„Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören (…) den Zutritt zu Veranstaltungen zu verwehren oder von dieser auszuschließen.“

Dieser Satz am Ende der offiziellen Ankündigung wies vielleicht subtil aber doch eindeutiger auf das Thema des Abends hin, als so mach inhaltliche Umschreibung.

Zum Thema „Wie wehrhaft sollte Demokratie sein? Über den Umgang mit Gegnern der Demokratie“ diskutierten am gestrigen Mittwoch Helmut Wolf (Verfassungs- und Verwaltungsrichter a.D.) und Prof. Hubertus Buchstein (Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Uni) unter der Moderation von SPD Kreischef Christian Pegel.

Gut 130 Interessierte fanden den Weg ins Koeppenhaus, um sich zu informieren und mitzudiskutieren – mit so viel Andrang hatte wohl auch der Veranstalter (der Greifswalder Präventionsrat) nicht gerechnet. Das Thema des Abends war die NPD und ihre Umtriebe in MV und der gesamten Bundesrepublik. In kurzen Statements umrissen die beiden Diskutanten ihre Sicht der Fragestellung jeweils aus ihrem spezifischen Fachbereich.

Helmut Wolf erläuterte dabei insbesondere die Schwierigkeit, Demonstrationen von Rechtsextremen zu verhindern. Dies würde das Grundrecht der Versammlungsfreiheit einschränken und sei daher kaum möglich. „Es gibt so gut wie keinen Spielraum für die Kommunen, wenn es um Gesinnung oder Ansinnen einer Veranstaltung geht, denn wenn es um solche Genehmigungen geht, gilt gleiches Recht für alle. Wer als erstes eine Veranstaltung anmeldet, hat ein Vorrecht“, erklärte er. Das es trotzdem oft zu Ablehnungen und im Anschluss daran zu Verfahren kommt habe eher politische Gründe: „Kein Bürgermeister will sich dem Vorwurf aussetzen, er habe nichts dagegen getan.“

Wirksam seien vor allem Gegendemonstration die laut Versammlungsrecht zwar nicht verhindern aber behindern dürften. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die NPD-Demonstration 2001 in Greifswald, bei der sich mehr als 7000 Gegendemonstranten einfanden. Wolf rief die Zuhörer zu persönlichem Engagement gegen Rechtsextreme und zu mehr Einsatz für soziale Gerechtigkeit auf. Das Verfassungsrecht selbst, sei „nicht als Schwert geeignet“.

Prof. Buchstein, der diesen Aufruf überspitzt als „Sonntagsgerede“ einstufte, beschäftigte sich aus politikwissenschaftlicher Sicht mit der NPD. Als deren große Schwäche wies er auf die prekäre finanzielle Lage der Rechtsextremisten hin. „Die Staatlichen Zuschüsse machen fast 45% des Haushalts der NPD aus -deutlich mehr als bei allen anderen Parteien. Es sind also staatliche Gelder die weitergereicht werden an gewalttätige Kameradschaften.“ Auch wenn er der Meinung sei, die Gefahr der NPD werde allgemein überschätzt, so wies er doch darauf hin, dass die Bundesrepublik mit ihren juristischen Möglichkeiten eine „sehr wehrhafte Demokratie“ sei. Gerade mit den Gesetzen bezüglich der Leugnung des Holocaust habe man vielfältige Möglichkeiten, gegen Rechtsextremisten vorzugehen. Auch bürokratische Vorschriften seien geeignet um Veranstaltungen zu erschweren: „Umweltschutz, Hygienevorschriften, Jugendschutz, Lärmbelästigung etc, die Möglichkeiten Veranstaltungen zu unterbinden sind da, sie werden nur nicht konsequent genutzt.“ Helmut Wolf sah dies eher kritisch: „In einer freiheitlichen Gesellschaft muss für alle Veranstalter der gleiche Maßstab gelten. Wir beschneiden uns in unseren eigenen Möglichkeiten, wenn wir mit Vorschriften dieserart gegen Extremisten vorgehen.“

Zu einem möglichen Verbotsverfahren äußerte Prof. Buchstein sich befürwortend und warf der CDU vor, dies nur aus parteitaktischen Interessen zu blockieren: „Würde die NPD verboten werden, würde sich bald eine neue, rechtspopulistische Partei gründen, die der CDU schnell 10 bis 15 Prozent der Wählerstimmen streitig machen würde.“ Der Politikwissenschaftler rief vor allem zu einem „entspannteren“ Umgang mit Rechtsextremisten auf: „Die NPD ist gefährlich, aber sie hat längst nicht so viel Macht und Einfluss wie man uns weißmachen will.“ Er kritisierte, dass vielerorts Rechtsextremismus totgeschwiegen und geleugnet würde, bis es zu massiven Übergriffen kommt. „Dann wird auf einmal panisch reagiert, und davon müssen wir loskommen. Gegen Demokratiefeindlichkeit muss von Anfang an mit kühlem Kopf vorgegangen werden. Wenn sich rechte Jugendliche zu Garagenbands zusammenfinden, muss man ihren Ansichten entgegentreten, nicht erst wenn die ersten Ausländer zusammengeschlagen werden.“ Beide Diskutanten sprachen sich gegen einen direkten politischen Dialog mit der NPD aus.

Weitere Diskussionsbeiträge und Fragen aus dem Plenum lenkten das Thema im Laufe des Abends immer mehr auf die Ursachen für Demokratiefeindlichkeit. „Viele Menschen in Deutschland haben nie eine politische Erziehung genossen, sie können mit der Demokratie nicht umgehen.“, so Helmut Wolf. Gerade die demokratischen Parteien seien hier in der Pflicht sich zu engagieren, auch wenn sie selbst in den betroffenen Gebieten oftmals über wenig Personal verfügten. Das Füllen dieses „Demokratievakuums“ scheint ein wesentlicher Ansatzpunkt zur Bekämpfung von Rechtsextremismus.

Professor Buchstein warnte angesichts dieser schwierigen Aufgabe davor in Selbstvorwürfen und –Mitleid zu versinken: „Eine freiheitliche Demokratie ist wie ein permanenter Spiegel, der uns ständig unsere eigenen Fehler zeigt. Dennoch können nicht die Fehler der Demokraten schuld sein an der Dummheit der Demokratiefeinde.“