darum geht es nicht. Es geht hier vielmehr um die Frage, ob nicht vielleicht unser Leben im Streben nach Karriere und möglichst viel Geld aus dem Gleichgewicht geraten sein könnte und die Brinke einer der wenigen Orte ist, in denen versucht wird, dieses Gleichgewicht ins Lot zu bringen, indem sie uns wieder ein bisschen mehr Menschlichkeit zu lehren versucht.
Von Gemeinnutz und Eigennutz
Und genau jetzt sind wir wieder bei der Mahnwache zur Rettung des Hauses, in der eine Zukunftsvision gelebt wird, um aufzuzeigen, wie es einmal aussehen könnte. Weil hier eben auch genau diese Fragen gestellt werden, während man auf der Bank sitzt und seine Suppe löffelt. Und Rolf, Mitglied der Initiative, sitzt einfach nur da, bei strahlendem Sonnenschein und grübelt. „Watt grübelst Du denn schon wieder?“, fragt sein Banknachbar. „Warum mache ich hier das eigentlich?“ Pause. Beide blicken auf die andere Straßenseite. Vergrübelt. Auf dem Fußweg ist ein Kickertisch aufgestellt. Zwei Kinder liefern sich ein Duell. „Es ist Gemeinnutz“, schlussfolgert Rolf nach ein paar Minuten. Pause. Beide blicken auf die andere Straßenseite. Ich löffle meine Suppe weiter, die Hubert, der Inhaber des Bioladens „Sonnenmichel“, vor wenigen Minuten aufgetischt hat; es ist bereits mein zweiter Teller.
„Aber warum macht Schmidt das? Was ist es, das ihn antreibt?“, fragt Rolf in Gedanken versunken weiter. Die Frage bleibt unbeantwortet. „Hätte es nicht ebenso seinen Reiz, wenn er das Haus einfach sanieren und er damit das historische Flair eines Ensembles, eines Straßenzuges erhalten würde?“, fragt er weiter. Zwar würde dies nicht ganz dem Ziel des Vereins „Stadt und Land“, der die Initiative „Brinke 16-17 erhalten!“ initiierte, entsprechen. Allerdings wäre dies immerhin ein Kompromiss, auf den man sich ebenso mit Roman Schmidt einigen könnte. „Wir wollen das Haus erhalten“, heißt es von einem anderen Initiativenmitglied. Das ist im Moment das Wichtigste. Schmidt ist jener Bauunternehmer, der das Grundstück von Ulf-Thorsten Wiechel übernommen hat, nachdem dieser sich aus dem Greifswalder Immobiliengeschäft zurückzog. An ihn wurde das Gebäude vor fünf Jahren, zu jenem Zeitpunkt, als auch der Bioladen in die Brinke zog, verkauft.
Ein offenes Haus
Wenngleich es zunächst so scheint, als sei die Initiative erst zu Beginn dieses Jahres aktiv geworden, so irrt der Eindruck. „Seit über einem Jahr wird sich getroffen, um über die Zukunft der Brinke zu diskutieren“, erzählt Anne, die im Oktober 2013 aus dem Haus ausgezogen ist. Sie ist zusammen mit Lisa die letzte Bewohnerin, die die Wohnungen in der Brinkstraße 16-17 bewohnte. Im Dachgeschoss befinden sich zwei Wohnungen, die eine Größe von jeweils etwa 80 Quadratmetern aufweisen. Jene in der Brinkstraße 17, oder „Brinkstraße 16.2.“ wie Anne sie bezeichnete, schließlich „gibt es keine Brinke 17“, war faktisch kreisförmig aufgebaut. Man konnte von jedem Zimmer ins andere gelangen. „Selbst das Bad war eigentlich ein Durchgangszimmer.“ In der größeren der beiden Wohnungen fanden sich zweier- bis dreier-WGs, die kleinere der beiden war immer eine Zweier-WG. Zwar waren die einzelnen Zimmer mit etwa 12 Quadratmetern Grundfläche nicht besoners groß. „Allerdings hatten wir ein etwa 25 Quadratmeter großes Wohnzimmer“, schwelgt Anne in Erinnerungen. Die Fotos zeigen ein abwechslungsreiches WG-Leben. „Es wurde hier viel gefeiert, wir haben uns mit der BUNDjugend getroffen, wenn wir keinen Raum im KLEX bekamen. Schließlich hatten wir hier viel Platz.“ Zudem hat man sich auch oft zum Lernen treffen können, ohne dass man Mitbewohner oder Nachbarn entsprechend gestört hätte.
Der Hinterhof-Garten fand von den letzten Bewohnern ebenfalls rege Beachtung. „Das Gemüsebeet wurde von allen vier Leuten genutzt und wir haben so manches Mal im Garten Kubb gespielt“, erinnert sich Anne. Auch wenn keiner der Bewohner im Haus anzutreffen war, sind Freunde und Bekannte gekommen, um sich im Garten zu entspannen und zu erholen. Es war ein offenes Haus. Dies soll nach Vorstellungen der Initiativenmitglieder wieder so werden. „Zunächst fand nur eine Ideensammlung statt, bevor dann konkrete Vorstellungen entwickelt werden konnten“, erinnert sie sich an die Anfangszeit der Hauspatrone. Bevor Anne und Lisa die Brinke mehr oder weniger zwangsweise verlassen mussten, waren sie zusammen mit Lena zu dritt. Über mehrere Jahre hinweg hat zudem noch eine weitere Frau in der Brinkstraße 16 gewohnt, die vor einigen Jahren – es muss wohl zwischen 2009 und 2011 gewesen sein – im Alter von 101 Jahren verstorben ist. Bevor der Bioladen „Sonnenmichel“ seine derzeitige Größe annehmen konnte, war noch zwischen dem heutigen Cafè Hollerbusch und dem Laden eine weitere Wohnung, die im Gegensatz zu den Dachgeschosswohnungen jedoch noch ohne Fernheizung, sondern mit Kachelöfen ausgestattet gewesen sind.
Die Verhandlungen
Inzwischen beabsichtigt Schmidt jedoch, mit dem Bau zu beginnen und hat Hubert, dem letzten Mieter des Hauses und Inhaber des Sonnenmichels, zum Auszug gedrängt. Erfolgt dieser nicht, droht eine Räumungsklage. Dieses Szenario wollten Mitglieder der Initiative „Brinke 16-17 erhalten!“ verhindern. Laden und Gebäude sollen erhalten bleiben. Ein Verkauf des Grundstücks an den Verein oder aber an Hubert ist bislang ausgeschlossen. Somit wurde die Möglichkeit diskutiert, dass Schmidt das Gebäude stehen lässt und die Mitglieder der Brinke 16-17 das Haus selbst verwalten und entsprechend pflegen. Diese Option ist für den Bauherren bislang jedoch ebensowenig denkbar, da er an der Errichtung der Eigentumswohnungen festhält.
Schmidt schlug daher nach Aussagen der Initiativenmitglieder einen Grundstückstausch vor. Zwar wurde die Initiative im Februar dieses Jahres fündig und signalisierte entsprechende Verhandlungsbereitschaft. „Wir haben es von unserer Seite so weit vorangetrieben, dass ein finanzieller Abgleich möglich ist. Seine bisherigen Aufwendungen sind wir bereit auszugleichen“, erzählt Rolf. Allerdings ist ein Verhandlungstermin zwischen der Initiative und Bauherren bislang noch nicht zustande gekommen. Ein erstes, vor Februar initiiertes Treffen hat zwar stattgefunden, allerdings war jenes von der Kirche angebotene Tauschgrundstück dem Bauherren zu weit von der Innenstadt entfernt. Inzwischen läuft eine Räumungsklage gegen den Laden, zu der derzeitige Mieter mit Fristende des 11. Aprils eine entsprechende Stellungnahme eingereicht hat.
Lebendige Geschichte
Die Gebäude der Brinkstraße 16/17, die inzwischen über 150 Jahre alt sind, stellen eine der letzten noch intakten Vorstadthäuser der Industrialisierungszeit dar. Sie sind im Rahmen der ersten Industrialisierungsphase der Stadt entstanden. Die Hinterhofgebäude sind Schritt für Schritt dazugekommen. „In den 50er Jahren wurde der erste und zweite Seitenflügel ausgebaut. Davor befand sich im Hinterhaus eine Backstube“, erzählt mir Rolf. „Es kommen noch heute Menschen in den Laden, die erzählen, wie sie früher hier Abends Bier getrunken haben“, fährt er fort. Schließlich befand sich über lange Zeit ein Wirtshaus in diesem Gebäude. Das Gebäude macht sich selbst durch seine Existenz zu einer Art Museum, schon vom ersten Moment an, wenn man es erblickt, wird bewusst: Dieses Haus kommt aus einer anderen Zeit. Es sind nicht nur typische Merkmale der kleinen Greifswalder Vorstadthäuser erhalten geblieben. Auch zur Straßenseite hin zeigende Ladenausstattung, Fliesenklinkerfassade und Markise, entstammt noch den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts. Innerhalb des in den vergangenen Jahren durch austauschbare Wohnsilos trister werdenden Straßenzugs stellen Haus und Laden eine Abwechlung dar und machen sie überhaupt erst lebendig.
In den vergangenen fünf Jahren hat sich nicht nur der Laden selbst schrittweise vergrößert, auch die Angebotspalette wurde breiter. Inzwischen kann man unter Anderem auch Kinderbücher und Filzpantoffeln kaufen. „Wo habt ihr denn die Keramikware?“, fragt eine ältere Frau. „Die haben wir zur Zeit nicht.“ Es ist hier nicht immer alles zu jeder Zeit verfügbar. Doch gerade weil dem so ist, wird einem bewusst, dass bestimmte Produkte eben auch etwas besonderes sind und dass man andererseits nicht sofort tot umfällt, wenn es mal keine Wurst zu kaufen gibt. Aus dem Laden hat sich mit der Zeit ein Treffpunkt für Kinder, Studierende und Rentner entwickelt. Er ist für viele zum zentralen Anlaufpunkt der Straße oder des Viertels geworden.
Ziel von Laden und Verein ist es, Stadt- mit Landleben zu verbinden, die starke Trennung zwischen beiden Welten aufzuheben und eine möglichst enge Verbindung zwischen dem Produzenten und Konsumenten herzustellen. Es werden keine Bedürfnisse durch Werbung stimuliert, um künstlich eine Nachfrage für bestimmte Produkte zu erzeugen; es wird auf die reelen Bedürfnisse der Menschen eingegangen und auf reelle Nachfrage hin produziert und die Ware im Laden angeboten. Handel wird in der Brinkstraße anders gelebt. Man könnte hier, im Gegensatz zu Discountern, auch von einer Handelskultur sprechen.
Cafè Hollerbusch
Wenngleich die Bioprodukte das Kerngeschäft des Ladens ausmachen, so kann dennoch jeder, der sich am Leben in dem Haus beteiligt, eigene Ideen mit einbringen. Auf diese Art und Weise ist im Herbst 2013 das Cafè Hollerbusch entstanden. Drei kleine Tische nebst Stühlen, ein Sofa, ein im Winter Wärme spendender Kachelofen, eine Büchervitrine sowie eine weiße Anrichte geben dem Gast das Gefühl, nicht in einem Cafè zu sitzen, sondern im eigenen Wohnzimmer zu sein.
Wie oft ich noch in die Brinke gehen und die Nussecke essen kann, wie oft ich mich noch unbeschwert über Gott und die Welt, und das im Wahrsten Sinne des Wortes, unterhalten kann, wird letztendlich vom Richerspruch abhängig sein, der irgendwann nach dem 11. April gefällt werden wird. Gas und Wasser sollten der Brinke bereits abgestellt werden. Bislang jedoch ohne Erfolg. Der Druck, der auf dem kleinen Laden lastet, wächst unaufhörlich weiter. Doch im Laden selbst ist keine Spur davon. Wenn die Tür ins Schloss fällt, verlässt man den Laden, so, als würde es ihn morgen, übermorgen und auch noch in drei Jahren geben. In der Brinkstraße 16/ 17. Vielleicht gibt es ihn dann ja tatsächlich noch.
Fotos: Simon Voigt (Artikelbild), Marco Wagner (Galeriebilder), Anne Schacht (ohne CC-Lizenz, Privatbilder vom Innenleben der Brinke)
ABREißEN! Jetzt erst Recht.
Das wären meine Gedanken wenn ich der Eigentümer wäre. Anstatt ständig dieses einseitig verzerrte böse Bild des Eigentümers zu zeichnen, könnte man der Frage nachgehen, warum die Initiative sich erst bemüht, nachdem es zu spät ist.
Der Eigentümer durfte seine Sicht der Dinge mal in einem Medium schildern, das es mit journalistischer Sorgfalt noch etwas genauer nimmt und beide Seiten befragt. Dort las mann dann etwas über einen Eigentümer, der verständlicherweise im Voraus plant, um Firma und Familie zu versorgen. Es schien, als hätte die Initiative lange Zeit gar nichts getan, so plante der Eigentümer mit seinem rechtmäßig erworbenen Grundstück.
Warum er das macht? Ganz einfach, Es geht um Rechnungen, die bezahlt werden müssen. Gehälter und all der andere Kram, den die Initiative nicht zu kennen scheint. Fast so als kämen sie aus einer anderen Welt.
Was für eine Frechheit, der Laden hat die Räume gemietet. Nach einer Kündigung nicht auszuziehen ist schon doll. Aber noch auf einen Richterspruch zu hoffen ist schon wieder naiv.
Womit wir wieder in einer anderen Welt wären.
Denk an deinen Blutdruck!
Ojeh, hat da sAtiRikErel den Artikel überhaupt richtig gelesen?
"Es schien, als hätte die Initiative lange Zeit gar nichts getan, so plante der Eigentümer mit seinem rechtmäßig erworbenen Grundstück."
– Tja, und weil sich die Initiative in jenem Artikel nicht dazu äußern konnte, steht in diesem Artikel:
"Wenngleich es zunächst so scheint, als sei die Initiative erst zu Beginn dieses Jahres aktiv geworden, so irrt der Eindruck. “Seit über einem Jahr wird sich getroffen, um über die Zukunft der Brinke zu diskutieren”, erzählt Anne, die im Oktober 2013 aus dem Haus ausgezogen ist." Darunter kommt dann an anderer Stelle noch einmal, was gemacht wurde.
Außerdem habe ich im Text sogar noch neutralisiert, anstatt ein negatives Bild des Bauherren zu zeichnen. Es ist eine reine Faktenbeschreibung, die hier stattfindet:
"Schmidt schlug daher nach Aussagen der Initiativenmitglieder einen Grundstückstausch vor. Zwar wurde die Initiative im Februar dieses Jahres fündig und signalisierte entsprechende Verhandlungsbereitschaft. “Wir haben es von unserer Seite so weit vorangetrieben, dass ein finanzieller Abgleich möglich ist. Seine bisherigen Aufwendungen sind wir bereit auszugleichen”, erzählt Rolf. Allerdings ist ein Verhandlungstermin zwischen der Initiative und Bauherren bislang noch nicht zustande gekommen. Ein erstes, vor Februar initiiertes Treffen hat zwar stattgefunden, allerdings war jenes von der Kirche angebotene Tauschgrundstück dem Bauherren zu weit von der Innenstadt entfernt."
Abgesehen davon steht da das kleine Wörtchen "bislang". D.h. als Autor halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass es nicht doch noch zu einem Treffen kommen könnte. Insofern kann wohl kaum von einer Feindbildmalerei gesprochen werden.
Hätte ich das gewollt, hätte ich geschrieben:
"Ein weiteres Treffen kam nicht zustande, obwohl vom Bauherren selbst der Vorschlag eingebracht worden war." Und da man in einer Reportage/ Portrait durchaus werten/ einordnen darf, hätte ich dann noch schreiben können: "Es scheint, als habe der Bauherr kein Interesse an Verhandlungen mit Verein und Laden." — So macht man das, wenn man das Bild vom bösen Bauherren zeichnen wöllte. Ich hätte auch schreiben können, WIE das Treffen nicht zustande kam. Doch das hätte den Bauherren eher in ein schlechtes Licht gerückt. Hab ich aber nicht gemacht, weil ich es gerade eben nicht wollte. Daher blieb es bei einer Beschränkung auf die wesentlichen Fakten. Wertfreier geht es nun mal nicht, als so. Klar, wer natürlich nicht von dem WIE weiß, wird diese Stelle vielleicht anders lesen. Aber so tragisch ist es nun auch wieder nicht…
herrje. Tränendrüsen-Journalismus. Gute Brinke – böser Investor. Hat man sich eingefühlt, gibt es zwischendurch mal ein paar Fakten. Und Hertha kaut traurig ihre weltgerechten Rindersalami.
Einen kleines Häuschen mit Bioladen und einem sicher nicht zu verachtenden kulturellen Biotop als letzte Bastion gegen den bösen Kapitalismus aufzufahren, und mit "früher", Biogemüse, Filzpantoffeln und dem "Gemeinnutz" um sich zu schießen, bis wir endlich alle mitweinen, hilft wohl keinem weiter. Das ganze dann "Reportage" zu nennen, ist auch ziemlich weit hergeholt.
Dem Autor ist außerdem mal eine Predigt im Dom zu empfehlen. Das ist nämlich auch einer dieser Orte in denen es darum geht "ob nicht vielleicht unser Leben im Streben nach Karriere und möglichst viel Geld aus dem Gleichgewicht geraten sein könnte und (…) in denen versucht wird, dieses Gleichgewicht ins Lot zu bringen, indem sie uns wieder ein bisschen mehr Menschlichkeit zu lehren versucht. "
Abreißen sollte man das Haus trotzdem nicht.
Der Artikel klingt für mich nach Rosamunde Pilcher.
Meine Fresse, in welcher Feen- und Elfenwelt lebt ihr Brinke-Initiativler (und offenbar auch der Autor dieses epischen Rührstückes) eigentlich? In Taka-Tuka-Land?
Es gilt schlicht und erfgreifend die bürgerlich-rechtliche Eigentumsordnung! Für das zuständige Amtsgericht ist die Sache daher verdammt einfach. Entweder das Mietverhältnis ist beendet, oder eben (noch) nicht. Ist es beendet, dann hält man sich dort unbefugt auf. Ergebnis: Räumung, nötigenfalls mit Zwangsmitteln. Ist es nicht beendet, dürfen sie bleiben, bis es beendet ist. Fertig ist die Laube!
Vielleicht sollte man sich selbst mal mit Verve nach einem anderen Objekt (vorzugsweise kaufen statt mieten) umsehen, anstatt die berechtigten Eigentümerinteressen des Investors mit plumper und obendrein falscher Schwarz-Weiß-Malerei in Verruf bringen zu wollen. It just don't work because (most) people aren't that stupid…
Wird im Text der Vorwurf erhoben, dass der Bauherr unrechtmäßig handeln würde?
Überhaupt wird in dem Text dem Bauherren kein Vorwurf gemacht, außer, dass er an der Entscheidung festhält, die Brinke abreißen zu wollen. Doch das darf man durchaus machen, zumindest vor dem Hintergrund der gewählten Textsorte.
Oh, "Post von Wagner"!
Jetzt ist wohl jeder einzeln dran, was? Na schön, was soll's. Wir wollen uns mal nicht mit Spitzfindigkeiten aufhalten. Der ganze Text suggeriert dem Leser von vorne bis hinten, was er gefälligst zu denken hat. Das fängt bei dem reißerischen Titel von dem "Kleinod", das "geschlachtet" werden soll, an und hört auf bei klar tendenziösen Mitteilung, dass nun vom "Richterspruch" abhängig sei, wie lange man wohl dort noch über Gott und die Welt schwadronieren könne. Was die Kommentatoren dieses (gründlich misslungenen) "Versuchs einer literarischen Reportage" (mich eingeschlossen) wohl einfach mal loswerden wollten, ist, dass es nun ein für allemal reicht mit der Brinke-Lobhudelei. Das Abendland wird nicht untergehen, wenn diese Bruchbude vernünftigem Wohnraum weichen muss! Meinetwegen auch Eigentumswohnungen, denn auch für die gibt es Abnehmer in Greifswald. Und auch die Versorgung der Anwohner mit verschrumpeltem Biogemüse wird nicht zum Erliegen kommen, wenn der Laden dort ausziehen muss. Die ökonomischen Gesetze der Marktwirtschaft haben früher oder später noch immer dafür gesorgt, dass auf eine vorhandene Nachfrage mit einem passenden Angebot reagiert wird. Da wird sich auch ein passender Marktplatz noch finden lassen. Und wenn's am Ende der Marktplatz selbst ist…
Nuff said.
"Ein Verkauf des Grundstücks an den Verein oder aber an Hubert ist bislang ausgeschlossen." – ja…von wem ist das denn bitteschön ausgeschlossen? Ich bin mir ja ziemlich sicher, dass der Bauunternehmer liebend gerne nen Kaufvertrag unterzeichnet, wenn er ein ernstzunehmendes Angebot bekommt. Für n Appel und n Ei bekommt man heut halt nix mehr. Auch wenn Appel und Ei besonders "bio" sind…
Eine solche einseitige Berichterstattung ist mir schon lange nicht mehr untergekommen. Das ganze liest sich eher wie eine billige Heimatfilmschmonzette als ein Artikel.
Das ist vermutlich der angepeilten Textsorte geschuldet.
Ehrlich gesagt kann ich die Aufregung nicht ansatzweise verstehen. Es wird ja bereits im Vorspann mehr als eindeutig gesagt, dass es sich um eine einseitige Abhandlung handelt. Ziel des Artikels war nicht, den Konflikt zwischen Schmidt und der Brinke ganz detailliert aufzuschlüsseln. Dazu gab es bereits (auch auf dem webMoritz) einen Bericht, die OZ hat darüber berichtet und viel Neues gibt es nicht, außer der laufenden Räumungsklage.
Es ging mir – und das geht aus dem Text unmissverständlich hervor – darum, Laden und Haus zu portraitieren und natürlich auch den Wert desselben für die Straße hervorzuheben. Als Autor habe ich meine Absichten mehr als deutlich gemacht. Wer also kein Interesse an einem solchen Text hat, sollte nicht meckern, ihn gelesen zu haben, und festzustellen, dass er einseitig sei. Mag sein, dass es an der einen oder anderen Stelle tatsächlich ein wenig ins kitschige verfällt.
Doch wenn schon gesagt wird, dass es um ein Brinke-Portrait (Haus und Laden) geht, sollte nun nicht mit der Erwartungshaltung heran gehen, dass über den Konflikt zwischen Eigentümer und Mieter intensiv berichtet wird, zumal darüber ja bereits alles gesagt worden ist.
Abgesehen davon verstehen sich die Moritz-Medien nicht nur als Berichterstattungsorgan, sondern auch als Experimentierfeld für andere Textsorten; in diesem Fall spezieller um den Versuch einer literarischen Reportage. Der Rosamunde-Pilcher-Vergleich zeigt zumindest, dass das Ziel jedenfalls nicht verfehlt zu sein scheint. 😉